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Betrieb & Gewerkschaft

Nicht das Management ist der Fehler, sondern der Kapitalismus

Von Daniel Berger | 01.11.2004

Keiner der herrschenden PolitikerInnen lässt sich zurzeit die Gelegenheit entgehen, zur Sanierung angeschlagener Konzerne (ob Karstadt oder Opel) den „Beitrag der Beschäftigten“ zu verlangen. An ihrem Verhalten wird das Gelingen der Sanierung festgemacht. Sie sollen durch Lohnverzicht das „Unternehmen wieder in die Gewinnzone bringen.“

Keiner der herrschenden PolitikerInnen lässt sich zurzeit die Gelegenheit entgehen, zur Sanierung angeschlagener Konzerne (ob Karstadt oder Opel) den „Beitrag der Beschäftigten“ zu verlangen. An ihrem Verhalten wird das Gelingen der Sanierung festgemacht. Sie sollen durch Lohnverzicht das „Unternehmen wieder in die Gewinnzone bringen.“

Auch bei der „Aufklärung“ der Ursachen der jeweiligen Misere sind sich PolitikerInnen und bürgerliche Medien wie auch die jeweiligen Betriebsratsfürsten einig: Es gab schwerwiegende Managementfehler. So lastet der so genannte Automombil- „wissenschaftler“ Ferdinand Dudenhöfer der GM-Spitze schwere Fehler an. Die Hauptgründe seien: Man habe die „Modellpolitik verschlafen“ und nicht erkannt, „dass Saab ein Sanierungsfall ist.“ Hätte also GM Saab rechtzeitig liquidiert – und hätte man noch schneller die Modelle gewechselt – dann hätten wir hier kein Problem und alles wäre in Butter.
Von den Verfechtern kapitalistischer Wirtschaft und speziell der Autogesellschaft ist kaum anderes zu erwarten. Aber auch der BR-Vorsitzende von Opel Rüsselsheim und gleichzeitig GBR-Vorsitzende Klaus Franz sieht „substantielle Managementfehler“. Seine defätistische Linie fasste er dann so zusammen: Diese Fehler dürften nun aber „nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten“ ausgebügelt werden.

Überkapazitäten

Aber selbst die hartnäckigsten Verfechter der Theorie von den Managementfehlern kommen an der Grunderkenntnis nicht vorbei, dass es gemessen an der Kaufkraft der Konsumenten eine seit Jahren sich steigernde Überkapazität gibt. Schon vor 5 Jahren lag die weltweite Auslastung der Automobilindustrie unter dem allgemeinen Industriedurchschnitt. Seit zwei Jahren ist sie deutlich unter 80 Prozent (der sonstige Schnitt der Industrie liegt bei 81-83%, aber auch hier ist die Tendenz seit zwei Jahren wieder rückläufig). Das neue Opelwerk in Rüsselsheim wurde 2001 eingeweiht und ist seitdem nicht nur das modernste Opelwerk, es ist das modernste Automobilwerk in ganz Europa überhaupt. Aber was nutzt es? Es ist seit Beginn nur zu 55- 60% ausgelastet.
Da speziell seit zwei Jahren die Kaufkraft gerade der Schichten, die auf Mittelwagen orientiert sind, deutlich abnimmt, wird der Markt immer heißer umkämpft. In einer solchen Situation beißen den Letzten die Hunde. Und das ist zufällig Opel. Zufällig deshalb, weil bei einer anderen, sprich unter kapitalistischen Gesichtspunkten erfolgreicheren Modellpolitik eben ein anderer Konzern als erster seine Autos nicht losbekommt und dann Werke teilweise oder ganz stilllegt. Die verfügbare Massenkaufkraft wird nicht dadurch eine andere, dass Opel aggressiver auf dem Markt auftritt. Mehr Autos von Opel verkaufen könnte eben nur auf Kosten anderer „Anbieter“ gelingen.

Autos bauen ohne Ende?

Die Linie fortschrittlicher Gewerkschafter – auch in der Autoindustrie, bzw. gerade dort – kann nicht darin bestehen, alles zu propagieren, was einen gesteigerten Bau und Verkauf von Autos zum Ziel hat. Wir lehnen die Autogesellschaft ab und müssen uns deswegen für eine Umrüstung dieser Werke einsetzen. Diese Fabriken sind sehr wohl in der Lage, Massenverkehrsmittel zu bauen, also vor allem Busse und Straßenbahnen. Das Geld für dieses Umsteuern ist bei denen zu holen, die jahre- und jahrzehntelang ihren Profit aus dem Autobau gezogen haben. Der Mutterkonzern GM macht immer noch Gewinne (I.-III. Quartel 04: 3,1 Mrd. $). Jegliches Bitten und Betteln ist deshalb fehl am Platz. Diese Werke gehören in Gemeineigentum überführt. Nur dann – und wenn eine Arbeiterkontrolle über die Produktion durchgesetzt, d. h. erkämpft wird – kann wirklich Sinnvolles, wirtschaftlich und ökonomisch Vertretbares produziert werden.
Und nur so lassen sich dann auch die Arbeitsplätze halten. Die jetzt allein bei Opel Deutschland angekündigten 8 000 Stellenstreichungen haben unmittelbar den Abbau von weiteren 30 bis 35 000 Stellen in der Zulieferindustrie zur Folge.
Der allererste Schritt müsste allerdings sein, sich in der gesamten Automobilindustrie für eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich stark zu machen. Diese übergreifende Perspektive und diesen betriebs- und konzernübergreifenden Kampf müsste jetzt eigentlich die Gewerkschaft organisieren.
Wir sind so realistisch, dies nicht zu erwarten, aber diese Aufforderung richten wir trotzdem an die IG Metall-Führung. Nur so wird deutlich, was von einer Gewerkschaft eigentlich zu erwarten wäre und wo sich die Gewerkschaftslinke wie auch alle linken Gruppen engagieren können und sollten.
Kein Wunder, dass in Rüsselsheim, wo seit mehr als 20 Jahren die Belegschaft mit allen Mitteln der Kunst vom Kämpfen abgehalten wurde, jetzt spontan keine Kampfbereitschaft vorhanden war. Sie kann sich ganz sicher neu entwickeln, aber von der IGM-Spitze wird das nicht gefördert. Berthold Huber hat nichts Anderes zu sagen als, dass man sich für den Erhalt „möglichst viele Arbeitsplätze einsetze“. Einsetzen heißt: Verhandeln, ja nicht streiken!
Die unmittelbarste Aufgabe allerdings ist die tatkräftige Unterstützung der Kampfmaßnahmen, wie sie bei Opel Bochum begonnen haben und jetzt unterbrochen wurden. Die anderen Standorte und auch die Belegschaften anderer Automobilkonzerne müssen nachziehen in einem Kampf:

  • Für den bedingungslosen Erhalt aller Arbeitsplätze.
  • Verbot von Entlassungen!
  • Für die radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
  • Für die Vergesellschaftung der Automobilindustrie und die Umrüstung der Werke auf die Produktion von wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Verkehrsmitteln vor allem für den öffentlichen Personennahverkehr.


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