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Patt Garrett in Abu Ghraib

Von Walter Wiese | 01.03.2007

Als die Zeitungen voll von den Nachrichten über die Menschen verachtenden und entwürdigenden Folterungen an gefangenen Irakern in Abu Ghraib waren, reagierte ein Teil der Öffentlichkeit mit Empörung. Erinnerungen an ähnliche Ereignisse in vorausgegangenen Kriegen wurden wachgerüttelt und mit der anscheinend besorgten Frage begleitet: „Haben die Amerikaner nichts daraus gelernt?“ und „Wie kann so etwas passieren?“ Wobei klar zu stellen wäre, wer die „Amerikaner“ sind.

Als die Zeitungen voll von den Nachrichten über die Menschen verachtenden und entwürdigenden Folterungen an gefangenen Irakern in Abu Ghraib waren, reagierte ein Teil der Öffentlichkeit mit Empörung. Erinnerungen an ähnliche Ereignisse in vorausgegangenen Kriegen wurden wachgerüttelt und mit der anscheinend besorgten Frage begleitet: „Haben die Amerikaner nichts daraus gelernt?“ und „Wie kann so etwas passieren?“ Wobei klar zu stellen wäre, wer die „Amerikaner“ sind.

Den Befürwortern des Irakkrieges konnte das Bekanntwerden der dortigen Vorgänge überhaupt nicht passen, weil sie die den Krieg ablehnenden Menschen besonders moralisch bestärkten. Und sie unterstellten zu Recht, dass der größte Teil der informierten Bevölkerung den Zusammenhang von Krieg und Kriegsgefangenenbehandlung erkannte und somit die Ablehnung des Krieges sich v. a. in der US-amerikanischen Bevölkerung verstärkte.
Die Frage „Wie konnte das passieren?“ ist gar nicht so schwer zu beantworten. Dabei sind zwei Aspekte von Bedeutung! Der erste: In den zivilen Gefängnissen der USA geht es nahezu tagtäglich so oder ähnlich zu. Der zweite: Das Personal für die Militärgefängnisse im Irak stammt aus Fachpersonal, das „zu Hause“ diesen Umgang mit den ihnen unterstellten Gefangenen pflegt.

Somit wird deutlich, dass mit den Waffen und Soldaten auch deren Überbau ins Land gekommen ist und dort um so mehr US-amerikanische Verhältnisse herrschen. Ein ‚Unfall‘ kann das Ganze somit nicht gewesen sein!
In den USA üblich
A. Gordon (Professor für Soziologie an der Universität in Santa Barbara) berichtet über zivile Gefängnisse in den USA (s. Le Monde Diplomatique vom 10.11.06); dort gehören „Folter, Demütigung, Entwürdigung“ etc. „im Strafvollzug von Anfang an zum Alltag“, d.h. seit Bestehen dieser Knäste selbst. Insofern fand wohl auch die von außen geäußerte Kritik an den Vorgängen in Abu Ghraib bei Bush, Rumsfield u. a. kein Verständnis, da die dort geübten Praktiken sich „nicht von der Vorgehensweise unterscheiden, die … auch in den zivilen Gefängnissen der USA beobachtet“ werden.
Der Gefangenenbehandlung geht deren soziale Ausgrenzung und ihre Erklärung zum (Volk- oder Gesellschafts-) Feind voraus, denen man Schutzrechte vorenthalten kann: Als außerhalb der Gesellschaft Stehende haben sie nun keine Rechte mehr, die die Mitglieder dieser Gesellschaft haben. Sie haben sie quasi „verwirkt“.

Diese „Rechtfertigung“ ist Grundlage für die Behandlung der Gefangenen durch das entsprechend   bewährte Personal, das in den Gefängnissen in Irak (und Afghanistan) eingesetzt wird und in den zivilen Gefängnissen der USA arbeitet, und das nun, als Reservisten, im militärischen Bereich eingesetzt werden kann und wird. Einige kommen, wie es scheint, besonders gut beleumundet in den Irak: Der zivile Gefängniswärter Ivan L. Frederik II ist aufgrund seiner Erfahrung im „zivilen“ Strafvollzug einer der „Anführer“ bei den Übergriffen in Abu Ghraib gewesen. Charles Graver jr., der auf dem bekannten Bild mit der Pyramide nackter irakischer Gefangener im Hintergrund zu sehen ist, kann seine Erfahrung im Hochsicherheitstrakt von Greene in Pennsylvania einbringen, wo er sich als “Aufseher an mehreren gewalttätigen Übergriffen gegen Häftlinge“ beteiligt hat.
Export des US-Systems
Aber nur ein Teil des Personals ist für die Beaufsichtigung der Gefangenen zuständig. Ein anderer Teil hat am „Wiederaufbau des Gefängnissystems im Irak“ auf der Grundlage des US-amerikanischen Systems maßgeblich mitgewirkt. Somit ist auch hierhin ein Teil der US – Gesellschaft als Grundlage für einen „Neuanfang“ transferiert worden.
Das bedeutet, dass nicht nur die US-amerikanische zivile „Gefängniskultur“ kriegstauglich ist, sondern auch leicht übertragbar, d.h. der kriegerische Ernstfall wird täglich bereits in den USA praktiziert.

Der Taguba-Bericht, der die Ergebnisse der Untersuchungen über die bekannt gewordenen Skandale festhält, sieht in all dem nur einen generellen Mangel an Belehrung und Organisation und ein Versagen der Soldaten und eines Teils ihrer Vorgesetzten.
Und was hat das alles mit Pat Garrett zu tun? Der (Film-)Revolverheld Pat Garrett wurde zum Sheriff gewählt, um mit seinen (ehemaligen) Kumpanen „aufzuräumen“, was er auch tat, einschließlich mit seinem alten Freund Billy the Kid. Damit waren Ruhe und Ordnung wieder hergestellt und die Ziele erreicht. Merke: Wessen man sich dabei bedient, ist allein zielabhängig und nicht zufällig!

Wahrlich, die Lebensverhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft werden schlechter, auch weil so die Bourgeoisie die Verteidigung ihrer Interessen und Sicherheit praktiziert. Auch wenn wir von einem asymmetrischen Krieg zwischen Terroristen und ihr sprechen, scheint sich hinsichtlich des politischen Überbaus beider Gegner eine Symmetrie aufzuzeigen. Sie steht der Behauptung entgegen, sich von den Terroristen nicht die bürgerlichen Freiheiten nehmen zu lassen. Es ist täglich zu bemerken, dass es um die bekannte Alternative geht: Sozialismus oder Barbarei!

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