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Innenpolitik

Linkspartei im Parlament: Schöne neue Welt?!

Von Trixi Blixer | 01.12.2005

Die Linkspartei bestehend aus PDS, WASG und einigen unabhänigen KandidatInnen ist bei der Wahl 05 mit 54 Abgeordneten in den Bundestag eingezogen. Was ist jetzt, knapp 2 Monate nach der Wahl, von den Änderungsvorschlägen übriggeblieben?

Die Linkspartei bestehend aus PDS, WASG und einigen unabhänigen KandidatInnen ist bei der Wahl 05 mit 54 Abgeordneten in den Bundestag eingezogen. Was ist jetzt, knapp 2 Monate nach der Wahl, von den Änderungsvorschlägen übriggeblieben?

Noch kurz vor der Wahl wurden die WahlhelferInnen der Linkspartei.PDS auf die „3 wichtigsten Argumente“ eingeschworen. U.a. wird ihnen vom Wahlkampfteam nahegelegt, mit „mehr sozialer Sicherheit“ zu argumentieren, denn wer diese will muss die Linke wählen.

Und die Linkspartei als eine „starke linke Fraktion im Bundestag ist die beste Garantie dafür, dass sich das deutsche Parteiensystem gründlich ändern wird. […] Keine der vier Parteien, die sich um die Macht streiten, haben erklärt, dass sie sich ändern wollen. Die Linkspartei.PDS und die WASG haben sich dagegen auf den Weg gemacht, gerade deshalb eine neue Partei zu schaffen.“ Als dritten Kernpunkt benennt des Motivierungspapier drei zentrale Forderungen der Linkspartei: „Eine Grundsicherung für ein Leben in Würde und ohne Armut. Eine Grundrente für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Einen gesetzlichen Mindestlohn für Arbeit, von der man leben kann.“

Damit sind in diesem Papier mit dem Titel „Argumente“, das sich vor der Wahl an die WahlkämpferInnen richtete, Ziel und Weg der Kandidatur klar benannt. Ziel ist die zumindest finanzielle Existenzsicherung für alle Lebensphasen, der Weg zu diesem Ziel geht nur über eine Wahl der Linkspartei. Denn nur in Fraktionsstärke kann die Linkspartei gegen die etablierten Parteien mehr soziale Sicherheit erreichen.
In 100 Tagen….
Nachdem nun die Linkspartei in den Bundestag einziehen konnte, verabschiedete die neu-gewählte Fraktion ein Programm mit dem recht unbescheidenen Titel „Veränderung braucht uns“. Ähnlich des 100-Tage-Programms, das Schröder bei seinem Sieg über die schwarz-gelbe Koalition 1994 verkündete, veröffentlichte die Bundestagsfraktion Die Linke ein 100-Tage Kurzprogramm. Darin werden konkrete Fordererungen gestellt, die oft weit hinter die prinzipielleren Forderungen aus den Wahlprogrammen zurückfallen.

Schon im ersten Teil unter der Überschrift „Weg mit Hartz IV“ wird ein Dilemma der sich neu formierenden Linkspartei deutlich: Sie kann weitgehende Vorstellungen formulieren und sie hat kleine konkrete Änderungsvorschläge, jedoch fehlt ihr offensichtlich das politische Verständnis, wie diese unterschiedlichen Ebenen miteinander verknüpft werden können. Und so scheint schnell vor allem eines klar zu werden: Da, wo große Visionen wenig mit den kleinen Forderungen zu tun haben, bleiben diese nur ein zahnloser Papiertiger im Parteiprogramm. In der politischen Auseinandersetzung werden schlussendlich die „machbaren“ oder „realistischen“ Forderungen eingebracht.

In einem Einleitungssatz zu dem Programmpunkt „Weg mit Hartz IV“ analysiert die Fraktion richtig, dass „Arbeitslosigkeit kein individuelles Verschulden [ist], sondern Gegenstand gesellschaftlicher Verantwortung.“ Und folgert daraus: „Deshalb wollen wir eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung einführen, mit der die Entwürdigung von Arbeitslosen beendet wird.“ Der nächste Schritt jedoch lässt jeder Demonstratin der Montagsdemos die Haare zu Berge stehen. Anstatt konsequent und vielleicht in diesem Bundestag nicht machbar in eben diese Richtung weiterzudenken, macht das 100-Tage-Programm einen Schwenk und schlägt Verbesserungen von Hartz IV vor. Dazu gehört nach Meinung der Fraktion bspw. eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420,- Euro (!!!). Warum das unter dem Punkt „Weg mit Hartz IV“ gefasst wird, fragt sich wohl jedeR LeserIn an dieser Stelle.
Gute und schlechte Unternehmen
Unter dem Programmpunkt „Mindestlohn einführen“ greift die Fraktion eine gewerkschaftliche Forderung auf. Aber auch hier ist die Falle schon gestellt: Die Fraktion möchte „Gegebenenfalls […] Unterstützungen begehren, damit auch kleinere Unternehmen Mindestlöhne zahlen können.“ Bedeutet das, dass sie an die armen Unternehmen glauben, die sich den Kapitalismus nicht mehr leisten können und deshalb aus der Steuerkasse bezahlt werden müssen?
Selbst in Punkt 5 zeigt sich, dass Die Linke keine konsequente gesellschaftliche Analyse hat. Um die Kinderarmut zu beseitigen schlägt sie vor, die „Anrechnung des Kindergelds auf das ALG II und das Sozialgeld zu beenden.“. Dadurch wird sich aber nichts prinzipiell an den herrschenden Verhältnissen ändern, nämlich dass Kinder erwerbsloser Eltern arm sind!

Die Fraktion Die Linke spürt jetzt den Druck, die Politik des kleineren Übels zu vertreten. Dabei soll den einzelnen Abgeordneten kein böser Wille unterstellt sein, sondern es wird deutlich, dass ohne eine klare Analyse des herrschenden Systems und seiner Wirkungsweisen die Gefahr, in dieses integriert zu werden, sehr groß ist. Die grundsätzlichen Forderungen, auf die im Wahlkampf verwiesen wurde, weichen nach und nach einer „machbaren“ Politik. Und das in nur 100 Tagen … 

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