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Machtverzicht von Fidel Castro – Welchen Weg wird Kuba einschlagen?

Von Claudio Reiser | 01.04.2008

Die kubanische Regierung ohne Fidel Castro, für die KubanerInnen kaum vorstellbar und doch seit Ende Februar Realität. Die Abgeordneten in der kubanischen Nationalversammlung wählten seinen Bruder Raul Castro zum Vorsitzenden des Staatsrates, der diese Funktion bereits seit August 2006 wegen der schweren Erkrankung seines Bruders provisorisch inne hatte. Fidel Castro hatte wenige Tage vor der Tagung der Nationalversammlung in der Parteizeitung Granma dem kubanischen Volk seinen Rückzug von der Staatsspitze angekündigt.

Die kubanische Regierung ohne Fidel Castro, für die KubanerInnen kaum vorstellbar und doch seit Ende Februar Realität. Die Abgeordneten in der kubanischen Nationalversammlung wählten seinen Bruder Raul Castro zum Vorsitzenden des Staatsrates, der diese Funktion bereits seit August 2006 wegen der schweren Erkrankung seines Bruders provisorisch inne hatte.

Fidel Castro hatte wenige Tage vor der Tagung der Nationalversammlung in der Parteizeitung Granma dem kubanischen Volk seinen Rückzug von der Staatsspitze angekündigt. Er hatte erklärt, dass er auf Grund der Erkrankung keine Staatsämter mehr bekleiden werde. Fidel bleibt aber vorerst Generalsekretär der KP Kubas. 

Nach der Ankündigung des Rückzugs von Fidel aus der Regierung gab es sofort Freudenbekundungen der reaktionären Kreise im Exil in Miami und Forderungen der Bush-Regierung nach raschen Reformen und sog. freien Wahlen in Kuba.
Auch die bürgerliche Presse hierzulande stürzte sich auf die neuen Entwicklungen in Kuba.

Tagelang bestimmte die Meldung vom Rückzug Fidel Castros aus der Regierung die Schlagzeilen: Die meisten dieser Blätter ergingen sich größtenteils in Hetze gegen den „Diktator, der seit fast einem halben Jahrhundert in Kuba an der Macht war“ und dafür gesorgt habe, dass „der Wohlstand dort verschwunden sei, und fast alle gleich arm sind“. Dass es vor der Revolution 1959 nur für ganz wenige großen Reichtum gab und der Großteil des Volkes in bitterstem Elend lebte und vor allem auf dem Lande viele Menschen verhungerten oder durch Epidemien ums Leben kamen, davon ist in solchen Artikeln natürlich nicht die Rede.
Die Regierungszeit von Fidel Castro
Hier kann nur bruchstückhaft auf die Entwicklungen in Kuba in diesen fast 50 Jahren der Regierung von Fidel Castro eingegangen werden und nur sehr verkürzt auf seine Bedeutung für die kubanische Revolution und die internationalen revolutionären Bewegungen.

Fidel ist nach wie vor eine der Symbolfiguren der Linken in aller Welt. Die kubanische Revolution, die er mit Che Guevara zusammen anführte, steht für die Beseitigung des Analphabetismus und für beeindruckende Erfolge im Bildungs- und Gesundheitswesen, die nach wie vor weltweit als beispielhaft gelten. Diese Errungenschaften konnten trotz der umfassenden Wirtschaftsblockade, die seit über 45 Jahren gegen die Insel besteht, aufrechterhalten werden.

Kubanische LehrerInnen und ÄrztInnen sind in allen Teilen der Welt im Einsatz, insbesondere bei Katastrophenfällen und der kubanische Staat hilft, auch wenn es den Staatshaushalt oft extrem belastet, damit vor allem den ärmsten Staaten. Diese Art von internationalistischer Hilfe ist auch ein Verdienst von Fidel und Che. Sie haben dem Internationalismus von Anfang an hohe Priorität beigemessen und diese Pflicht zur internationalistischen Hilfe ist auch Bestandteil der kubanischen Verfassung.

Nach dem Sieg der kubanischen Revolution ging die revolutionäre Regierung sofort daran, die Organisation der lateinamerikanischen Solidarität und dann die Tricontinentale aufzubauen. Hierdurch sollten sowohl die Isolierung der kubanischen Revolution durchbrochen, als auch die Befreiungskämpfe in aller Welt unterstützt werden.
Die Politik der kubanischen Regierung stand immer im Gegensatz zur Politik der sowjetischen Bürokratie, die die Unterstützung der Befreiungskämpfe immer der Verteidigung ihrer eigenen Interessen unterordnete.

Kubanische Truppen kämpften unter anderem in mehreren afrikanischen Ländern gegen die Armeen des Apartheidregimes und des Imperialismus.
Durch diese unerschütterliche Unterstützung des weltweiten Emanzipationskampfes zog die kubanische Führung in besonderer Weise den Hass des Imperialismus auf sich. Die USA als mächtigste imperialistische Macht ließ nichts unversucht, der kubanischen Revolution und ihren Führern endgültig den Garaus zu machen. Die Ermordung Che Guevaras und hunderte von Attentatsversuche gegen Fidel Castro machen dies überdeutlich.

Durch die fortwährende imperialistische Bedrohung ist Kuba auch gezwungen, in einem überaus hohen Maße auf Angriffe auch militärisch vorbereitet zu sein.
Der Militärhaushalt verschlingt Mittel, die an anderer Stelle dringend benötigt würden. 
Diese Notwendigkeit der militärischen Wachsamkeit und die immer wieder verschärfte Wirtschaftsblockade gegen Kuba führen bis heute dazu, dass die Strukturen der kubanischen Politik sehr stark zentralisiert sind. Vorgänge in der Regierung sind oft nicht transparent und für die einfachen Mitglieder der Massenorganisationen, die es in allen gesellschaftlichen Bereichen gibt, besteht auch kaum eine Möglichkeit den Gang der kubanischen Politik zu beeinflussen. Die politischen Kampagnen der letzten Jahre wurden immer von der kubanischen Führung und hier vor allem auch von Fidel selbst initiiert. Dies ist ganz sicher ein großer Unterschied zu den Mobilisierungen in den ersten Jahren nach dem Sieg der kubanischen Revolution, als der Anstoß dazu auch aus dem Volk kam.

In der Frage des Umgangs mit Feinden oder auch vermeintlichen Feinden der kubanischen Revolution, hat die kubanische Regierung unter Führung der Führung Fidel Castros des öfteren die Freunde und Unterstützer der kubanischen Revolution schockiert. Die Verhängung von Todesurteilen wegen terroristischer Akte und die Verurteilung von Dissidenten zu langjährigen Haftstrafen beispielsweise im Jahr 2003, haben alle Gegner einer weiteren emanzipatorischen Entwicklung in Kuba gestärkt und ihnen Munition in die Hand gegeben. Die EU hatte dies damals zum Anlass genommen, Sanktionen gegen Kuba zu verhängen, diese wurden aber 2005 wieder ausgesetzt.

Seit es in Lateinamerika verschiedene Linksregierungen gibt, ist es vor allem auch unter Führung von Fidel Castro gelungen, die fast vollständige Isolierung Kubas in der Region zu durchbrechen. Mit den Präsidenten aus Venezuela und Bolivien, Hugo Chavez und Evo Morales zusammen gründete er vor einigen Jahren die „Bolivarianische Alternative für Amerika“(ALBA), dem sich inzwischen auch andere lateinamerikanische Staaten, wie zum Beispiel Nicaragua angeschlossen haben.
Raul Castro an der Spitze der Regierung
Für die Menschen in Kuba ist durch den Amtsverzicht von Fidel Castro keine wirklich neue Situation entstanden. Sie konnten sich seit zwei Jahren an eine Regierung ohne Mitwirkung Fidels gewöhnen. Fidel mischte sich jedoch immer wieder in Form von Grundsatzartikeln in
der Parteipresse in die politische Diskussion ein.
Raul Castro, der auch Verteidigungsminister in Kuba ist, steht weniger für den ideologischen Diskurs, wie sein großer Bruder. Er gilt als Pragmatiker und die Armee, sein zentraler Machtbereich gilt in Kuba als Paradeinstitution mit effizienten Strukturen.
Diese Effizienz will er dem Land insgesamt verordnen – das in Kuba verbreitete Fernbleiben von der Arbeit soll unter Androhung von Strafe unterbunden werden.

Seit Januar 2007 gibt es ein auch ein Gesetz, das bei wiederholter Abwesenheit vom Arbeitsplatz mit Entlassung droht.
Selbst ein Gesetz, das harte Strafen für FunktionärInnen vorsieht, die ihre Aufgaben nicht erfüllen, wurde erlassen.
Trotz der zwischenzeitlichen Anhebungen des Durchschnittslohns und auch der Renten versuchen nach wie vor viele KubanerInnen auf eigene Rechnung zu arbeiten, um so den entbehrungsreichen Alltag besser bewältigen zu können.
In Kuba gibt es sicher keine Armut, wie in anderen Ländern Lateinamerikas und die Bevölkerung hat eine garantierte Versorgung im Krankheitsfall und alle Kinder haben die gleichen Bildungschancen im Unterschied auch zur Situation bei uns, dennoch gibt es viele Mangelerscheinungen, die das Alltagsleben erschweren. 

Raul Castro wirbt für strukturelle Reformen, räumt ein, dass die Löhne nach wie vor zu niedrig sind und appelliert an die KubanerInnen, zu kritisieren, was ihnen an der Entwicklung in Kuba nicht gefällt.Er verweist selbst auf interne Defizite. Eines dieser Defizite ist der nach wie vor nicht ausreichend funktionierende Nahverkehr.
Auch die Medien sprechen inzwischen verstärkt diese Probleme an.

Die Einbeziehung der Bevölkerung und vor allem auch der Jugend, in der es eine Art von Entpolitisierung und Passivität gibt, ist dringend notwendig, um die kubanische Revolution aufrechtzuerhalten und weiter zu entwickeln. Strukturen in Partei und Gesellschaft müssen demokratischer werden, Debatten offener geführt werden können.
Aber es wird schwer sein, diese Aufgaben anzugehen, so lange die furchtbare Blockade gegen Kuba nicht beendet wird und die imperialistische Bedrohung gegen das Land bleibt.

Verschiedene Wege sind denkbar, die in Kuba eingeschlagen werden, der chinesische Weg einer marktwirtschaftlichen Öffnung unter der Vorherrschaft der kommunistischen Partei, ein mit Europa abgestimmtes sozialdemokratisches Modell des Kapitalismus oder eine Weiterentwicklung des egalitären Weges einer sozialistischen Gesellschaft.

Die Richtung, welche die Entwicklung in Kuba nimmt, wird vor allem auch dadurch bestimmt werden, welchen Verlauf die revolutionären Prozesse in Venezuela und Bolivien nehmen werden. Eine Radikalisierung des bolivarianischen Prozesses in Venezuela und die verstärkte Anwendung von Maßnahmen gegen das Kapital durch die Regierung von Evo Morales in Bolivien werden sicherlich zur Stärkung des sozialistischen Weges in Kuba beitragen.

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