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Länder

Licht auf dem Schlachtfeld

01.12.2005

Große Teile des politischen Establishments der USA fordern einen baldigen Abzug aus dem Irak. Denn der Krieg schädigt die Geschäfte der US-Konzerne.

Große Teile des politischen Establishments der USA fordern einen baldigen Abzug aus dem Irak. Denn der Krieg schädigt die Geschäfte der US-Konzerne.

Wenn US-Artilleristen ihre Erfahrungen austauschen, nehmen sie keine Rücksicht auf die Sprachregelungen des Pentagons. Brandgranaten mit weißem Phosphor (WP), im US-Militärjargon „Willy Pete“ genannt, seien im Kampf um die Stadt Fallujah im November 2004 als „effektive und vielseitige Munition“ und „starke psychologische Waffe gegen Insurgenten [Aufständische] in Schützengräben und Schlupflöchern“ eingesetzt worden, wenn „wir mit HE (hochexplosiver Artilleriemunition) keinen Effekt erzielen konnten“, erläuterten drei Offiziere in der März-April-Ausgabe des Armeemagazins Field Artillery. Die Autoren bezeichnen das als „’shake and bake’-Missionen“.
Dennoch behauptete das Kommando der US-Truppen im Irak Anfang November, Phosphormunition sei in Fallujah nur eingesetzt worden, um „das Schlachtfeld zu beleuchten“. Zuvor hatte ein im italienischen Fernsehen gezeigter Dokumentarfilm die Folgen des Einsatzes der Brandgranaten gezeigt und die US-Soldaten Jeff Engelhart und Garret Reppenhagen zitiert: „Es wurde weißer Phosphor benutzt“.
Verbrennen statt vergiften
Weißer Phosphor reagiert auf wasserhaltige Zellen, deshalb sind Todesopfer zum Teil bis auf die Knochen verbrannt, ihre Kleidung aber ist unbeschädigt. Der Dokumentarfilm „Fallujah – The Hidden Massacre“ (die englischsprachige Version ist unter http://www.informationclearinghouse.info/article10907.htm verfügbar) belegt, dass auch Kleinkinder unter den Opfern waren und Phosphorgranaten bei nächtlichen Hubschrauberangriffen in Salven auf die Stadt geschossen wurden.

Da sich die erste Verteidigungslinie der Leugnung nicht mehr halten ließ, erklärte das Pentagon, dass Phosphormunition auch gegen Aufständische, nicht aber gegen Zivilisten eingesetzt wurde. Der Einsatz von Brandwaffen gegen die Zivilbevölkerung ist nach internationalem Recht verboten. Viele Juristen betrachten Phosphormunition jedoch als Chemische Waffe, deren Einsatz grundsätzlich verboten ist. Die US-Regierung bestreitet das, schließlich würden die Opfer verbrannt und nicht vergiftet.

Dass den US-Truppen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden, zeigt langsam auch in den USA selbst Wirkung. Die größten Probleme hat Präsident George W. Bush derzeit allerdings nicht mit der relativ schwachen Friedensbewegung, sondern mit dem politischen Establishment selbst. „Die Misshandlung von Gefangenen schadet uns selbst mehr als unseren Feinden“, argumentiert Senator John McCain, wie Bush ein Mitglied der Republikanischen Partei. Im „Krieg der Ideen“ dürften die Amerikaner „ihre Werte nicht in Frage stellen“. Der Senat verlangt nun von Bush, eine Strategie zum Abzug der US-Truppen vorzulegen, der von einigen Abgeordneten geforderte sofortige Rückzug wurde jedoch abgelehnt.
Die Kosten des Krieges
Die Motive der Kriegskritiker sind nicht rein humanitärer Art. Es wird immer deutlicher, dass die Politik Bushs geschäftsschädigend ist. Einige wenige staatsnahe Konzerne wie Halliburton haben davon profitiert, dass die Regierung ihnen im Irak lukrative „cost plus-contracts“ zuschanzte, die es ihnen erlauben, willkürlich Kosten in Rechnung zu stellen und zudem einen garantierten Profit einzustreichen.

US-Konzernen wie McDonalds, Disney oder Starbucks dagegen bringt das schlechte Image der USA in der Welt Verluste. „62 Prozent der von Opinion Dynamics Corp. befragten Manager sagten, dass der Krieg die globale Wettbewerbsfähigkeit Amerikas schädige“, stellte der Boston Herald fest. Offenbar hat das politische Personal im Kongress auf den Stimmungsumschwung in der US-Bougeoisie nun reagiert.

Eine Lösung, die einen Truppenabzug ermöglichen und die US-Interessen wahren würden, ist jedoch nicht in Sicht. Denn der Aufbau einer irakischen Armee und Polizei kommt nur auf dem Papier voran. Die Parteien haben ihre Milizen zwar in die „nationalen“ Sicherheitskräfte integriert, dort aber agieren sie weiterhin im Sinne ihrer eigentlichen Befehlshaber. Mitte November lösten US-Truppen ein geheimes Gefängnis auf, in dem etwa 170 überwiegend sunnitische Häftlinge festgehalten wurden. Viele waren unterernährt und wiesen Folterspuren auf. Vermutlich sollte die Aktion das Image der US-Truppen aufbessern.

Betrieben wurde das Gefängnis von der Badr-Miliz, dem bewaffneten Arm des in der Regierung vertretenen schiitisch-islamistischen SCIRI. „Wir haben der irakischen Regierung klar gemacht, dass es keine Kontrolle oder Führung der irakischen Sicherheitskräfte und Ministerien durch Milizen oder Religionsgemeinschaften geben darf“, hieß es anschließend in einer Erklärung der US-Botschaft – ein ungewöhnlich deutliches Eingeständnis der Tatsache, dass die Warlordisierung schon weit vorangeschritten ist.

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