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Ökologie

Metall: Preissprünge und kommende Verknappung

Von K. Hasse | 01.12.2011

Die Preise für Metalle haben sich im letzten Jahrzehnt hochturbulent entwickelt. Während einer Hochphase von 2003 bis 2008 stiegen sie auf Werte, die für viele Metalle seit Jahrzehnten nicht oder noch nie erreicht wurden.

Die Preise für Metalle haben sich im letzten Jahrzehnt hochturbulent entwickelt. Während einer Hochphase von 2003 bis 2008 stiegen sie auf Werte, die für viele Metalle seit Jahrzehnten nicht oder noch nie erreicht wurden.

So haben sich zwischen den Jahren 2000 bis 2008 die Preise für Aluminium mehr als verdoppelt, die für Kupfer, Zinn und Zink mehr als vervierfacht und die für Nickel sogar verfünffacht. Nach einer kurzen Unterbrechung durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 stiegen sie bereits ab 2009 wieder sprunghaft an.

Die Preisanstiege haben die Industrie in den entwickelten kapitalistischen Ländern hochgradig verunsichert. Die Emotionen werden deutlich bei einem Blick auf die Statistik des deutschen verarbeitenden Gewerbes: Die durchschnittlichen Kostenanteile für die sog. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe liegen hier bei rund 45 %. Zum Vergleich: Der Kostenanteil für Löhne liegt nur bei 19 %. Kapitalistische Wirtschaftsinstitute fürchten sogar bei einem weiteren Anstieg der Rohstoffpreise ein Abwürgen der Konjunktur. Wodurch sind die Preisanstiege begründet? Erreichen wir auch bei den Metallen eine Grenze des Wachstums wie beim Erdöl?

Zahlreiche Institute haben in den letzten Jahren im Auftrag westlicher Regierungen und Konzerne Ursachenforschung betrieben. Zwei Effekte lassen sich als vordergründige Ursachen identifizieren. Zunächst treibt insbesondere die nachholende Infrastrukturentwicklung Chinas die Preise für Rohstoffe nach oben. China ist auf den Rohstoffmärkten mittlerweile zum dominierenden Käufer geworden. So entfielen 2009 auf das Land 40,5 % des Weltaluminiumverbrauchs, 44,4 % des Stahlverbrauchs und 39,3 % des Kupferverbrauchs. Und es ist nicht nur China allein: Auch andere Schwellenländer wie Indien oder Brasilien haben einen steigenden Rohstoffbedarf. Anders als noch vor 15 Jahren müssen sich die westlichen imperialistischen Länder den Rohstoffkuchen mit anderen teilen – eine für sie ungewohnte Situation.

Ein weiterer Grund für den wachsenden Metallhunger sind technologische Innovationen der kapitalistischen Industrie. Sie haben einen erhöhten Bedarf insbesondere an seltenen Metallen zur Folge.
Werden Metalle knapp?
Um diese Frage bewerten zu können, müssen zwei Begriffe eingeführt werden, nämlich Ressourcen und Reserven. Ressourcen sind die Rohstoffe, die zwar nachgewiesen sind, deren Förderung aber derzeit aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht erfolgt. Die Metallgehalte von Erzen können z. B. als zu gering und damit die Ausbeutung als zu teuer erachtet werden. Oder die Metallressourcen liegen in der Tiefe des Meeres und es existiert heute keine Technik, mit der man sie bergen könnte.

Im Gegensatz zu Ressourcen werden unter Reserven die Rohstoffe verstanden, deren Gewinnung bei heutigen Preisen profitabel ist. Für die Bewertung der noch verfügbaren Reserven ist die statische Reichweite wichtig. Sie misst den Zeitraum in Jahren, für den die Reserven eines Metalls bei einer Fortschreibung des heutigen Verbrauchs noch ausreichen würden. So liegt die statische Reservenreichweite von Kupfer bei 32 Jahren, von Eisenerz bei 119 Jahren und von Bauxit (Aluminiumroherz) bei 157 Jahren.

Die statische Reichweite der Reserven ist aber für sich allein noch kein ausreichender Indikator, da sich die Reserven mit steigenden Preisen oder neuen Bergwerkstechniken auch wieder „erholen“ können. Die Gefahr einer Rohstoffverknappung wird dagegen deutlicher, wenn man die Ressourcenreichweite mitbetrachtet. Bei Kupfer liegt sie z. B. bei 158 Jahren. Das wird von den kapitalistischen Eliten als völlig unkritisch betrachtet. Sie verschwenden dabei nicht einen Moment auch nur einen Gedanken an nachfolgende Generationen. Auch für Metalle, wie Zink (202 Jahre), Chrom (678 Jahre), Platin (249 Jahre), Blei (430 Jahre) oder Lithium (160 Jahre) besteht unter diesem eingeschränkten Gesichtspunkt Entwarnung.

Unglücklicherweise haben bereits jetzt einige Metalle eine sehr kurze Ressourcenreichweite, die nahe der Reservenreichweite liegt. Das ist z. B. der Fall bei Zinn, für das die Reichweite der Reserven bei 23 Jahren und die der Ressourcen bei 42 Jahren liegt. Schlimmer sieht es noch bei Indium mit einer Reichweite der Ressourcen von 15 Jahren oder bei Germanium mit nur 6 Jahren aus.
Dynamische Betrachtung verdeutlicht kritische Lage
Die Aussage des Reichweitenbegriffs leidet allerdings unter seiner statischen Beschränkung. Betrachtet man zusätzlich die dynamische Entwicklung, so kann die Situation weitaus alarmierender ausfallen. Zunächst muss das wirtschaftliche Wachstum berücksichtigt werden, das mit einem zunehmenden Metallverbrauch einhergeht. Während 2009 der allgemeine Rohstoffverbrauch der Welt bei 60 Milliarden Tonnen lag, werden es nach Hochrechnungen bereits im Jahr 2030 über 100 Mrd. Tonnen sein. Das Problem kann auch am Beispiel der Autos aufgezeigt werden. Während der weltweite Kfz-Bestand 1999 bei knapp 700 Millionen lag, wurden 2009 bereits 965 Millionen Autos gezählt. Das ist in 10 Jahren ein Zuwachs von 38 %. Diese Zahl wird allerdings noch getoppt von den rund 3 Milliarden Kfz, die laut Prognosen 2050 auf den Straßen der Welt rollen sollen. Dann würde allein der KFZ-Bestand 33 Millionen Tonnen Kupfer erfordern – und das alle paar Jahre neu. Das ist deutlich mehr als die heutige Kupfer-Weltjahresproduktion (15 Mio. t).

Der wachsende Verbrauch hat Folgen selbst für die Metalle, deren Vorräte noch als „ausreichend“ eingeschätzt werden. Ihre Kosten werden steigen, weil zunehmend auf Erzlagerstätten mit einem geringeren Metallgehalt zurückgegriffen werden muss. Das hat zur Folge, dass ein höherer Energieaufwand bei der Förderung und der Aufbereitung anfällt. Besonders kritisch zu sehen sind die wachsenden ökologischen Folgeschäden durch Landzerstörungen und toxische Freisetzungen im Gefolge von Abbau und Verarbeitung der Mineralien.
Und bei einigen Metallen droht eine ähnliche Peak-Problematik, wie man sie von der Erdöldiskussion kennt. So wird geschätzt, dass Gallium möglicherweise schon seinen Produktionshöhepunkt überschritten hat.
„Seltene Erden“ und Hochtechnologien
Eine besonders prekäre Situation besteht für die sog. „innovationsstrategischen“ Metalle. Hierzu werden die sog. „Seltenen Erden“ gezählt. Sie und andere seltene Metalle haben eine große Bedeutung für sog. „Zukunftstechnologien“, wie z. B. Dünnschichtzellen in der Photovoltaik, Brennstoffzellen, Akkus von Elektrofahrzeugen oder Technologien zur Meerwasserentsalzung. In einer Studie der deutschen Institute ISI (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung) und IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) wurde im Jahr 2009 eine viel beachtete Studie herau
sgegeben, die den Rohstoffbedarf für 32 ausgewählte innovative Technologien bewertet. Darin wird der geschätzte Bedarf an seltenen Metallen und Halbleitern für 2030 ins Verhältnis zur Weltproduktion von 2006 gesetzt. Die Ergebnisse sind beunruhigend: Für Gallium, das für die energieeffiziente Dünnschichtphotovoltaik bedeutsam ist, wurde z. B. ein Faktor von 6,6 errechnet: Das bedeutet, dass die zukünftig erwartete Nachfrage durch neue Technologien das derzeitige Angebot bereits um das 6,6-fache übersteigt. Auch bei anderen Rohstoffen liegt eine ähnliche kritische Situation vor: Neodym 3,82, Indium 3,29, Germanium 2,44, Scandium 2,28 und Platin 1,56. Die kapitalistischen Strategen fürchten bereits, dass sich ihre wirtschaftlichen Hochtechnologievisionen wie Blütenträume auflösen könnten. Von einigen dieser seltenen Metalle gibt es zwar noch größere Mengen. Aber sie liegen z.T. schwer erreichbar auf dem Grund der Tiefsee als sog. „Manganknollen“. Ihre Ausbeutung würde im Übrigen neue dramatische Umweltschäden nach sich ziehen. Die westlichen imperialistischen Mächte irritiert auch, dass 97 % der heutigen „Seltenen Erden“-Förderstätten in der VR China liegen.
Recycling – kaum vorhanden
Aber könnte die Verknappung der Metalle nicht durch einen hohen Recyclinggrad ausgeglichen werden? Tatsächlich weisen Metalle ein prinzipiell sehr hohes Recyclingpotenzial auf. Das fällt besonders einfach bei den Massenmetallen Eisen, Stahl, Blei, Kupfer, Zink oder Aluminium. So liegt heute in Deutschland die Recycling-Rate von Aluminium bei 51 %, von Blei bei 63 %, von Kupfer bei 55 Prozent oder von Zink bei 45 %. Doch diese Zahlen täuschen über die wirkliche Situation des Metallrecyclings in den Industrieländern hinweg: Eine neuere Studie vom Mai 2011 für die UN-Umweltbehörde UNEP kommt zur Schlussfolgerung, dass ein Großteil der Metalle, darunter wichtige Hightech-Metalle, nach dem Gebrauch zu 99 % weggeworfen wird. Ein Beispiel ist Neodym, ein wertvoller Zukunftswerkstoff, der vor allem für Hochleistungspermanentmagnete, aber auch für Laserkristalle eingesetzt werden kann. Die Permanentmagnete können genutzt werden, um besonders kleine und kompakte Motoren zu entwickeln oder um besonders effiziente Generatoren für die Windenergiegewinnung zu bauen. Heute werden Neodym-Permanentmagnete dagegen vor allem für Kleinmotoren in der Automobiltechnik verschwendet. Am Ende des Fahrzeuglebens wird das wertvolle Neodym beim Einschmelzen des „recycelten“ Stahls in diesem für immer aufgelöst: ohne jede Chance auf Rückgewinnung.
Problemlösung erfordert Bruch mit dem Kapitalismus
Die Darlegungen zeigen, dass die Versorgung einzelner Metalle in naher Zukunft an Grenzen stoßen wird, denn die Vorräte unseres Planeten sind nicht unendlich. Dagegen steht eine entfesselte kapitalistische Wachstumsmaschine, die in chaotischer Weise die metallischen Ressourcen für gesellschaftlich nutzlose und überflüssige Güter verschwendet, ohne an die Zukunft zu denken. So wird im Transportbereich von den kapitalistischen Eliten weltweit der rohstofffressende Individualverkehr entwickelt – bei gleichzeitig bewusster Vernachlässigung öffentlicher Verkehrsmittel. Und es werden in exzessiver Weise zahllose kurzlebige Konsumgüter auf den Markt geworfen, die nichts Wesentliches zum Lebensglück der Käufer­Innen beitragen. Zudem werden sie so ausgelegt, dass sie möglichst schnell verschleißen, nicht reparaturfähig sind und sogar ein geordnetes Recycling verhindert wird. Die kritische Situation insbesondere der seltenen Metalle erfordert dagegen, dass sie geordnet und geplant für ausgewählt sinnvolle Produkte verwendet werden. Das steht im eklatanten Widerspruch zum Marktprinzip und erfordert einen Bruch mit dem Kapitalismus.

 

Im Einsatz für …
Neodym: Permanentmagnete in energieeffizienten Elektromotoren und Generatoren.
Gallium: silberweißes, leicht zu verflüssigendes Metall, für Dünnschicht-Fotovoltaik.
Indium: seltenes, silberweißes und weiches Schwermetall.  Für Dünnschichtfotovoltaik.
Germanium: Halbleiterelement, Einsatz in Halbleitern und Glasfaserkabeln.
Scandium: weiches, silberweißes Metall. Für Brennstoffzellen.
Platin: schweres, korrosionsbeständiges, dehnbares, grau-weißes Edelmetall. Für Brennstoffzellen und Katalysatoren.

 

 

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