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Von Harry Tuttle | 01.02.2006

Bundeskanzlerin Merkel will die Beziehungen zu den USA verbessern. Doch trotz der Differenzen in der Irakpolitik war es nie zu einem Bruch gekommen. Seine Lieblingsstaatsgäste lädt US-Präsident George W. Bush gern auf seine Ranch im texanischen Crawford ein. Dieses Privileg wurde der Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch Mitte Januar noch nicht zuteil. Dennoch wurde das Treffen mit Bush allgemein als Erneuerung der traditionellen „transatlantischen Freundschaft“ gewertet.

Bundeskanzlerin Merkel will die Beziehungen zu den USA verbessern. Doch trotz der Differenzen in der Irakpolitik war es nie zu einem Bruch gekommen.

Seine Lieblingsstaatsgäste lädt US-Präsident George W. Bush gern auf seine Ranch im texanischen Crawford ein. Dieses Privileg wurde der Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch Mitte Januar noch nicht zuteil. Dennoch wurde das Treffen mit Bush allgemein als Erneuerung der traditionellen „transatlantischen Freundschaft“ gewertet. Von einem „warmen Willkommen“ sprach die Washington Post, und andere Zeitungen in den USA und Deutschland urteilten ähnlich.
Selbst Merkels vor der USA-Reise veröffentlichte Äußerung, das Gefangenenlager in Guantanamo dürfe „auf Dauer so nicht existieren“, konnte die Stimmung nicht trüben. Bush muss sich mit­lerweile selbst von PolitikerInnen seiner eigenen republikanischen Partei weit härtere Kritik an seiner Politik im Irak und im „war on terror“ gefallen lassen. Merkel wiederholte ihre Kritik nur auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz, die „geheimen“ CIA-Flüge und die Entführung Khaled al-Masris erwähnte sie nicht öffentlich.
Höchste Zeit für Geschäfte
Das bedeutet nicht, dass alle Differenzen ausgeräumt sind. Die westlichen Staaten konkurrieren um Märkte und Einflusszonen. So nutzte Deutschland die US-Sanktionen gegen den Iran, um sich höhere Marktanteile im lukrativen Geschäft mit dem ölreichen Staat zu sichern, und die Bundesregierung zögert ungeachtet der iranischen Atomrüstungspläne, dieses Vorteil durch Sanktionen zu gefährden. Deutschland unterhielt auch gute Handelsbeziehungen zum Regime Saddam Husseins im Irak und widersetzte sich deshalb den Kriegsplänen der USA, die das mit dem Oil-for-Food-Programm gerade wieder auflebende Geschäft gefährdeten. Es sei „höchste Zeit“ für „die Durchsetzung nationaler deutscher Interessen sowohl in Irak als auch bei den UN einzutreten“, forderte Dr. von Wartenberg, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, im Juni 2000 bei einem Geheimtreffen von Industriellen und PolitikerInnen. „Insbesondere gegenüber dem UN-Sicherheitsratsmitglied USA, aber auch gegenüber anderen müsse verdeutlicht werden, dass mit der bislang verfolgten Politik in New York deutsche Wirtschaftsinteressen stark beeinträchtigt würden“. Damit war die Linie der rot-grünen „Friedenspolitik“ vorgegeben.

„Nationale“ Interessen dieser Art sind weitgehend unabhängig von den wechselnden Regierungskoalitionen. KanzlerInnen und MinisterInnen können persönliche Akzente setzen und, wie Gerhard Schröder es tat, mit der Kritik an der US-Kriegspolitik offensiv im Wahlkampf werben, oder aber, wie Angela Merkel es bevorzugt, versöhnlich als „ehrlicher Makler“ auftreten. Die Geschäfte der Großkonzerne im Ausland zu fördern, bleibt jedoch ihre Pflicht.
Das erfordert auch, in der Irakpolitik nach einer Verständigung mit den USA zu suchen, nachdem die BDI-Linie gescheitert ist. Denn die US-Regierung hat weiterhin großen Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen für den Wiederaufbau und andere Aspekte der irakischen Wirtschaft, von deren Profitquellen die deutschen Unternehmer nicht ausgeschlossen werden wollen.  Ohnehin hatten die Differenzen nie zu einem Bruch geführt. Deutschland gewährte den US-Truppen Überflugrechte und half bei der Bewachung der US-Stützpunkte, die für den Nachschub benötigt wurden. Dies wurde mit der Notwendigkeit begründet, Verträge und Bündnisverpflichtungen einzuhalten, widersprach allerdings dem Artikel 26 des Grundgesetzes, dem zufolge „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten“ nicht nur „verfassungswidrig“, sondern sogar „unter Strafe zu stellen“ sind. Diese Bestimmung war bereits im Krieg gegen Jugoslawien 1999 ignoriert worden.
Agenten in Bagdad
Möglicherweise ging die Zusammenarbeit im Irakkrieg noch weiter. Mindestens zwei Agenten des Auslandsgeheimdienstes BND waren während des Krieges in Bagdad anwesend, sie sollen Recherchen des TV-Magazins Panorama zufolge der US-Luftwaffe bei der Markierung von Bombenzielen geholfen haben.
Möglicherweise handelt es sich jedoch um eine gezielte Falschinformation, mit der interessierte Kreise der US-Regierung Schröders „Friedenspolitik“ nachträglich diskreditieren wollen. Der BND-Kritiker und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom hält es „schon angesichts des Meldewegs für unwahrscheinlich“, dass es eine direkte operative Zusammenarbeit bei der Bombardierung gab. Denn diese hätte eine Direktverbindung zur US-Luftwaffe erfordert, und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen BND-Meldungen und Bombenangriffen wäre den irakischen Geheimdiensten ebenso aufgefallen wie die behauptete Ausspähung Saddam Husseins bei einem Restaurantbesuch durch BND-Agenten in einer gepanzerten Mercedes-Limousine. Sicher ist dagegen, dass der BND, der gute Verbindungen zu irakischen Geheimdiensten unterhielt, viele Erkenntnisse mit den US-KollegInnen teilte.

Merkels Aufgabe ist es derzeit, die Beziehungen zu den USA zu verbessern, gleichzeitig aber die Rolle Deutschlands und der EU als „Friedensmächte“ und „Hüter der Menschenrechte“ zu betonen. Ihr kommt zugute, dass Bush innenpolitisch geschwächt ist und die Mehrheit des politischen Establishments der USA eine Abkehr von der aggresiv unilateralen Politik fordern. Wie Schröder strebt sie einen größeren Einfluss Deutschlands auf die Weltpolitik an. Denn KanzlerInnen kommen und gehen, aber kapitalistische Interessen bleiben bestehen.

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