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Betrieb & Gewerkschaft

München Perlach: Streik bei Infineon

Von Korrespondent München | 29.10.2005

Bei Infineon in München Perlach wird seit Montag, den 24.10.2005, gestreikt –  nachdem die Geschäftsleitung trotz Warnstreiks der KollegInnen nicht bereit war, von ihren Plänen für eine Schließung abzurücken, und lediglich ein Gnadenbrot als Abfindung anbot.

Bei Infineon in München Perlach wird seit Montag, den 24.10.2005, gestreikt –  nachdem die Geschäftsleitung trotz Warnstreiks der KollegInnen nicht bereit war, von ihren Plänen für eine Schließung abzurücken, und lediglich ein Gnadenbrot als Abfindung anbot. 

In der Urabstimmung am vorherigen Freitag sprachen sich 92,6% der ca. 800 Beschäftigten für einen Streik aus. Ziel des Streikes ist ein vorzeigbarer Sozialplan mit einer Beschäftigungsgesellschaft. Das Angebot der Geschäftsleitung sieht u.a. nur 0,3 Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit vor – ein Drittel dessen, was selbst in der letzten Entlassungsrunde bei Infineon („IMPACT“ genannt) offizieller Standard war. Die IG Metall fordert 3 Monatsgehälter – mehr als bei IMPACT erstritten werden konnte, aber als Einstieg in Verhandlungen sicher nicht untertrieben. Die Schließung verhindern kann die IG Metall mit dem Streik offiziell nicht, da dies aus rechtlichen Gründen nicht Gegenstand der Verhandlungen sein konnte. Immerhin aber gehört zu den Zielen auch ein Verschieben der Schließung um zwei Jahre.
IGM kampfbereit
Die IGM zeigt ein erfreuliche Kampfbereitschaft – erstaunlich fast, wenn man ähnliche Situationen in der Vergangenheit bedenkt. Der Streik ist auf unbegrenzte Zeit angesetzt und blockiert die Produktion vollständig. Selbst die Notbesetzung wurde nach der Provokation der Geschäftsleitung, Streikbrecher mit USKs1  durchzuprügeln, abgezogen – vorher galt noch die Aussage „Wir wollen die Arbeitsplätze ja erhalten, nicht kaputtmachen“. Das alles ist sicher nicht einem plötzlichen Sinneswandel der IG Metall geschuldet. Die Gewerkschaft hat in Perlach einen sehr hohen Organisationsgrad (über 80%). Wenn sie mit dieser günstigen Ausgangslage nicht erfolgreich ist oder weniger macht als möglich, kann sie sich in Zukunft derartige Aktionen mindestens bei Infineon, wenn nicht in ganz München, abschminken… und die Mitglieder gleich dazu. „Wenn wir das dort nicht schaffen, so stark wie wir da sind, kriegen wir keinen Fuß mehr in die Tür.“ Aber es zeigt auch, dass die IG Metall noch in der Lage ist, zu kämpfen, wenn sie mal klar Stellung bezieht und sich nicht auf einen Kuhhandel mit der Gegenseite einlässt, bei dem die Forderungen unter den Tisch fallen.
Große Zustimmung
Ebenfalls erfreulich ist die Zustimmung zum Streik. Während man z.B. bei Infineon unter den Angestellten sonst eher auf Unverständnis stieß, was Aktionen und Streiks der IG Metall anging, ist die Stimmung jetzt größtenteils auf „Recht so!“. JedeR weiß, dass es einen genauso treffen kann. Zu häufig kursierten in der Vergangenheit bei Infineon schon Pläne für Abspaltungen oder Schließungen einzelner Geschäftsbereiche. Kämpferisch ist die Stimmung bei den nicht betroffenen Angestellten bei weitem noch nicht, aber auf niedrigem Niveau ist eine Veränderung sichtbar.
Dass die KollegInnen aus Perlach derart kampfbereit sind, war angesichts der Situation vielleicht zu erwarten, ist aber auf diesem hohen Niveau bemerkenswert. Auch viele nicht-organisierte KollegInnen beteiligen sich, die Firmenleitung mußte für ihre StreikbrecherInnen auf Leute aus anderen Betrieben zurückgreifen. Ihre Bemühungen, diese StreikbrecherInnen zu kaufen, waren darüberhinaus nur von wenig Erfolg gekrönt. 50 Euro Prämie lässt sie sich übrigens eineN StreikbrecherIn kosten.

Gute Polarisierung
Insgesamt zeigt sich eine begrüßenswerte Polarisierung. Auch bedingt durch das harte Vorgehen der Firmenleitung radikalisierte sich der Streik schon in den ersten zwei Tagen – das ursprünglich nicht vorgesehene Abziehen der Notbesetzung und das juristisch nicht ganz abgesicherte Blockieren des Betriebes auch gegen Polizeieinsatz zeigen, dass die KollegInnen bereit sind, für ihre Arbeitsplätze weiter zu gehen als nur mal in rotem Plastik zum Firmentor. Wenn die IG Metall nicht einknickt, kann dieser Streik gewonnen werden. Die Stimmung unter den KollegInnen ist gut und kampfbereit, die Solidarität im Umfeld ist vorhanden, und was immer die Firmenleitung behaupten mag… der Produktionsausfall in Perlach trifft sie. Und ein gewonnener Streik wäre eine passende Kampfansage an die zu bildende Regierung.

1     USK ist die Abkürzung für „Unterstützungskommando“ und bezeichnet eine Sondereinheit der bayerischen Polizei.( Anm. d. Red.)

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