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Leserbrief: Diktatur des Proletariats – wie überholt sind 150 Jahre alte Worte?

Von Tom Bogen | 01.02.2004

Zum Artikel „Einheit der RevolutionärInnen“ in Avanti 105, Seite 18

Zum Artikel „Einheit der RevolutionärInnen“ in Avanti 105, Seite 18

Nicht, dass es an dem positiven Prozess etwas ändern würde, den der Artikel beschreibt, aber drei Anmerkungen zum letzten Absatz “Statutenänderungen”, in dem es um die Herausnahme des Begriffes “Diktatur des Proletariats” aus den Statuten der LCR geht, seien erlaubt. Erst mal muss ich der Keule “buchstabengläubige Orthodoxie” ausweichen. Wo dies jetzt geklärt ist, kann es ja weitergehen.

Die Argumentation des Autors scheint mir doch recht gewagt! Es heißt: “im Gefolge der Oktoberrevolution” und des Stalinismus hätte der Begriff eine “negative Assoziation” bekommen. Ich frage mich, welche zentralen Begriffe des Marxismus denn nicht negativ belegt wurden? Wenn es danach ginge, müsste die LCR wahrscheinlich “Gruppe für mehr Demokratie” oder so heißen.

Nicht das Konzept der Diktatur des Proletariats führte dazu, dass es “zunehmend zu Repression und politischer Alleinherrschaft einer selbsternannten Führung” in der SU durch den Stalinismus kam. Ihre Bürokratisierung war Folge der Niederlage der ArbeiterInnen-Bewegung in den übrigen europäischen Ländern und der schweren Verluste durch den Bürgerkrieg. Die theoretische Missbrauchsgrundlage für Repression und Alleinherrschaft hätte der Stalinismus notfalls auch gänzlich allein erfunden. Ernest Mandel schreibt in seiner Einführung in den Marxismus auf Seite 135: “Der Niedergang der internationalen Revolution nach 1923 und die Rückständigkeit der sowjetischen Wirtschaft waren die beiden Hauptpfeiler der Macht der Bürokratie.”

Es wäre ein fataler Fehler die Worte “Sozialismus” und “Diktatur des Proletariats” gleichzusetzen. Letzteres ist nur ein Übergangsstadium, ein Mittel um zu Ersterem zu gelangen und eben die Abwesenheit “grenzenlose[r] Demokratie” (insbesondere für die Bourgeoisie). Karl Marx schreibt im März 1852 in seinem Brief an Weydemeyer: “Was ich neu tat, war (…) nachzuweisen, dass (…) der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zur klassenlosen Gesellschaft bildet.”
Marx wählte damals diesen Ausdruck, weil der Begriff genau ist. Bürgerliche KritikerInnen sehen darin die “wahre” Natur des Sozialismus, erkennen aber nicht, dass Kapitalismus nichts anderes ist, als die Diktatur der Bourgeoisie – die Diktatur der Minderheit über die Mehrheit (das Proletariat).

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