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Innenpolitik

Mit Linkspartei, sozialer Bewegung und Gewerkschaften die Reformen kippen?

Von B.B. | 01.12.2006

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In den strategischen Debatten der Linken wird zur  Zeit über die sogenannte „Triade“ diskutiert. Diese Dreiheit aus Linkspartei, sozialer Bewegung und Gewerkschaften soll die neoliberalen Reformen stoppen. it der Bündnisstrategie der Triade versuchen Teile der sozialen Bewegung z.B. im Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP) einen anderen Weg der Veränderung in die Diskussion zu bringen, als ihn die Spitzen von Linkspartei.PDS und WASG vertreten, die auf den parlamentarischen Weg und einen Regierungswechsel setzen.

In den strategischen Debatten der Linken wird zur  Zeit über die sogenannte „Triade“ diskutiert. Diese Dreiheit aus Linkspartei, sozialer Bewegung und Gewerkschaften soll die neoliberalen Reformen stoppen.

Mit der Bündnisstrategie der Triade versuchen Teile der sozialen Bewegung z.B. im Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP) einen anderen Weg der Veränderung in die Diskussion zu bringen, als ihn die Spitzen von Linkspartei.PDS und WASG vertreten, die auf den parlamentarischen Weg und einen Regierungswechsel setzen. Die GenossInnen im ABSP gehen mit ihrer „Triade“ uneingestanden bei der sozialen Bewegung, den Gewerkschaften und der Linken von weitgehend einheitlichen Strukturen aus. Dem ist aber nicht so.
Kämpfen wie in der BRD?
Wer einschätzen will, wie es hierzulande um den Widerstand gegen die Reformen steht, sollte zuerst nach Frankreich blicken. Dort gelang es der nationalen Studierendenkoordination und den Gewerkschaften, zweimal 3 Millionen Menschen zu mobilisieren und damit die neoliberale Reform CPE zu kippen. Solche Massen sind nötig, um ein (!) Gesetz zu stoppen.
Gemessen an den Angriffen durch Gesundheitsreform, Rentenreform oder Hartz IV bleibt der soziale Protest in der BRD erschreckend schwach: 15 bis 20 000 Menschen demonstrierten am 3. Juni, 7000 Menschen am 16. September in Berlin, sowie 215 000 GewerkschafterInnen am 21. Oktober in fünf Städten. Sogar im Vergleich mit den Hunderttausend vom 1. November 2003 und den 500 000 der Gewerkschaften am 3. April 2004 ist der Protest rückläufig – obwohl sich der neoliberale Reformprozess verschärft hat.
Die Gewerkschaften in die Zange nehmen
Nur die Gewerkschaften könnten die Millionen auf die Straße bringen, die nötig sind, um die Reformen zu kippen. Die meisten GewerkschafterInnen kritisieren die Renten- und die Gesundheitsreform oder lehnen sie ab. Aber die Gewerkschaftsführung will nicht die Massen gegen die Bundesregierung mobilisieren, sondern die neoliberalen Reformen nur begleiten („Das geht besser. Aber nicht von allein!“). An Hartz IV haben GewerkschaftsvertreterInnen sogar aktiv mitgewirkt. Die Gewerkschaftsbürokratie will „begrenzte Mobilisierungen“… um wieder mit der Regierung ins Gespräch zu kommen, aber mehr nicht. NRW-DGB-Vizechefin Elke Hannack warnte vor einem Antiregierungskurs mit den Worten: „Wir sind keine außerparlamentarische Opposition!“. In den Gewerkschaften besteht also ein latenter Gegensatz zwischen Führung und Basis, der sich heute im Gegensatz zwischen Gewerkschaftsbürokratie und der Gewerkschaftslinken ausdrückt. Wir stehen auf Seiten der Letzteren.
Die Gewerkschaften müssen erst selbst bewegt werden, bevor sie die Lohnabhängigen gegen die Reformen wirklich zum Kampf aufrufen. Dazu braucht es den Druck von außen durch die soziale Bewegung und von innen durch die Gewerkschaftslinke. Sie müssen die Gewerkschaftsführung in die Zange nehmen. Aber was sollen dabei bitteschön die Linkspartei.PDS und die Wahlalternative bewirken?
L.PDS, WASG und Gewerkschaften
Zwar befürwortet auch die L.PDS außerparlamentarische Aktionen. Sie sollen aber nur den nötigen Rückenwind für eine „andere Politik“ und für einen „Politikwechsel“, sprich Regierungswechsel, bringen. Für den angestrebten Eintritt in bürgerliche Landes- und Bundesregierungen braucht die L.PDS Koalitionspartner. Ihre „Triade“ lautet: Linkspartei, SPD und Grüne. Erst einmal Teil einer bürgerlichen Regierung, betreibt die L.PDS selbst den sozialen Kahlschlag.
Zudem vertritt die Parteispitze nur ungern Positionen, die sie mit den Gewerkschaftsvorständen in Konflikt bringen könnte. Liegt die Forderung nach einem Mindeststundenlohn um 1 Euro höher als bei den Gewerkschaften, dann ist für die L.PDS die „Grenze des Machbaren“ erreicht.

Noch stärker ist die Mäßigung bei der WASG. Zwar beteiligten sich viele ihrer Mitglieder und von Hartz IV Betroffene an den Protesten am 3. Juni in Berlin. Aber nicht sie, sondern die GewerkschaftssekretärInnen bevölkern die Vorstandsgremien der Wahlalternative. Letztere sind innerhalb der Gewerkschaften noch nie, – bis auf die Ausnahme von Bernd Rixinger –, als oppositionelle Gewerkschaftslinke aufgefallen.

Was soll denn die „Linkspartei“ in einer „Triade“ mit der sozialen Bewegung und den Gewerkschaften bewirken? Im besten Fall mobilisiert sie wie am 1. November 2003, im schlechteren mobilisiert sie wie am 3. Juni 2006 nicht und im allerschlechtesten agiert sie als Verbündete der Gewerkschaftsbürokratie gegen außerparlamentarische Aktionen.
Wer treibt die soziale Bewegung voran?
Als wirkliche Bewegung ist die soziale Bewegung äußerst vielfältig. Neben Hartz IV-BezieherInnen finden sich linke GewerkschafterInnen oder Studierende, die gegen Studiengebühren protestierten. Die verschiedenen Schichten vereint der Protest gegen den Neoliberalismus. Die Heterogenität der sozialen Bewegung begünstigt scharfe Kontroversen wie z.B. um das Bedingungslose Grundeinkommen. Es wird von vielen Erwerbslosen gefordert, aber von GewerkschafterInnen und MarxistInnen abgelehnt. Solche Debatten müssen offen und durchaus kontrovers ausgetragen werden Sie dürfen aber nicht den Sprengsatz zünden, an dem die gemeinsame Aktionseinheit für den Kampf gegen die neoliberalen Reformen scheitert.
In der sozialen Bewegung wirken verschiedenste Strukturen wie das Sozialforum in Deutschland, das IG Metall Verbindungsbüro Soziale Bewegungen, attac, das Bündnis 3. Juni, das ABSP, der Runde Tisch der Erwerbslosen, die MLPD-nahen Montagsinitiativen, die halbautonom/halbsyndikalistischen Anti-Hartz IV-Initiativen, die Gewerkschaftslinke, StudierendenvertreterInnen usw. usf. Sie alle bringen ihre Ideen, Aktionsvorschläge und Politikansätze ein und konkurrieren allein damit schon innerhalb der sozialen Bewegung.

  • •    Auf dem Höhepunkt der Montagsdemonstrationen hoffte die MLPD, zur führenden Partei in der sozialen Bewegung zu werden. Dieser engstirnige Versuch ist längst gescheitert, weil eine revolutionäre Organisation im besten Fall eine soziale Bewegung vorantreiben kann wie es z.B. unsere Schwesternorganisation LCR/JCR bei den Protesten gegen das CPE in Frankreich tat. Versucht aber eine Partei der sozialen Bewegung ihre „Führung“ aufzuzwingen, würde entweder die Bewegung zerfallen oder die Partei scheitern. Trotzdem sind auch die ML
    PD-nahen Montagsinitiativen ein (sektiererischer) Teil der sozialen Bewegung.
  • •    Eine wichtige Rolle in der sozialen Bewegung spielen gemäßigte Kräfte um das IG Metall Verbindungsbüro Soziale Bewegungen Horst Schmitthenners. Er hatte sich im Vorfeld des 3. Juni in einer Debatte mit Peter Grottian strickt gegen die Demonstration „Schluss mit den Reformen gegen uns!“ ausgesprochen. Schmitthenner ist über seinen handverlesenen „Anzeigenkreis“ mit dem ebenfalls gemäßigten Sozialforum in Deutschland verbunden, dessen Umfeld noch die letzte Aktions- und Strategiekonferenz in Frankfurt/M. dominierte – und manipulierte. Dort wurde alles getan, um keine Demonstration (!) für das erste Halbjahr 2006 zu beschließen. Zum Glück vergeblich!
  • •    Dagegen bildete sich das Bündnis 3. Juni. Es führte erfolgreich die kleine, bundesweite Demonstration in Berlin durch. Damit und mit der Ausrichtung der Aktions- und Strategiekonferenz der sozialen Bewegung am 02./03. Dezember in Frankfurt/M. (siehe Avanti 137), wo der erneuerte „Frankfurter Appell“ verabschiedet werden soll, spielt das Bündnis 3. Juni als eine Art „linker Flügel“ die vorantreibende Rolle in der sozialen Bewegung.

Gemäßigte Kreise der sozialen Bewegung um Schmitthenners Verbindungsbüro Soziale Bewegungen, die Initiative für einen Politikwechsel, die Friedens- und Zukunftswerkstatt und WISSENTransfer rufen nur eine Woche später im Frankfurter Gewerkschaftshaus zur Veranstaltung „Es muss anders werden, damit es besser geht – Wie weiter nach dem 21. Oktober 2006 ?“ auf. Dort soll „die Zusammenarbeit der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen für die Entwicklung einer starken Protestbewegung“ diskutiert werden. In offener Konkurrenz zur „linken“ Aktions- und Strategiekonferenz vom 02./03. Dezember wollen die Partner der Gewerkschaftsvorstände die soziale Bewegung auf gemäßigte Positionen festlegen.
Unabhängigkeit und Aktionsf higkeit sicherstellen
Nicht nur die Linke differenziert sich in parlamentarische und außerparlamentarische Organisationen. In den Gewerkschaften steht der bürokratischen Führung die noch viel zu kleine Gewerkschaftslinke gegenüber. Die soziale Bewegung unterscheidet sich nach gemäßigten und linken Kreisen. Wie soll unter solchen Bedingungen die „Triade“ aus „sozialer Bewegung“, „Gewerkschaften“ und „Linkspartei“ den konsequenten Kampf gegen die neoliberalen Reformen führen? Die heilige Dreifaltigkeit der außerparlamentarischen Zurückhaltung tut niemandem weh und stellt niemanden zufrieden. Wenn überhaupt von einer “Triade“ die Rede sein kann, dann von einer, die aus dem linken Flügel der sozialen Bewegung, der Gewerkschaftslinken und der außerparlamentarischen sozialistischen Linken besteht.

Sicherlich muss die soziale Bewegung immer wieder versuchen, Druck auf die Gewerkschaften auszuüben. Mit einer „klugen Verhandlungstaktik“, um ein paar eigene RednerInnen auf DGB-Kundgebungen zu stellen, ist es aber nicht getan. Wer, wie einige GenossInnen vom ABSP meinen, die soziale Bewegung könne „den Elefant“ Gewerkschaften „mit Pauken und Trompeten vorantreiben“, offenbart vor allem eine krasse Fehleinschätzung der realen Kräfteverhältnisse. Solche „radikalen“ Sprüche führen schnell zum opportunistischen Gegenteil, wenn sich ein Teil der sozialen Bewegung, sprich ABSP, vom anderen, den MLPD-nahen Montagsinitiativen distanziert, in der Hoffnung, damit mehr Gesprächs- und Bündnisbereitschaft bei der Gewerkschaftsführung zu erreichen. Und auch die Mäßigung von Forderungen weckt nicht den Mobilisierungswillen in höheren Gewerkschaftsetagen.

Nur die eigenständige Aktionsfähigkeit und die politische Unabhängigkeit der soziale Bewegung, wenn sie ähnlich wie in Frankreich beim CPE in die Breite wirksam wird ohne ihre Inhalte abzuschwächen, erzeugt von außen den Druck, den die Gewerkschaften brauchen, um einen kämpferischen Weg einzuschlagen.

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