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Linke

Netzwerk Linke Opposition – ein aussichtsreicher Ansatz?

Von Daniel Berger | 01.01.2007

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In den letzten Monaten haben sich die verschiedenen Strömungen in WASG und L.PDS so formiert, dass sie auf den anstehenden Fusionsprozess Einfluss nehmen können. Spätestens aber mit dem Beschluss vom 10. Dezember 2006 haben die Parteivorstände von Linkspartei.PDS und WASG die endgültige Marschrichtung festgelegt. Die beiden Parteiapparate haben den gesamten Prozess klar im Griff und genügend Mitglieder hinter sich.

In den letzten Monaten haben sich die verschiedenen Strömungen in WASG und L.PDS so formiert, dass sie auf den anstehenden Fusionsprozess Einfluss nehmen können. Spätestens aber mit dem Beschluss vom 10. Dezember 2006 haben die Parteivorstände von Linkspartei.PDS und WASG die endgültige Marschrichtung festgelegt.

Die beiden Parteiapparate haben den gesamten Prozess klar im Griff und genügend Mitglieder hinter sich. Größere Verschiebungen sind durch die Aktivitäten der linkeren Plattformen (etwa der „Antikapitalistischen Linken“) nicht mehr zu erwarten und werden vom Netzwerk Linke Opposition (NLO) auch als illusorisch angesehen.

Es fragt sich, welche Schlussfolgerungen die Linke aus der jetzt eingetretenen Situation zieht. Zum Glück ist wenigstens das Netzwerk Linke Opposition jetzt nicht mehr auf den Aufbau der WASG oder der neuen Linkspartei fixiert und orientiert mehrheitlich auf einen „Parteibildungsprozess“ außerhalb. Dazu laden Sie alle Linken, die an einem offenen Prozess der Herausbildung einer linken Alternative zur fusionierten WASG-L.PDS interessiert sind, zur Mitarbeit ein.

Zweifellos gibt es damit faktisch eine gewisse Annäherung zwischen ihnen und uns. Wir teilen eine ganze Reihe ihrer Grundüberzeugungen, die sie in den bisher dargelegten Positionen zum Ausdruck bringen. Einem intensiveren Diskussionsprozess werden wir uns nicht verschließen, schon allein deswegen nicht, weil wir einige dieser Kräfte aus anderen Zusammenhängen kennen und für uns ihre Ernsthaftigkeit außer Frage steht. Aber wir haben doch erhebliche Zweifel, ob die strategische Ausrichtung ihres Projektes den objektiven Anforderungen wie auch den wichtigsten revolutionär-marxistischen Erfahrungen im Organisationsaufbau gerecht wird. An dieser Stelle nur in gebotener Kürze:
1. Einwand: Orientierung auf Parteienlandschaft?
Der Kreis, der sich im Netzwerk zusammengefunden hat, ist recht heterogen und noch lange keine klare Formation, die bereits auf eine gemeinsame Praxis im Klassenkampf zurückblicken könnte. Demzufolge ist hier zwar noch viel im Fluss, aber der wesentliche Ausgangspunkt ihrer gesamten strategischen Überlegungen zum Organisationsaufbau ist ganz klar das Bestreben, die Parteienlandschaft zu verändern. Unter den gegebenen Bedingungen (s. die Erwartungshaltung der WählerInnen und der Mehrheit der WASG-Mitgliedschaft) ist ein solcher Ansatz von vornherein auf den Wirkungsbereich der bürgerlichen Parteien fixiert.

Da helfen Beteuerungen, man stütze sich vorwiegend auf außerparlamentarische Kämpfe, recht wenig.
Allein der jetzt angekündigte Kampf gegen die bevorstehende Fusion von WASG und L.PDS wirft die Frage auf: Welchen Sinn gibt dieser Kampf angesichts der klar erkennbaren Kräfteverhältnisse? Nicht nur werden hier Windmühlenkämpfe geführt, die bedeutsame personelle Ressourcen von wirklich wichtigen Aktivitäten abhalten, etwa von den Aktivitäten der Erwerbslosengruppen, der Gewerkschaftslinken usw. Die GenossInnen des Netzwerkes sollten auch bedenken: Wenn zwei reformistische Apparate zusammenfinden, welchen Sinn gibt es, sie daran hindern zu wollen? Absolut vorrangig und einzig realistisch ist doch der langfristig angelegte Aufbau einer wirklich linken Kraft. Dann kann mensch auch die Noch-Mitglieder aus der WASG (oder der Linkspartei) dafür anzusprechen. Die GenossInnen sollten sich von Durchbruchsstrategien verabschieden. Damit werden nur Illusionen erzeugt und Kräfte verschlissen, die dann im tagtäglichen Klassenkampf fehlen.

Auch das Vorhaben, sich für die von der WASG auf dem Parteitag festgelegten Ziele einzusetzen, verwischt mehr als dass es Klarheit schafft. Oder hatten diese GenossInnen wirklich geglaubt, die bestimmenden Kräfte in der WASG seien jemals für eine rätedemokratische (oder radikaldemokratische) Politik mit Schwerpunkt außerhalb der Parlamente eingetreten? Jetzt, wo die Weichen klar gestellt sind, bringt doch der Verweis auf angeblich ehemals gemeinsam mit der Mehrheit der Partei getragene Positionen überhaupt nicht weiter.
2. Einwand: Erst Anti-Neoliberalismus, dann Anti-Kapitalismus?
Der Koordinierungskreis des Netzwerkes schreibt: „Den von der WASG beschlossenen ergebnisoffenen Prozess zur Bildung einer vereinigten linken Partei halten wir für politisch sinnvoll. Ziel dieses Prozesses ist eine starke pluralistische Kraft gegen den Neoliberalismus aufzubauen. Sie soll einen Beitrag zur Überwindung der neoliberalen Hegemonie leisten und einen Politikwechsel einleiten“ (Hervorh. v. uns).

Hier liegt ein weiterer Schwachpunkt des strategischen Ansatzes der „Linken Opposition“: Ist heute lediglich der Kampf gegen den Neoliberalismus angesagt? Kann angesichts der Zwänge des Kapitalismus ein solcher Ansatz überhaupt geeignet sein, konsequent die Interessen der Lohnabhängigen zu verteidigen? Müssen wir heute nicht vielmehr zweierlei machen: den praktischen Kampf organisieren (ohne Rücksicht auf die Grenzen des Systems!) und gleichzeitig eine umfassende Aufklärungsarbeit in Sachen Kapitalismus leisten?

Aus den verschiedenen Stellungnahmen sowie den Grundsatzerklärungen von Kassel und Felsenberg (siehe Tipp) gewinnt mensch unwillkürlich den Eindruck, dass diese GenossInnen einer Etappentheorie anhängen. Zuerst die Menschen von den Übeln des Neoliberalismus überzeugen und sie in einer späteren Phase weiter nach links mitnehmen. Der Knackpunkt: Wer bei der Erklärung der Wirklichkeit schon im Ansatz nicht über die bestehende Gesellschaftsordnung   hin­ausweist, wird auf viele Fragen keine wirklich schlüssigen Antworten liefern und leistet einen – unfreiwilligen – Beitrag dazu, dass so mache sich in diesen Sackgassen verrennen.
3. Einwand: Staats- und Regierungsfrage
Ganz deutlich wird dies in der Staatsfrage und in der Regierungsfrage. Denn: Kann es unter den Bedingungen des voll entfalteten Kapitalismus und des Imperialismus überhaupt eine Situation geben, bei der wir uns eine Mitwirkung an einer (zwangsläufig bürgerlichen) Regierung vorstellen können? Hier Illusionen zu erzeugen, ist mindestens gedankenlos, wenn nicht unverantwortlich.

So schreibt der KO-Kreis: „In unterschiedlichen Anträgen hatte die Mehrheit der Delegierten [des Parteitages der WASG] dem Willen Ausdruck verliehen, dass die zukünftige linke Partei sich nicht an Regierungen beteiligen dürfe, die Sozialabbau betreiben, keine Einrichtungen der öffentlichen Daseinvorsorge privatisieren und keinen Militäreinsätzen der Bundeswehr i
m Ausland zustimmen dürfe. Ferner hatte der Bundesparteitag in den Leitantrag des Bundesvorstands die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien als zentrale politische Forderung eingefügt.“ Ist das nicht – um es vorsichtig auszudrücken –  ein äußerst „bescheidener“ Anspruch an Regierungspolitik? Müssen nicht die gesamten Verhältnisse umgestürzt werden, so dass es keine Armut, keine Ausbeutung usw. mehr gibt? Wer dies mit etappenhaften, reformistischen Schritten erreichen will, läuft zwangsläufig Gefahr, das Schicksal aller reformistischen Regierungen zu erleiden, von der SPD der 20  er Jahre bis zu Allende 1973 und manch anderen danach.
4. Einwand: Rolle der ArbeiterInnenklasse
Es fehlt eine Vorstellung vom Klassenkampf und eine Beschreibung der Kräfte, die wirklich etwas verändern können. Wer in dieser Republik, wer im Kapitalismus etwas bewegen will, muss die Selbstaktivität der ArbeiterInnenklasse unterstützen, sich in ihre Kämpfe einklinken und dort organisierend und aufklärend wirken. Doch stattdessen haben die GenossInnen des Netzwerkes so etwas wie den linken Weltgeist im Sinne. Sie meinen, wenn sich in einigen Kreisen gewisse Meinungen verändert haben, hat dies die Bedingungen linker Politik verändert.
Aber die Meinungen sind oft nur Stimmungen, jedenfalls dann, wenn sie nicht das Ergebnis von Erfahrungen aus kollektiv geführten Kämpfen sind. Hierauf legen wir aber den Schwerpunkt unserer Arbeit. Ob wir uns hier einander angenähert haben, müssen wir zumindest zurzeit noch bezweifeln.
5. Einwand: Zwei Grundvoraussetzungen
Nach unsrer Auffassung bildet sich eine neue Kraft, die die Verhältnisse in diesem Land ändern kann, nur auf der Grundlage von Kämpfen der ArbeiterInnenklasse, dann wenn sich ihre fortgeschrittensten Elemente der Aussichtslosigkeit dieses Systems bewusst sind und sich organisieren. Unsere Vorstellung von einer Sozialistischen ArbeiterInnenpartei ist eine eher langfristige Perspektive und kann heute nicht auf Massenebene konkretisiert werden. Aber eine solche Organisation, bzw. die Propaganda für eine solche Organisation, kann in beharrlicher Arbeit vorbereitet werden. Diesen langen Atem sollten wir revolutionären MarxistInnen möglichst gemeinsam aufbringen. In diesem Sinn werden wir uns sicherlich an den Diskussionen des Netzwerkes beteiligen. Wir werden dabei darlegen, dass es für den erfolgreichen Aufbau einer neuen, wirklich konsequent linken Kraft zwei Grundvoraussetzungen gibt:

  • •    Es muss einen programmatisch, politisch und organisatorisch tragbaren Rahmen geben. Ein Netzwerk kann nur ein befristetes Zwischenstadium sein.
  • •    Der Schwerpunkt der Arbeit muss ganz klar im Aufbau der außerparlamentarischen Opposition liegen, im Betrieb und auf der Straße.

Das Netzwerk hat auf seiner Internetseite seine Erklärungen wie auch Diskussionsbeiträge eingestellt: www.netzwerk-linke-opposition.de

SAV: Entrismus in der Linkspartei!
Die Bundeskonferenz der SAV (einer trotzkistischen Organisation, die in der WASG arbeitet) beschloss am 9./10.12.06 in Sachen WASG/L.PDS, dass in Berlin „eine unabhängige Fort­existenz des [WASG-]Landesverbandes angestrebt wird“, „SAV-Mitglieder in Ostdeutschland die Fusion nicht mitmachen und aus der neuen Partei austreten werden“ und „SAV-Mitglieder in Westdeutschland nicht aus der fusionierten Partei austreten werden“! Für diese Position stimmten nur gut die Hälfte der Delegierten und der Bundesvorstand. Mit dessen gut 24 Stimmen (er ist abstimmungsberechtigt!) wurde ein Antrag auf ein internes Diskussionsforum für die Mitglieder abgelehnt.
B.B.
Aus der Erklärung des KO-Kreises des Netzwerkes Linke Opposition:
„Die Mehrheit des Netzwerks Linke Opposition hat die Option in der neuen linken Partei zu arbeiten schon verworfen und baut statt dessen das Netzwerk Linke Opposition als politische Kraft links von der neuen Linken auf.“
Aus dem Beschluss der Parteivorstände von WASG und Linkspartei.PDS:
„Die Linke wird in Regierungsbeteiligungen dafür eintreten, die öffentliche Daseinsvorsorge gegen Privatisierungsstrategien zu bewahren, den Öffentlichen Dienst für Bürgerinnen und Bürger nicht durch Personalabbau zu verschlechtern und Kürzungen sozialer Leistungen nach Kräften zu verhindern.“ (10.12.06)

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