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Länder

Machen es „die Franzosen“ mal wieder vor?

Von D. Berger | 01.11.2007

Streik der EisenbahnerInnen in Frankreich vom 18. Oktober wies eine phantastische Beteiligung auf: 73,5% der EisenbahnerInnen streikten und nur 5% aller Züge fuhren. Grund für diesen Aktionstag waren die jüngsten Rentenpläne der Regierung, die nach dem Motto „spalte und herrsche“ „gegen die Privilegien“ im Öffentlichen Dienst sich in dieser Phase erst mal nur an die Rentenkassen der Staatsbeschäftigten im Transportsektor ranmacht.

Der Streik der EisenbahnerInnen in Frankreich vom 18. Oktober wies eine phantastische Beteiligung auf: 73,5% der EisenbahnerInnen streikten und nur 5 % aller Züge fuhren.

Grund für diesen Aktionstag waren die jüngsten Rentenpläne der Regierung, die nach dem Motto „spalte und herrsche“ „gegen die Privilegien“ im Öffentlichen Dienst sich in dieser Phase erst mal nur an die Rentenkassen der Staatsbeschäftigten im Transportsektor ranmacht. Ihre Beitragsdauer soll von 37,5 Jahren auf 40 Jahre angehoben werden. 2003 war schon für die anderen die Beitragsdauer von 40 auf 41 Jahre (ab 2008) angehoben worden. Ab 2012 beginnend soll dann bis 2020 für alle Beschäftigten die Beitragsdauer auf 42,5 Jahre steigen.

Bisher hat die von Regierung und den bürgerlichen Medien angefachte Sozialneidhetze noch nicht groß gezogen. Schon an diesem Aktionstag haben landesweit etwa 300 000 Menschen demonstriert, zum großen Teil Beschäftigte aus anderen Bereichen, die 2003 die damals für sie entworfene Rentenreform nicht verhindern konnten. Stark vertreten waren dieses Mal LehrerInnen, Studierende, aber auch Beschäftigte von Renault, Peugeot/Citroën, Total u. a.
Weiterführung des Streiks?
Am darauf folgenden Tag wurde unter den beteiligten Gewerkschaften heftig über die Notwendigkeit der Fortführung des Streiks gestritten. Von der CFDT, die seit ihrer Streiksabotage von 2003 mehr als 60 000 Mitglieder (= 10%) verloren hat, war eh nichts anderes zu erwarten. Die CGT hat sich auch gegen die Fortführung gewandt und in letzter Minute auch die autonome Gewerkschaft der Lokführer FGAAC. Für einen unbefristeten Streik sind die eher dynamischen Gewerkschaften SUD-Rail und die (populistische) FO. Die Meinungsbildung unter der Mitgliedschaft der Lokführergewerkschaft ist aber längst nicht abgeschlossen.
Aber auch in den anderen Sektoren, sogar in der Privatwirtschaft, brodelt es, so dass durchaus in Kürze mit weiteren Aktionen und massiven Streiks gerechnet werden kann. Ein Indiz dafür ist der starke Auftakt vom 18. Oktober. Die Streikbeteiligung der aufgerufenen Beschäftigten war mit ihren 73,5% sogar deutlich höher als 1995/96, als immerhin 67% streikten und in einer wochenlangen Bewegung die Regierung zum Rückzug zwangen.

Übrigens hat am 18. Oktober die grenzüberschreitende Anregung zum Kampf  zum ersten Mal seit Urzeiten auch in der anderen Richtung gewirkt. Der Streik der GDL wurde durchaus mit Sympathie verfolgt und die GDL hat im Anschluss an die Streiks vom 18. Oktober immerhin eine passable Presseerklärung raus gegeben, was mensch bei den anderen Gewerkschaften in Deutschland vergeblich sucht.

 

Aus der Pressemitteilung der GDL zum Streik der EisenbahnerInnen in Frankreich
„[…]  Arbeitgeber und Staat greifen mehr und mehr in die Taschen der Arbeitnehmer und Rentner. Ein Lokführer in Deutschland bekommt 1 500 €  netto. Ein französischer Lokführer in Rente erhält zurzeit 74% des durchschnittlichen Gehalts der letzten drei Jahre. Fällt die Sonderrentenkasse weg, ist mit Abschlägen darauf von bis zu 25 Prozent zu rechnen.
Die Belastungen der Lokführer werden weder finanziell noch mit den Arbeitszeiten adäquat ausgeglichen. Lokführer müssen im permanenten Schicht- und Wechseldienst ihre Arbeit leisten. Das führt zu einem unregelmäßigen und familienfeindlichen Lebensrhythmus. Sie können aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf oftmals nicht bis zur gesetzlichen Rente ausführen und benötigen daher eine vernünftige Absicherung im Alter. Lokführer tragen die Verantwortung für Menschen und Güter. Unzufriedene Mitarbeiter sind bekanntlich keine guten Mitarbeiter. Daher müssen Sie verantwortungs- und leistungsgerecht entlohnt und verrentet werden […]“
Zur Erläuterung sei hinzugefügt: EisenbahnerInnen in Frankreich zahlen als Beschäftigte immerhin 40% in die Rentenkasse ein (gegenüber 26% bei den Beschäftigten im Privatsektor). Sie bezahlen also ihren früheren Renteneintritt (ab 55 Jahre, Lokführer ab 50 Jahre) selbst. Dies wissen auch viele Beschäftigten im Privatsektor und den meisten ist auch klar: Jede Verlängerung der Lebensarbeitszeit reduziert die Zahl der zur Verfügung stehenden Stellen. Denn ein Rentenabschlag von 25% ist von den meisten nicht verkraftbar.
D. B.

 

 

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