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Innenpolitik

Neoliberalismus im Kindergarten

Von Trixi Blixer | 01.01.2006

Das ab 1. September 2006 verpflichtende neue Buchungsmodell für Kindertagesstätten in Bayern führt den Neoliberalismus jetzt schon für die Kleinen ein. Betroffen sein werden nicht nur die Eltern, sondern v.a. die Beschäftigten in den bayerischen Kindergärten, Krippen und Horten.

Das ab 1. September 2006 verpflichtende neue Buchungsmodell für Kindertagesstätten in Bayern führt den Neoliberalismus jetzt schon für die Kleinen ein. Betroffen sein werden nicht nur die Eltern, sondern v.a. die Beschäftigten in den bayerischen Kindergärten, Krippen und Horten.

Das bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen hat beim Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) in Auftrag gegeben, eine neues Buchungs- und Finanzierungsmodell für die Kindertagesstätten zu entwickeln. Erklärtes Ziel war es, die öffentliche Dienstleistung wirtschaftlicher zu gestalten, das Angebot zu flexibilisieren und bedarfarme Zeiten besser auszulasten. Was zuerst nach einer fachspezifischen Diskussion aussieht, entpuppt sich im Detail als eine Katastrophe für die vielen Beschäftigten in den Kindergärten und SchülerInnenhorten. Ganz nach neoliberalem Duktus feiert ISKA das neue Modell: „Von 1999 bis 2003 wurde in einem beispiellosen öffentlichen und ergebnisoffenen Prozess ein neues Fördermodell für Kindertageseinrichtungen in Bayern entwickelt und erprobt. Die ´kindbezogene Förderung` kombiniert neue Finanzierungsregeln mit einem Konzept der mittelbaren Qualitätssteuerung. Kindertageseinrichtungen werden angehalten, Qualität und Wirtschaftlichkeit in einem Balanceprozess zu optimieren.”
Geplant ist:
Derzeit werden alle Kindertageseinrichtung entsprechend des Bedarfsplans nach Gruppen gefördert. Eine Gruppe hat in der Regel 25 Plätze und eine ErzieherIn sowie eine KinderpflegerIn in Vollzeit für die Betreuung. Der Träger der Einrichtung, egal ob städtisch oder aus der Wohlfahrt, bekommt pro Gruppe einen finanziellen Zuschuss, die Eltern bezahlen eine monatliche Gebühr (oft einkommensabhängig) + Essensgeld. Diese derzeit gruppenbezogene Förderung garantiert dem Träger den finanziellen Rahmen und damit den Angestellten den Arbeitsplatz mit entsprechender Wochenarbeitszeit. Gleichzeitig haben die Eltern einen Anspruch auf den Platz und entrichten immer die gleiche Gebühr, egal ob sie ihr Kind mal früher oder mal später abholen. Das ist für die Eltern im Moment wichtig, da sie die Betreuungszeiten ihres Kindes nicht nach finanziellen Gesichtspunkten planen müssen.

Mit dem neuen Buchungsmodell wird von gruppen- auf kindbezogene und von monatlicher auf Stundenförderung umgestellt werden. Eltern werden Stunden buchen und Einrichtungen Buchungsstunden anbieten müssen. Damit entrichten die Eltern keine Monatsgebühr mehr, sondern erwerben mit der Stundenbuchung einen Anspruch auf den Platz für die von ihnen bezahlten Stunden.
Was bedeutet dieser Unterschied?
Der Unterschied für die Eltern wird sein, dass jede Stunde, die sie mehr in Anspruch nehmen müssen, eine größere finanzielle Belastung darstellen wird. Über dieses Modell werden die Eltern dazu angehalten, nach ökonomischen Kriterien die Betreuungszeiten ihrer Kinder zu planen und möglichst wenig Zeiten zu buchen. Gleichzeitig bedeutet das für die Einrichtungen, dass sie möglichst ständig voll ausgebucht sein müssen, damit sie kein finanzielles Defizit erwirtschaften. In derzeit bedarfsschwachen Zeiten, z.B. am späten Nachmittag mit einer Auslastung von 15 Kindern, wird der Personalschlüssel künftig reduziert werden. Da aber im jährlichen Turnus neue Kinder in die Gruppen kommen und Eltern entsprechend anders buchen, wird der Träger in diesem Modell angehalten, seine Personalpolitik entsprechend der Auslastung zu gestalten. Denn Zeiten mit wenig Betreuungsbedarf, d.h. nicht voller Auslastung der Gruppen, bedeuten im Gegensatz zur jetzigen Situation einen finanziellen Verlust für den Träger der Einrichtung. Geplant ist, dass künftig die Angestellten jährlich analog zu den gebuchten Arbeitszeiten Änderungskündigungen über ihre Wochenarbeitszeiten bekommen sollen. Damit wird es keine vertraglich festgelegte und vor allem finanziell planbare Arbeitszeit mehr geben!
Ökonomisierung
Der neoliberale Kapitalismus ist immer noch auf dem Vormarsch. Nach wie vor, und mit wenig Gegenwehr, werden öffentlich finanzierte Dienste und Dienstleistungen privatisiert und in die Profitsphäre miteinbezogen. Neben Schulen und Hochschulen sind die verschiedenen Formen der Kinderbetreuungen große Batzen in den Sozialhaushalten der Länder und Gemeinden. Klar, dass die IdeologInnen des Neoliberalismus hier noch ein weites Feld für ihre Politik sehen. Mit dem neuen Buchungsmodell, wie es ISKA für die Finanzförderung der bayerischen Kindertagesstätten entworfen hat, und welches die Staatsregierung ab September 2006 einführen wird, werden die Betreuungseinrichtungen nach ökonomischen Kriterien gefördert werden. Natürlich bleibt in einem solchen System die Pädagogik auf der Strecke. Die Gegenwehr, die ver.di und GEW zaghaft organisierten, war bis jetzt viel zu schwach, um die Arbeitsbedingungen und die pädagogische Qualität zu retten.

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