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Leserbrief zu „Etappen eines Zerstörungswerks“

Von Philipp Xanthos | 01.05.2008

Ist es bei aller Kritik realistisch, anzunehmen, Israel hätte das Ziel, die Bevölkerung Gazas auszulöschen, wie es der Artikel von Brigit Althaler suggeriert? Wenn vom Gebiet des Gazastreifens aus seit Jahren täglich israelische Städte und Dörfer beschossen werden, so geschieht das vollkommen wahllos. Es werden hierbei auch nicht etwa „lediglich“ zivile Tote für ein militärisches oder politisches Ziel in Kauf genommen, sondern der fundamentalistische Terror ist Ziel an sich. Getroffen werden hier bewusst vor allem gewöhnliche Menschen in ihrem zivilen Alltagsleben.

Ist es bei aller Kritik realistisch, anzunehmen, Israel hätte das Ziel, die Bevölkerung Gazas auszulöschen, wie es der Artikel von Brigit Althaler suggeriert?

Wenn vom Gebiet des Gazastreifens aus seit Jahren täglich israelische Städte und Dörfer beschossen werden, so geschieht das vollkommen wahllos. Es werden hierbei auch nicht etwa „lediglich“ zivile Tote für ein militärisches oder politisches Ziel in Kauf genommen, sondern der fundamentalistische Terror ist Ziel an sich. Getroffen werden hier bewusst vor allem gewöhnliche Menschen in ihrem zivilen Alltagsleben. Es lässt sich leicht ausmalen, in welche Richtung die betroffenen BewohnerInnen auf ihre Regierung Druck ausüben werden. Dieser wesentliche Aspekt kommt in dem Artikel allerdings nicht zur Sprache. Er geht von einem für unsere Strömung erstaunlich einfachen Opfer-Täter-Schema aus.

Ebenso wenig werden die israelischen und palästinensischen Gesellschaften als Klassengesellschaften wahrgenommen. Inwiefern ist die reaktionäre Hamas-Regierung, die einen Gottesstaat errichten will, für uns zu verteidigen? – „Gewählt“ sind auch die israelische Regierung, die französische, die deutsche. Außerdem ist festzuhalten, dass die Hamas die im Februar 2007 ausgehandelte Einheitsregierung mit der Fatah am 14. Juni gewaltsam gestürzt und sich im Gazastreifen allein an die Macht gebracht hatte. Gingen beim großen Stromausfall Anfang des Jahres auch in ihrer Zentrale die Lichter aus? Standen ihre Fahrzeuge wegen Treibstoffmangels still, während die Generatoren nicht versorgt werden konnten? Die Autorin beruft sich aus Mangel an Argumenten in ihrem Artikel auf die UN. Gleichzeitig akzeptiert die Hamas nicht das von der UN garantierte Existenzrecht Israels – ein weiterer Widerspruch.

So verwundert es dann fast nicht, wenn am Ende ein Boykott, gewissermaßen als Kollektivstrafe, gefordert wird, statt Solidarität mit denen, die auf beiden Seiten unter dem Krieg leiden. Selbsttätigkeit der lohnabhängigen Bevölkerung und unterdrückten Schichten auf beiden Seiten des Grenzzauns wird nicht einmal in Erwägung gezogen. Die Irrationalität eines Boykotts Israels durch die PalästinenserInnen selbst müsste doch gerade dann deutlich geworden sein, als Israel nur kurzzeitig aufgehört hatte, Strom und Treibstoff an den Gazastreifen zu liefern. Für Boykott und „Sanktionen“ soll auch noch die Europäische Union instrumentalisiert werden, die wir sonst stets als militärisches, anti-demokratisches und neoliberales Projekt der Herrschenden kritisieren. Gerade in Anbetracht des Versagens der Stabilitätspolitik der Herrschenden im Weltmaßstab heute dürfen wir uns nicht auf diese verlassen. Und „Frieden“ im Spätkapitalismus, noch dazu an der Grenze zwischen „erster“ und „dritter“ Welt, ist eine leere Utopie. Eine kritische Analyse sieht anders aus, von einer marxistischen ganz zu schweigen.

Zum Artikel "Gaza: Etappen eines Zerstörungswerks" in der Avanti 152

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