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Länder

„Nicht auf ‚regionale Mächte’ vertrauen!“

Von M. Anwar Karimi | 01.11.2007

Auf der Abschlusskundgebung der bundesweiten Demo gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hat der in London lebende antiimperialistische Aktivist und Autor Tariq Ali als Lösung für Afghanistan nach einem Abzug der imperialistischen Truppen auf die „regionalen Mächte“ verwiesen. Wir dokumentieren diesen Teil seiner Rede und eine kritische Anmerkung dazu von unserem Autor.

Auf der Abschlusskundgebung der bundesweiten Demo gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hat der in London lebende antiimperialistische Aktivist und Autor Tariq Ali als Lösung für Afghanistan nach einem Abzug der imperialistischen Truppen auf die „regionalen Mächte“ verwiesen. Wir dokumentieren diesen Teil seiner Rede und eine kritische Anmerkung dazu von unserem Autor.

In seiner Rede stellt Tariq Ali die Einbindung der regionalen Mächte als einzige Möglichkeit dar, um in Afghanistan eine stabile Regierung zu schaffen. Tariq vergisst aber dabei, dass es gerade diese regionalen Mächte waren und sind, die in den letzten drei Jahrzehnten den Bürgerkrieg in Afghanistan mit Waffen und politischer Unterstützung am Leben gehalten haben. Pakistan, seit seiner Entstehung (1947) ein treuer Erbe des britischen Kolonialismus, ist an erster Stelle für die Misere mitverantwortlich, weil schon in den siebziger Jahren dort die ersten Ausbildungslager für Islamisten aus aller Welt  entstanden sind, um die so genannte rote Gefahr (Sowjetunion) zu bekämpfen.

Besonders verheerend hat sich die Verwicklung des pakistanischen Geheimdienstes (ISI, siehe Kasten) in den Aufbau islamistischer Gruppen in Afghanistan ausgewirkt. Die Querverbindungen nicht nur zu den Taliban sondern auch zu Al Qaida sind eigentlich ausreichend bekannt.

Iran war mit der Unterstützung der schiitischen Gruppen maßgebend  für Massaker an Zivilisten in Kabul (1992–1993) beteiligt. Und wie das iranische Regime mit der eigenen „Zivilgesellschaft“ bzw. mit der Opposition oder auch mit gewerkschaftlichen Organisationen umgeht, dürfte spätestens seit der Inhaftierung des Vahed-Vorsitzenden Osanloo hinlänglich bekannt sein. Wie kann eine solche Macht für einen friedlichen, „demokratischen“ Aufbau eintreten? Wie kann man von Russland (Erbe der Sowjetunion) als Garanten für Frieden sprechen? Man hat in Afghanistan noch nicht die Besatzung (1979–1999) mit weit über zwei Millionen Toten vergessen! Auch nicht das, was die russische Armee in Tschetschenien anrichtet. Soll das die Perspektive weisen? Indien, neben Pakistan ebenfalls Atommacht, hat mit seiner Besetzung Kaschmirs auch nicht gerade vorexerziert, wie unter der „Schirmherrschaft“ Indiens die ansässige Bevölkerung selbst über ihr Schicksal entscheiden kann.  Eine Garantie für Frieden in Afghanistan durch die Nachbarstaaten ist praktisch und politisch nicht nur unrealistisch, sondern einfach unmöglich.
Innerafghanischer Dialog
Das einzig Realistische und Machbare ist stattdessen ein innerafghanischer Dialog. Ein sofortiger Abzug der Nato-Truppen führt nicht zu einem Vakuum, weil weite Teile des Landes im Süden von den Taliban und im Norden von der Nord-Allianz kontrolliert werden. Und ein Dialog zwischen diesen beiden ist möglich. Die Besatzung durch die Nato und die Einmischung der Nachbarstaaten wird in allen Teilen des Landes von der Bevölkerung abgelehnt. Es ist Volksgruppen übergreifend ins Bewusstsein eingedrungen, dass der Frieden ein dringendes Ziel ist. Ein innerafghanischer Dialog ohne Einmischung und „Garantien“ (in Wirklichkeit sind das dann Mitsprache und Bevormundung) von außen wird sicherlich auch den Weg für künftige soziale Kämpfen ebnen.

Inter-services intelligence
Der Inter-Services Intelligence (ISI) wurde 1948 unter Mithilfe des CIA und des SDECE (der französische Geheimdienst Service de Documentation Extérieur et de Contre-Espionage) gegründet und in der Folgezeit nach dem Vorbild des iranischen SAVAK ausgebaut. Hauptziel war von Anfang an die Bekämpfung oppositioneller Strömungen. Die Unterstützung der Armee (die offizielle Hauptaufgabe) geriet zuweilen etwas schwierig, weil der ISI zum Teil auch ein Eigenleben führt. Der Geheimdienst wird heute von niemandem kontrolliert. In der Region ist allgemein bekannt, dass er zwei wesentliche „Standbeine“ hat: die Verbindung zu islamistischen Kräfte (schon seit den 70er Jahren auch in Afghanistan) und die Verbindung zum organisierten Drogenhandel.

Auszug aus Tariq Alis Rede in Berlin
„[…] Je länger die Situation andauern wird, desto schlimmer wird sie werden, wenn nichts passieren wird, um eine neue soziale Infrastruktur in Afghanistan aufzubauen. Das Beste was passieren kann, ist, wenn alle Nato-Truppen sofort zurückgezogen werden.
Die einzige Möglichkeit ist die, die regionalen Mächte mit einzubinden, um in Afghanistan eine stabile Regierung zu schaffen. Pakistan, das für die Taliban spricht. Iran, das für die Leute spricht, die die Region Herat kontrollieren.
Russland, das für die zentral­­asiatischen Republiken im Norden spricht. Und Indien, das die stärkste Macht in der Region ist. Diese Mächte können eine stabile Situation in Afghanistan garantieren. Eine wirklich repräsentative Regierung.
Das könnte die Bedingung schaffen, eine verfassunggebende Versammlung zu schaffen, die Garantie sein kann, eine wirklich stabile Situation zu schaffen[…]“
*    Wortlaut der dort vorgetragenen Übersetzung
eine komplette Aufnahme der Rede gibt es hier (benötigt Flash-Player)

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