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Linke

Nachruf: Hugo Gonzales Moscoso (1922-2010)

Von Michael Löwy | 01.07.2010

Mit dem Tod von Hugo Gonzales Moscoso, einem historischen Leiter der Revolutionären Arbeiterpartei (POR), Sektion der IV. Internationale in Bolivien, hat die revolutionäre Linke Lateinamerikas eine ihrer fesselndsten Gestalten verloren.

Mit dem Tod von Hugo Gonzales Moscoso, einem historischen Leiter der Revolutionären Arbeiterpartei (POR), Sektion der IV. Internationale in Bolivien, hat die revolutionäre Linke Lateinamerikas eine ihrer fesselndsten Gestalten verloren.

Nur wenige Menschen auf dem Kontinent verkörperten mit solcher Konsequenz den Kampf für den Sozialismus, den kompromisslosen Kampf gegen die Oligarchie, den Imperialismus und das Kapital wie er. Ohne Sektierertum und Dogmatismus, immer bereit für die Einheit mit anderen Kämpfer­Innen und anderen Anti-Imperialist­Innen, gab er nie das revolutionäre Programm auf und akzeptierte nie, den herrschenden Klassen das kleinste Zugeständnis zu machen. […]

Er war noch ein Student, als er der POR beitrat. […] Seine Feuertaufe erlebte er 1949: ein Generalstreik, von der POR unterstützt, wurde blutig vom oligarchischen Regime niedergeschlagen – in Bolivien als „Rosca“, die Allianz der Zinnminenbesitzer und der Großgrundbesitzer bekannt. Die Leiter des Streiks – einschließlich Hugo Gonzales – wurden verhaftet, gefoltert, in einem Lager interniert, aber schließlich, dank eines kollektiven Hungerstreiks, nach Chile ausgewiesen. Nachdem er 1951 am 3. Weltkongress der IV. Internationale teilgenommen hatte, kehrte er illegal nach Bolivien zurück, um die POR zu reorganisieren.
Die bolivianische Revolution bricht aus
Im April 1952 brach die Revolution in Bolivien aus und bereitete der Macht der „Rosca“ ein Ende: Hugo Gonzalez befand sich an vorderster Front des Aufstandes und nahm mit seinen Genoss­Innen am Angriff auf das Waffenarsenal und an den Straßenkämpfen teil. Nachdem er ein paar Tage darauf in die Leitung des Bolivianischen Arbeiterzentrale (COB) gewählt worden war, schrieb er für den gewerkschaftlichen Dachverband das Programm, welches sich für eine Arbeiter- und Bauernregierung aussprach und die sozialistische Revolution forderte – eines der wichtigsten Dokumente in der Geschichte der Arbeiter­Innenbewegung Lateinamerikas. Unglücklicherweise wurde die Revolution von der Revolutionären Nationalistischen Bewegung (MNR) von Paz Estenssoro in Beschlag genommen, welche nichtdestotrotz unter dem Druck der mit Dynamitstäben bewaffneten Bauern/BäuerInnen und Arbeiter­Innen gezwungen war, eine Agrarreform in Angriff zu nehmen und die Bergwerke zu nationalisieren.
In den folgenden Jahren von l953-56 machte die POR eine tiefe Krise durch, […] Von den Abspaltungen und Fraktionskämpfen geschwächt gewann die POR bei den Wahlen 1956 nur 2239 Stimmen. Zu den internen Problemen kamen noch die staatliche Unterdrückung, Verhaftungen und Verfolgungen hinzu: Gemeinsam mit anderen Leitungsmitgliedern wurde Hugo im San Pedro-Gefängnis in La Paz eingekerkert.

Wie auch immer, die POR-Combate (kämpfende POR) – so ihr neuer Name – schaffte es zu überleben und versuchte, Widerstand gegen die Militärdiktatur von Barrientos zu organisieren, der 1964 an die Macht kam. Im Mai 1967, als die Guerillastreitkräfte, angeführt von Che Guevara, ihre ersten Aktionen unternahmen, verfasste Hugo Gonzales eine Erklärung, um die Bewegung zu unterstützen, die von der POR-Combate angenommen wurde: „Die Sache der Guerillas ist die Sache aller Bolivianer“. […]
Nach dem Tod von Che bildeten die POR und die Armee der nationalen Befreiung ELN eine Allianz, die von Inti Peredo, einem Überlebenden der Guerillastreitkräfte geführt wurde. Gonzales reiste Anfang 1968 nach Cuba, um diese Übereinkunft zu unterzeichnen und organisierte das militärische Training für eine Abteilung von POR-Aktivist­Innen; aber zwischen 1968 und 1970 gelang es der Militärdiktatur, diese neue Initiative zu besiegen. In 1970-71 unter der fortschrittlichen Militärregierung von Juan José Torres, war Gonzales aktiv daran beteiligt, eine Volksversammlung aufzubauen, die eine Situation der Doppelherrschaft hervorrief, welche mit dem blutigen Militärcoup von General Banzer im August 1971 endete.
Exil in Chile
Hugo Gonzales Moscoso und seine bolivianischen Genoss­Innen erhielten politisches Asyl von der Regierung Salvador Allendes in Chile […]. Pinochet’s Militärputsch […] zwang Hugo diesmal nach Belgien ins Exil, wo er ein paar Jahre (1973-76) an der Leitung der IV. Internationale beteiligt war. Ungeduldig, nach Lateinamerika zurückzukehren, ging er 1976 nach Peru und kam 1978 illegal nach Bolivien, um die POR zu reorganisieren. Die neue Militärdiktatur des Generals Garcia Meza, gestützt auf die Mafia und den Drogenhandel, steckte ihn in Cochabamba ins Gefängnis und brachte ihn dann nach La Paz, wo er gefoltert wurde. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich dramatisch. Dank einer internationalen Kampagne war das Regime gezwungen, ihn zu verjagen und er bekam in Schweden Asyl.

Als in Bolivien wieder ein Minimum an Demokratie existierte, kehrte Hugo Gonzales in sein Land zurück. Von Cochabamba aus half er in den 1990ern, die Bauernbewegung der Region zu organisieren und unterstützte die Initiativen eines jungen örtlichen Anführers der Bauern, Evo Morales. Nach dessen Wahlsieg 2005 gab ihm Gonzales kritische Unterstützung, während er für eine Vertiefung des Wandlungsprozesses Boliviens eintrat.[…] Zu einem „Ja” bei der Abstimmung über die neue Verfassung aufrufend, betonte Hugo die Notwendigkeit der Einheit der Unterdrückten in den Städten und auf dem Land, um Übergangsmaßnahmen in Richtung Revolution und Sozialismus in Angriff zu nehmen.

Trotz seines Alters und seiner sich verschlechternden Gesundheit hörte Hugo niemals auf zu kämpfen, zu denken und zu schreiben, immer den Blick auf die Selbstbefreiung der Arbeiter­Innen gerichtet. Seine Artikel erschienen noch in den letzten Ausgaben der POR-Zeitung „Combate”. Nur der Tod hat sein klare und kräftige Feder zum Stillstand gebracht. Genosse Hugo Gonzales Moscoso, weiter, bis zum Sieg!

Der Artikel musste aus Platzgründen stark gekürzt werden. Er steht vollständig auf Englisch bei International Viewpoint.

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