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Länder

Myanmar: Hilfe und Scheinheiligkeit

Von Mark Johnson | 01.06.2008

Die Antwort auf den tropischen Zyklon Nargis, der Myanmar am 3. Mai traf, ist von Interessengruppen aller Seiten ausgenutzt worden und lässt Millionen von Asiens Ärmsten ohne effektive Hilfe zurück. Die Hauptverantwortung hierfür liegt bei Myanmars Militärregierung, die es unterließ, die Bevölkerung vor dem Zyklon zu warnen und immer noch kein effektives Programm gegen die Folgen des Desasters entwickelt hat.

Die Antwort auf den tropischen Zyklon Nargis, der Myanmar am 3. Mai traf, ist von Interessengruppen aller Seiten ausgenutzt worden und lässt Millionen von Asiens Ärmsten ohne effektive Hilfe zurück.

Die Hauptverantwortung hierfür liegt bei Myanmars Militärregierung, die es unterließ, die Bevölkerung vor dem Zyklon zu warnen und immer noch kein effektives Programm gegen die Folgen des Desasters entwickelt hat. Noch zwei Tage, nachdem der Zyklon das Land getroffen hatte, war von der riesigen Armee des Landes und den Polizeikräften auf den Straßen von Yangoon (früher: Rangoon) nichts zu sehen – während der größte Teil der 4 Millionen Einwohner durch knietiefes Wasser watete und verzweifelt versuchte, Kontakt zu Familienmitgliedern aufzunehmen und etwas zu essen und zu trinken zu finden, abgeschnitten von Elektrizität, Telefon und Trinkwasser.

Nur in der Stadt Yangoon war es möglich, den Armen ein gewisses Maß an Hilfe zu leisten – mittels einer kaum ausreichenden kostenlosen Verteilung von Trinkwasser. Das halbstaatliche Rote Kreuz von Myanmar leistete ebenfalls etwas Unterstützung. Doch insgesamt demonstrierte die Reaktion auf die Katastrophe wieder einmal, dass Myanmars Junta arrogant, ohne Beziehung zur Bevölkerung, parasitär und völlig unfähig ist, die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse und die Rechte der Bevölkerung zu gewährleisten.

Die internationalen Medien und humanitären Organisationen haben völlig korrekt diese Versäumnisse angeprangert.
Profitmacherei
Aber das Verhalten von Myanmars Geschäftsleuten und der Mittelklasse – die Hauptunterstützer der prowestlichen Opposition um die Führungsfigur Aun San Suu Kyi – hat demonstriert, dass sie ebenfalls völlig unfähig sind, die Führung des Landes zu übernehmen, trotz der unbezweifelbaren Unterstützung, die sie im Volk genießen: Kleine und große Unternehmen hoben unmittelbar nach dem Zyklon die Preise für alle lebensnotwendigen Güter um 200 bis 400 Prozent an.
Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit von Myanmars 50 Millionen EinwohnerInnen – hauptsächlich Kleinbauern – von weniger als einem Euro am Tag leben muss, wird diese kaltschnäuzige Profitmacherei furchtbare Auswirkungen auf die Ernährungssituation haben, insbesondere für die Alten und die Kinder, die sowieso schon am meisten durch die Sekundärfolgen des Zyklons – Malaria, Durchfallerkrankungen und andere durch das verschmutzte Wasser hervorgerufene Erkrankungen – bedroht sind.

Eine der ganz wenigen politischen Maßnahmen, die den Armen im Lande zugute kommt, nämlich die staatliche Subventionierung von Öl und Benzin, würde beseitigt, wenn Aun San Suu Kyis prowestliche Nationale Liga für Demokratie an die Macht käme.
Westliche Interessengruppen nutzen den Zyklon, um ihre eigene Agenda voranzubringen, nämlich Myanmar für westliche Investitionen zu öffnen – zu den gleichen ungerechten Bedingungen wie in Kambodscha – und eine willfährigere Regierung zu installieren, die die kürzlichen Vereinbarungen betreffend die Öffnung der Häfen des Landes für China widerrufen soll. Der französische Außenminister Bernard Kouchner schlug am 6. Mai vor, dass die Westmächte sich auf ihr/e globale/s „Recht und Pflicht zu helfen“ berufen und militärische wie zivile Missionen ohne Einwilligung der Regierung von Myanmar durchführen sollten. US-Offizielle,  die die Hunderte von Hilfskräften und Journalisten, die in Bangkok auf grünes Licht warteten, koordinierten, haben weit übertriebene Opferzahlen verbreitet, um die humanitären Helfer und Journalisten für die aggressiven Pläne der USA betreffend einen Regimewechsel einzuspannen.

Nicht, dass es bei vielen der privaten Hilfsorganisationen großer Überredung bedürfte: Eng verbunden mit christlichen Missionarsorganisationen, die seit der Zeit der britischen Kolonialherrschaft in der birmesischen Grenzregion arbeiten, und in der Erwartung von zweistelligen Millionenbeträgen, wenn die birmesische Junta zusammenbricht, ist der größte Teil der Hilfsindustrie unfähig, sich von den Interessen der Großmächte in der Region zu distanzieren.

Eine kleinere Zahl internationaler Solidaritätsinitiativen schwimmt gegen den Strom. Buddhistische Gruppen in ganz Asien haben Wege gefunden, über Myanmars Tempel und Klöster Hilfe zu lancieren, in denen viele der Zyklonopfer Zuflucht gesucht haben. Andere haben Verbindung zu Emigranten- und Untergrundgruppen aufgenommen, von denen nicht alle auf die US-Anbiederungsoffensive und den Dollarregen für die Emigrantenzirkel hereingefallen sind.

Die kommenden Wochen werden nicht nur den Kampf um effektive Hilfe für die Hunderttausende von durch den Zyklon obdachlos gewordenen Menschen und für die Millionen, die jetzt unter der Kombination aus Inkompetenz der Regierung, US-geführten Sanktionen und lokaler Profitmacherei leiden, sehen. Wir werden auch den Kampf erleben um eine neue Politik in Myanmar, einschließlich des möglichen Sturzes der korrupten Militärherrscher des Landes.

* Mark Johnson ist Korrespondent von International Viewpoint, dem englischsprachigen online-Magazin der IV. Internationale. Er hielt sich in Yangoon auf, als der Zyklon die Stadt traf. Derzeit ist er im benachbarten  Thailand und hilft bei der Koordinierung der Hilfe.  

Übersetzung und Bearbeitung: Thadeus Pato

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