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Prodinotti – die PRC als „radikaler Flügel der vereinigten linken Mitte”

Von MiWe | 01.05.2005

Die Umarmung zwischen Romano Prodi, dem designierten Spitzenkandidaten der Mitte-Links-Union, und Fausto Bertinotti symbolisiert Verlauf und Ausgang des 6. Parteitags von Rifondazione Comunista Anfang März in Venedig.

Wie erwartet, wurde der vor zwei Jahren eingeleitete Kurswechsel der PRC – weg von einer dem Aufbau einer unabhängigen Arbeiter- und Protestbewegung verpflichteten Organisation und hin zum institutionellen Bestandteil eines kaum mehr reformistischen Bündnisses mit der linksbürgerlichen „Union“ – bestätigt, wenn auch mit knappen Mehrheitsverhältnissen. 60% der Delegierten stimmten der entsprechenden Vorlage zu, was Prodi zu dem wohlwolleden Kommentar veranlasste, dass die PRC in ihrer Mehrheit eine neue „reformistische Partei“ darstelle, die sich „an einer reformistischen Mehrheit beteiligen will“ und damit „einen gemeinsamen Ausgangspunkt für die Zukunft“ liefere.
Die Minderheitenvoten verteilten sich auf die traditionalistische Ernesto-Strömung, die 25% erhielt, und – zu jeweils 7% – auf die beiden revolutionär-marxistischen Tendenzen Proposta Comunista und Erre. Neben der politischen Dimension dieses strategischens Schwenks, die in dem unten stehenden Beitrag analysiert wird, gibt es noch einen zweiten – organisatorischen – Aspekt, der die Rigorisität des politischen Paradigmenwechsels unterstreicht und die interne demokratische Funktionsweise der Partei infrage stellt: die beschlossene Änderung der Parteistatuten.

Einerseits wurde die Unvereinbarkeit von Parteiamt und parlamentarischem Mandat aufgehoben. Andererseits – und das ist weit gravierender – wurde das Nationale Politische Komitee, das sich proportional aus Vertretern aller Parteiströmungen zusammensetzt, de facto entmachtet, indem durch die Verdopplung von dessen Mitgliederzahl die Funktionsfähigkeit herabgesetzt und ihm ein neues, faktisch leitendes Gremium, die „Exekutive“ zur Seite gestellt wurde. Dieses ist quasi monolithisch besetzt und besteht aus den Vertretern des Sekretariats (aus dem sämtliche Vertreter der Minderheitstendenzen hinauskatapultiert wurden), den Verantwortlichen für die verschiedenen Arbeitsbereiche und den Bezirkssekretären. Die Minderheit ist somit nur über die wenigen Regionen, in denen sie über die jeweilige Mehrheit verfügt und damit den/die Bezirkssekretär/in stellt, vertreten.
Allein das Zustandekommen dieser Statutenänderung stellt eine flagrante Verletzung basisdemokratischer Prinzpien und eine Aufkündigung des politischen Konsens in der Partei dar. Der von allen Minderheiten unterstützte Antrag von Proposta Comunista, aufgrund der eminenten Bedeutung diese Frage durch eine Zweidrittelmehrheit entscheiden zu lassen, wurde abgeschmettert. Ebenso ein Vermittlungsversuch von Cremaschi, dem Sekretär der FIOM und Unterstützer des Mehrheitsantrags. Eine konstruktive Opposition wird damit unmöglich gemacht und die Minderheiten werden auf eine Statistenrolle zurückgeworfen.

Einige Details illuminieren die Tragweite dieser Entwicklung: die Mandatsträger werden künftig entpflichtet, Beschlüsse der Partei in ihrem Abstimmungsverhalten zu respektieren; der Antrag, für die Verankerung der Gleitenden Lohnskala im Wahlprogramm der „Union“ einzutreten, wurde abgelehnt; eine „gerechtere Besteuerung“ soll die ungleiche Vermögensverteilung regulieren usw.

Regionalwahlen

Dass sich die neue politische Option nicht einmal in wahlarithmetische Vorteile ummünzen lässt, zeigen die Ergebnisse der Regionalwahlen von Anfang April, die in dreifacher Hinsicht bilanziert werden kann.
Erstens zeigt sich ein Erosionsprozess der Rechten, die – nach zuvor 8 von 13 – in nur noch 2 Provinzen die Mehrheit stellen, und ein Legitimitätsverlust von Berlusconi im Besonderen. Bis hinein in die von der neoliberalen Globalisierung abgehängten Unternehmerschichten reicht die Aufkündigung des Konsens mit der Berlusconi-Regierung. Hingegen muss man sich vor der Einschätzung hüten, dass diese Niederlage eine endgültige sei, da die Verluste der Regierungsparteien vorwiegend durch Wahlenthaltung zu erklären sind und verlorene Stimmen auch wiedergewonnen werden können. Zudem weist der Verschleiss der Person Berlusconi auf eine mögliche Option, die Gallionsfigur auszutauschen.
Zweitens war der Wahlerfolg der Mitte-Links-Union in erster Linie vom guten Abschneiden der Achse DS/Margherita, dem harten Kern der politischen Basis von Prodi, getragen. Die Union repräsentiert gemäßigten Neoliberalismus, der ein Minimum sozialer Solidarität und eine Art Pazifismus vorsieht, der von der Multipolarität der Außenpolitik und der Behauptung der EU-Interessen gegen die US-Dominanz ausgeht. Gerade die institutionelle Einbindung von Rifondazione macht die Union zur attraktiven Regierungsalternative für das Kapital, da sie für eine Wiederauflage der Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Gewerkschaften steht.
Drittens stellt die vollständige Integration der PRC in die Union mit gewissen eigenen Führungsansprüchen (Vendola in Apulien) einen strategischen Bruch dar und eine Aufgabe einer wirklichen Alternative zu Mitte/Rechts und Mitte/Links. Das Wahlergebnis spiegelt die strukturellen Grenzen dieser Option wider, da Rifondazione als einziger Bestandteil der Union keine Stimmen hinzugewinnen konnte und im Vergleich zu den Europawahlen sogar verloren hat. Das heißt: die Allianz Prodinotti macht ersteren zum Gewinner und lässt zweitere verlieren.

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