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Leserbrief: Ein “Sieg für die Postler” oder eine ungenutzte Chance?

Von E. Rigby | 01.01.2004

In der  Avanti 104 wird über den “Sieg” der britischen PostarbeiterInnen berichtet. Mit wilden Streiks, die sich wie ein Steppenbrand über das ganze Land ausdehnten, hatten Kolleginnen und Kollegen gegen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen insbesondere der Einführung der Alleinauslieferung der Post gekämpft.

In der  Avanti 104 wird über den “Sieg” der britischen PostarbeiterInnen berichtet. Mit wilden Streiks, die sich wie ein Steppenbrand über das ganze Land ausdehnten, hatten Kolleginnen und Kollegen gegen Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen insbesondere der Einführung der Alleinauslieferung der Post gekämpft.

Angeblich wegen der Anti-Gewerkschaftsgesetze hatte die Gewerkschaftsführung die KollegInnen zum Streikabbruch aufgefordert aber dem Royal Mail Management die Schuld an den Streiks gegeben. Trotz der Verbreitung dieser Erklärung durch das Management weiteten sich die Streiks weiter aus. Am 3. November schließlich hat die Führung der Communication Workers’ Union (CWU) mit dem RM-Management ein Abkommen geschlossen, um den Streik zu beenden. Diesmal gingen CWU-Funktionäre in die Postämter und Sortierstellen und sprachen sich für eine Wiederaufnahme der Arbeit auf und die KollegInnen folgten. Der in der Avanti interviewte Kollege Pete Firmin lässt offen, worin der „Sieg“ denn eigentlich genau bestand. Und inwiefern die CWU-Bürokratie wirklich als Verbündete der Arbeitenden gesehen werden kann, bleibt auch unklar. Das Abkommen vom 3.11. ist nämlich keinesfalls ein „Sieg“. Nur der Status vor Beginn des Streiks wurde wieder hergestellt. Streikende sollen nicht bestraft werden und es soll weitere Verhandlung über die Arbeitsbedingungen geben. Von diesen Verhandlungen ist aber wenig Gutes zu erwarten. Das Management wird weiter auf der so genannten Modernisierung beharren. Und die CWU hat schon auf ihrem Kongress im Juli die Verschlechterungen „im Prinzip“ akzeptiert.

Die Streikenden hatten keine demokratisch gewählte eigene Führung. Dadurch konnte die CWU als Vertreterin der Streikenden sprechen. Die CWU-Führung hat eine lange Tradition des „Verständnisses“ für die Bosse. Um ihre Verhandlungsposition nicht zu gefährden, ist die CWU-Führung den kämpfenden KollegInnen in den Rücken gefallen. Die Gewerkschaftsbürokratie hat ohne wirklich etwas erreicht zu haben, Streikbruch begangen. Für sie ist der Streik der KollegInnen nur ein Spielchip im Verhandlungspoker.

Der Streik entstand spontan aus einer Abwehr gegen die Arbeitsverdichtung und Maßregelungen von KollegInnen. Die Ausweitung auf bereits 25.000 von 160.000 PostkollegInnen in so kurzer Zeit hat aber gezeigt, dass mehr drin gewesen wäre. Hätten die Streikenden offensive Forderungen, wie Erhöhung der Löhne, Neueinstellungen und ein Ende der Privatisierungsschritte gefordert, so wäre ein deutliches Signal gegen die herrschende Politik möglich gewesen. So einen offensiven Streik wollte die CWU-Führung aber nicht. Wie Pete Firmin feststellt, hat der Streik die Moral der KollegInnen gehoben, hat eine Idee von der Stärke des gemeinsamen Kampfes vermittelt. Es ist also noch nicht zu spät, um weiterzumachen.

Das Beispiel der britischen KollegInnen zeigt deutlich: Nur wenn die Streikenden über die Fortführung und über die Forderungen des Streiks in demokratischen Streikleitungen selbst entscheiden, kann eine ungenutzte Chance wie der PostlerInnen-Streik genutzt werden. Nur dann können die Arbeitenden wirklich ihre Kraft gegen die Reformen der Herrschenden, gegen Lohnkürzungen, Arbeitsverdichtungen und Stellenabbau nutzen.

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