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Linke

Leserbrief: „Die sozialistische Perspektive klar formulieren“

Von Guenther Sandleben/Jakob Schäfer | 01.12.2011

Leserbrief zum Artikel „Krisenpolitik in der Sackgasse“ (November 2011) von Guenther Sandleben sowie Antwort darauf.

Leserbrief zum Artikel „Krisenpolitik in der Sackgasse“ (November 2011) von Guenther Sandleben sowie Antwort darauf.

Hallo Jakob, mit deiner Bewertung der aktuellen Krisenpolitik stimme ich weitgehend überein. Vielleicht ist meine Schlussfolgerung ein wenig anders, als Du sie formuliert hast. Du schreibst:

„Wirklich realistisch könnte nur eine völlige Schuldenstreichung, kombiniert mit einem Investitionsprogramm und starken Außenhandelskontrollen der griechischen Wirtschaft auf die Beine helfen. Aber dazu müsste das gesamte europäische Bankensystem vergesellschaftet und von den Beschäftigten und den einfachen Bankkunden kontrolliert werden. Inzwischen gewinnt die Forderung nach einer Enteignung der Banken an Zuspruch, aber diejenigen, die sich aktiv dafür einsetzen, sind noch eine sehr kleine Minderheit. Vor allem die deutschen Gewerkschaften stehen noch aufgrund der aktiven Unterstützung ihrer Vorstände für die bürgerliche Bankenrettungspolitik auf der anderen Seite.“

Schuldenstreichung (Schuldenannullieren wie damals in Russland) finde ich richtig. Was unklar bleibt, ist, ob die „griechische Wirtschaft" kapitalistisch bleiben soll. Wenn Du „Außenhandelskontrollen" vorschlägst, dann bedeutet dies unter kapitalistischen Vorzeichen eine starke nationalökonomische Orientierung des Landes. Investitionsprogramme entsprechen dem Bedürfnis des fungierenden Kapitals des Landes, was auch nicht das Interesse von uns Systemkritikern sein kann. Ich finde, eine sozialistische Lösung der Krise müsste klar formuliert werden. Und weil die Krise europaweit etc. ist, sollte die sozialistische Perspektive klar formuliert werden auch für die anderen (Euro-)Länder. Ein geeintes Europa auf kapitalistischer Grundlage kann es nicht geben, wie die Krise auch zeigt. Wer eine Rückkehr des innereuropäischen Nationalismus verhindern will, muss auf die sozialistische Perspektive hinorientieren. Die Forderung "Außenhandelskontrollen" orientiert aber national. Die Banken enteignen, ohne sic h zugleich die Produktionsmittel anzueignen, halte ich für eine zu bescheidene Maßnahme. Eine innerkapitalistische Reform wäre das.

Ansonsten finde ich deine Analyse richtig. Gruß, Guenther. 

 


Ja, nur über den sozialistischen Weg!

 

Antwort zum Leserbrief von Guenther Sandleben.

Lieber Guenther, es wird dich sicher nicht überraschen: Ich vertrete natürlich denselben Standpunkt wie du, dass nur eine sozialistische Umwandlung (Machtergreifung durch das Proletariat und Durchsetzung einer demokratisch organisierten Planwirtschaft), einen Lösungsansatz bietet. Nichts anderes hatte ich mit meiner Formulierung kurz andeuten wollen, denn eine Vergesellschaftung der Banken, Außenhandelsmonopol usw. ist unter kapitalistischen Vorzeichen nicht vorstellbar. Jedenfalls wäre es natürlich keine Lösung, wenn die Vergesellschaftung nicht den gesamten Produktionssektor, Handel und Dienstleistungsunternehmen umfassen würde. Nur dann kann schließlich die Warenproduktion aufgehoben werden und nur damit ist eine Lösung im Interesse der Menschen vorstellbar.
Dein Hinweis ist deswegen verdienstvoll, weil mir damit klar wurde, dass nicht alle Menschen (Leser­Innen) automatisch verstehen, was meine kryptische Formulierung andeuten sollte. Du hast absolut recht, und hier gibt es nicht die geringste Differenz, dass eine sozialistische Lösung nicht nur auf der Tagesordnung steht, sondern immer dringlicher wird.

Die Schwierigkeit, die wir normalerweise haben (und die ich bei diesem Artikel hatte), liegt darin, in wenigen Worten genau die­se Lösung zu vermitteln, ohne in Schlagworte zu verfallen. Wir haben in der Vergangenheit zu oft die Erfahrung gemacht, dass diverse linke Sekten mit Schlagworten die Leute abgeschreckt haben und dadurch das Gegenteil von dem erreichten, was sie bezwecken wollten.
Wir werden uns – in deinem Sinne – wohl etwas mehr anstrengen müssen, den einzig realistischen Ausweg im Interesse der Menschen auch in einem (relativ kurzen) Zeitungsartikel rüberzubringen. Mal sehen, ob uns das demnächst besser gelingt. Leicht ist es jedenfalls nicht. Dies ist zwar „nur“ ein Darstellungsproblem (und für uns keine offene inhaltliche Fragestellung), aber einfach ist es trotzdem nicht.

Ich will an dieser Stelle (nur wenige Wochen nach dem o. g. Artikel) hinzufügen: Seit Monaten sagen wir voraus, dass die Euro-Krise immer weitere Kreise zieht und damit immer näher an die so genannten Kernländer der Euro-Zone heranrückt. Dies ist nicht nur eine Folge der kapitalistischen Krisenpolitik, die nur die Abwärtsspirale weiter nach unten treibt und das Elend von Millionen Menschen auf dramatische Weise verschärft. Es ist vor allem Ausdruck der sich zuspitzenden Verwertungskrise des Kapitals. Inzwischen (21.11.) droht Moody’s mit einer Abstufung Frankreichs um zwei Stufen. Die Geschwindigkeit dieser Aufein­anderfolge – Zuspitzungen der Krisen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und demnächst in Frankreich –  ist eine direkte Folge der internationalen Verflechtungen, nicht nur im Finanzsektor, sondern auch des in der Produktion fungierenden Kapitals. Allein deswegen schon kommen wir, kommt die Arbeiter­Innenklasse immer weniger um eine internationale sozialistische Perspektive herum. Nur dann kann es einen positiven Ausweg geben. Solidarische Grüße, Jakob. 

 

TiPP!
Kürzlich erschienen und wärmstens zu empfehlen:

Guenther Sandleben: Politik des Kapitals in der Krise. Ein empirische Studie
VSA-Verlag, 2011

 

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