Pablo Hasel verteidigen, heißt demokratische Rechte verteidigen
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Jugendproteste im Spanischen Staat

Pablo Hasel verteidigen, heißt demokratische Rechte verteidigen

Von Dave Kellaway | 23.02.2021

Seit Mitte Februar protestieren Menschen im gesamten Spanischen Staat gegen die Inhaftierung von Pablo Hasel. Der Rapper gilt als Unterstützer des bewaffneten Unabhängigkeitskampfes im Baskenland. Die spanische Regierung ist gespalten.

In den letzten Nächten haben wir große Demonstrationen und Straßenschlachten zwischen meist jungen Demonstrant*innen und der Polizei des spanischen Staates gesehen [1]. Sie empören sich über einen weiteren Angriff auf demokratische Rechte und die freie Meinungsäußerung. Pablo Hasel (Pablo Rivadulla Duro, 32 Jahre alt) ist ein Rapper aus Katalonien, der sein Talent seit vielen Jahren nutzt, um das Regime anzuprangern und sich für radikale Veränderungen stark zu machen. Den Künstlernamen Hasel nahm er zu Ehren einer Figur aus einer arabischen Geschichte an, die die Könige ermordet. Die Gerichte, die oftmals bis heute in den Händen der Rechten und der nostalgischen Anhänger des faschistischen Franco sind, verhängten eine Strafe von zweieinhalb Jahren.

Kritisierst du die Monarchie, geht es in den Knast

Er rappte und twitterte öffentlichkeitswirksam gegen die Monarchie und unterstützte mit seiner Kunst bewaffnete Gruppen wie die ETA (eine Gruppe, die für die baskische Unabhängigkeit kämpft).

Pablo sieht seine künstlerische Mission darin, das Bewusstsein des Volkes zu schärfen und die kapitalistische Diktatur zu stürzen. In seinem Lied „Juan Carlos el Bobon“ (Juan Carlos der Idiot) nennt er den Ex-König einen Mafiaboss und eine Hure. In Anbetracht der Tatsache, dass es eine erwiesene Tatsache ist, dass Juan Carlos korrupt war und seine Position nutzte, um Schmiergelder von ausländischen Regierungen zu bekommen, sowie ein notorischer Schürzenjäger war, erweist sich Hasels Verteidigung als richtig – er sprach von objektiven Fakten. In der Tat hat Juan Carlos abgedankt und befindet sich nun aufgrund dieser Skandale im Exil. Dieser König spielte eine bedeutende Rolle bei der Bewältigung des Übergangs vom faschistischen Franco-Regime (1938 bis 76) zu einem moderneren kapitalistischen Regime mit schweren antidemokratischen Überbleibseln des Franquismus. Die derzeit regierende PSOE (Sozialistische Arbeiterpartei) [V1] und die damalige Kommunistische Partei haben an diesem „blockierten“ Übergang mitgearbeitet.

Wie Podemos und die PSOE-Regierung reagieren

Heute ist die PSOE in der Regierung, und wird dabei von links durch die radikalere Gruppierung Podemos unterstützt. Ihre Pressesprecher haben sich beeilt, die ‚Gewalt‘ der jungen Demonstrant*innen zu verurteilen, aber zu der Lust geschwiegen, mit der die von den Faschisten infiltrierte Polizei ihre Waffen gegen sie einsetzte. Eine Lust an Gewalt durch die ein Demonstrant in Barcelona bereits ein Auge verloren hat. Es gab Demonstrationen von zig Tausenden in verschiedenen Städten, aber die Hotspots liegen in Barcelona und Katalonien, der Heimat von Hasel. Gestern Abend wurden dort mehrere Banken angegriffen.

Podemos hat sich bisher geweigert, die Gewalt zu verurteilen, und hat stattdessen ihre Besorgnis über das große Demokratiedefizit in der gegenwärtigen Justiz- und Verfassungsordnung des spanischen Staates zum Ausdruck gebracht. Diese Position wurde von wichtigen PSOE-Führern heftig angegriffen. Pedro Sanchez , der Premierminister, hat diejenigen, die Gewalt und Angriffe auf die Demokratie nicht verurteilen, unverhohlen angegriffen. „In einer vollwertigen Demokratie wie der spanischen ist Gewalt inakzeptabel“ (El Pais 19 Feb). Nicht die Polizei nannte er als Quelle der Gewalt und erklärte auch nicht, wie eine Demokratie vollständig sein kann, in der Gesetze Angriffe auf die Monarchie verurteilen und das Problem der Selbstbestimmung für Katalonien ungeklärt ist. Die PSOE schlägt Gesetzesänderungen vor, die es den Gerichten erschweren sollen, von rechtsgerichteten Staatsanwälten missbraucht zu werden, um Menschen wegen Vergehen gegen die Meinungsfreiheit ins Gefängnis zu stecken. Eine ganze Reihe von Gesetzen gibt der Polizei einen großen Spielraum im Umgang mit Demonstrationen.

Offensichtlich ist die Podemos-Führung besorgt, ihre starke Unterstützung unter jüngeren Menschen zu verlieren. Sie hat gefordert, Hasel zu begnadigen, nicht freizulassen. Hasel selbst lehnt eine Begnadigung ab, weil er richtigerweise glaubt, dass er nichts falsch gemacht hat. Ein Sprecher von Podemos stellte am 20. Februar klar, dass sie zwar die Proteste unterstützen, aber gegen „gewalttätige Methoden“ der Minderheit seien. Sie versuchen zweigleisig zu fahren, sitzen aber in einem Zug.

Die Antwort von Anticapitalistas

Raul Camargo und Lorena Cabrerizo, die Sprecher von Anticapitalistas, haben einen Artikel auf der nationalen Nachrichtenseite El Publico veröffentlicht. Wir haben einige Auszüge übersetzt, die helfen, die Geschehnisse besser zu verstehen.

Die Proteste für die Freilassung von Pablo Hasel fallen nicht vom Himmel. Sie sind spontan, aber sie sind Ausdruck des Bewusstseins eines Teils der jungen Leute, die wissen, dass es schlecht um sie bestellt ist. Freiheit in diesem Land ist etwas, das ständig bedroht ist, und sie wird nicht selbstverständlich gewährt. (…)Es gibt eine völlig legitime jugendliche Unzufriedenheit. Hohe Arbeitslosenzahlen, eine privilegierte, völlig korrupte politische Klasse im Dienste der Interessen der Wirtschaftseliten und das Gefühl, dass die Zukunft noch schlimmer sein wird: Das ist der Hintergrund für die Mobilisierungen(…).

Wir unterstützen diese Proteste, die von den Wortführern des Regimes so heuchlerisch angegriffen werden. Wir rufen dazu auf, sich an ihnen zu beteiligen, das ist es, was antikapitalistische Aktivist*innen tun. Die plötzliche Besorgnis in den Talkshows und bei den Politikern (die nie etwas über die Brände in den Dörfern von Almeria und Huelva sagen, wo die Wanderbauern in Armut leben) ist ein Versuch, diese völlig legitimen Proteste zu kriminalisieren und die zugrunde liegenden Probleme zu vertuschen.

Die Niederschlagung der Proteste und der brutale Polizeieinsatz belegen ein weiteres Problem. Das Verhalten der staatlichen Sicherheitskräfte ist geprägt von einem zunehmenden Korpsgeist – aggressiv gegenüber der Bevölkerung und eingebunden in die repressive Agenda der extremen Rechten. Polizeiorganisationen sind der Kern der organisierten gesellschaftlichen Basis der extremen Rechten und dieses Problem muss angegangen werden. Sie werden die Situation zum Gegenangriff nutzen, versuchen, den sozialen Protest zu isolieren und sich in Komplizenschaft mit dem politischen und medialen Establishment zu stärken. Angesichts dessen brauchen wir eine Gesamtstrategie, die es uns erlaubt, die Proteste auszuweiten, die Isolierung einzelner Kämpfe zu vermeiden und unser Handeln in einer eigenen Agenda zu vereinen.

Im Grunde genommen sehen wir die ersten Anzeichen einer sozialen Krise, die sehr tief sein wird und ohne Zweifel beträchtliche Auswirkungen auf die politische Entwicklung haben wird. Der Versuch der progressiven Regierung, jede Art von Veränderung zu vermeiden, führt zu einer zunehmenden Unzufriedenheit unter der breiten Linken. Podemos versucht, eine kritische Haltung zu einigen Themen aufrecht zu erhalten (es ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie sich der Kriminalisierung von Protesten bisher nicht angeschlossen haben), aber ihnen fehlt die soziale Kraft, um die Zukunft der Regierung zu beeinflussen. Das trägt zu ihrer Entfremdung von der Wirklichkeit in den Straßen bei: Unter dem Kommando der PSOE in der Regierung zu sein, führt, wie einige von uns bereits gewarnt haben, nicht zu nennenswerten sozialen Verbesserungen, sondern zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit.

(…) Von der sozialen und politischen Linken brauchen wir eine Strategie für diese neue Situation. Neben den spontanen Mobilisierungen der Jugend müssen viele andere Forderungen erhoben werden: die Sicherung des Wohnraums, die Verurteilung der EU-Geschenke an das Großkapital, das Scheitern von Sozialpolitiken wie dem Existenzminimum, gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens, die Nichtrücknahme der Arbeitsmarktreform, der Kampf für Freiheitsrechte … (…) Wir sind uns bewusst, dass die Linke nicht gerade in Bestform ist und dass interne Gräben und gegenseitiges Misstrauen zur Tagesordnung gehören. Wir fallen nicht auf das bürokratische Geschwätz herein, die Einheit der Linken zu fordern, und noch weniger, dies im Rahmen dieser gescheiterten „progressiven“ Regierung zu tun. Was wir dringend brauchen, ist, dass wir diese Proteste in die Offensive bringen. Das bedeutet, die Isolierung der Proteste zu vermeiden, sie zu verbreitern und mehr und mehr soziale Bereiche einzubeziehen.

20. Februar

1] The Guardian, 17. Februar „Spanische Bereitschaftspolizei stößt mit Demonstranten zusammen, nachdem ein Rapper verhaftet wurde“.

Dave Kellaway ist ein Unterstützer der Socialist Resistance


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