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Länder

Kuba, Bolivien und Venezuela: Die „Achse des Guten“

Von Caudio Reiser | 01.11.2006

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Die Abhängigkeit von IWF und Weltbank hat in unzähligen Fällen dazu geführt, dass die Länder des Südens in eine verhängnisvolle Schuldenspirale geraten. Um die Schulden zurückzahlen zu können, wird vor allem im sozialen Bereich eine verheerende Kahlschlagpolitik betrieben. Nicht selten geht mit der Verschuldung eine Verarmung der Länder einher. Einen ganz anderen Weg gehen seit einem halben Jahr Kuba, Bolivien und Venezuela.

Die Abhängigkeit von IWF und Weltbank hat in unzähligen Fällen dazu geführt, dass die Länder des Südens in eine verhängnisvolle Schuldenspirale geraten. Um die Schulden zurückzahlen zu können, wird vor allem im sozialen Bereich eine verheerende Kahlschlagpolitik betrieben. Nicht selten geht mit der Verschuldung eine Verarmung der Länder einher.

Einen ganz anderen Weg gehen seit einem halben Jahr Kuba, Bolivien und Venezuela. Zwischen diesen Ländern gibt es eine alternative und solidarische Form staatlicher Zusammenarbeit zum Nutzen aller Beteiligten.

Die bürgerlichen Medien hierzulande haben darüber fast nicht berichtet. Erst die Erkrankung Fidel Castros, die die zeitweilige Übergabe der Amtsgeschäfte an dessen Bruder Raul Castro notwendig machte, rückte Kuba wieder stärker ins Interesse der Berichterstattung. Weltweit ergingen sich die Medien in Spekulationen über den Gesundheitszustand des inzwischen 80jährigen Fidel Castro. Einige glaubten schon, dass die Tage der kubanischen Revolution gezählt seien. Die US-Regierung verschärfte ihre Hetze nochmals und in Miami feierten reaktionäre Kreise bereits auf der Straße.

Vom 11. bis 16. September fand in Havanna das 14. Gipfeltreffen der blockfreien Staaten statt. VertreterInnen aus 116 Staaten der Erde, die 80 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, trafen sich dort. Auch dieses so bedeutende Treffen fand in den bürgerlichen Medien kaum Resonanz. Auf die Themen und Beschlüsse der Konferenz werden wir noch zurückkommen, hier nur so viel: Kuba hat für die nächsten drei Jahre den Vorsitz der Bewegung der blockfreien Staaten übernommen und hat vorgeschlagen, dass deren Politik sich stärker als in der Vergangenheit an praktischen Fragen orientieren sollte.
ALBA als Gegenstück zu ALCA
Jahrelang haben sich linke Parteien und die sozialen Bewegungen in vielen Ländern des amerikanischen Kontinents gegen die von der US-Regierung mit Vehemenz betriebene gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA, die sich von Alaska bis Feuerland erstrecken sollte, gewehrt. Dieses Vorhaben der Bush-Regierung kann inzwischen in seiner ursprünglichen Form, als gescheitert angesehen werden. Die USA setzen jetzt auf bilaterale Abkommen, die im Grunde die gleichen verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung der beteiligten Länder haben.

Eine solidarische Alternative zu diesen Abkommen gibt es seit April dieses Jahres in Form der Vereinbarung zur Anwendung der Bolivarianischen Alternative für die Völker unseres Amerikas (ALBA) und des Handelsvertrags der Völker (TCP).
Die entsprechenden Verträge wurden am 29. April 2006 von Fidel Castro, Hugo Chávez und Evo Morales in Havanna unterzeichnet.(s.a. Kasten). Dieser Kooperations- und Handelsvertrag zwischen Kuba, Venezuela und Bolivien ist in dieser Form sicher einmalig in der lateinamerikanischen Geschichte.

Seit Sommer 2004 gibt es bereits zwischen Kuba und Venezuela eine sehr enge Zusammenarbeit, die dem Prinzip folgt: Materielle Güter im Austausch gegen Dienstleistungen. Venezuela verpflichtete sich an Kuba Erdöl zu Vorzugspreisen zu liefern und Kuba „bezahlte“ mit humanitären Dienstleistungen. Der Deal „Ärzte gegen Öl“ brach mit den kapitalistischen Marktregeln. Tausende kubanische ÄrztInnen sind in den Armenvierteln venezolanischer Städte und in entlegenen Regionen im Einsatz und haben dort Gesundheitsstationen aufgebaut.

Auf der Insel selbst wurden 50 000 VenezolanerInnen, für die solche Operationen vorher unbezahlbar waren, wegen Augenkrankheiten operiert. In Venezuela und auch in Bolivien sind in den letzten beiden Jahren Zentren für Augenheilkunde entstanden. Ferner wurde in Venezuela bereits vor der Unterzeichnung von ALBA mit kubanischer Hilfe ein Programm zur Ausbildung von „integralen“ Gemeindeärzten gestartet. Diese Gemeindeärzte sind MedizinerInnen, die vor Ort leben und die lokalen Bedürfnisse kennen.

In Zusammenarbeit mit Kuba wurden auch im Bildungsbereich enorme Fortschritte erzielt. Eine besondere Bedeutung kommt hier der Alphabetisierung zu. Nach einer in Kuba entwickelten Methode kann innerhalb von nur zwei Monaten Lesen und Schreiben erlernt werden. Venezuela erklärte sich am 28. Oktober 2005 zum analphabetenfreien Territorium. Innerhalb von ungefähr zwei Jahren wurde 1,5 Millionen Menschen das Lesen und Schreiben beigebracht. Diese Form der Alphabetisierung soll jetzt auch in Bolivien und perspektivisch auch in anderen Ländern Lateinamerikas umgesetzt werden.
ALBA und der kubanische Alltag
Das Jahr 2006 wurde von der kubanischen Regierung zum Jahr der energetischen Revolution erklärt. Fast alle Haushalte wurden zwischenzeitlich mit energiesparenden Haushaltsgeräten zu erschwinglichen Preisen versorgt. Die Infrastruktur für den Energietransport wird sukzessive erneuert. Die in den letzten Jahren häufig aufgetretenen Stromabschaltungen, die sowohl Privathaushalte aber auch die industrielle Produktion oft stundenlang lähmte, konnten auf ein Minimum reduziert werden. Die regelmäßige Belieferung mit venezolanischem Öl zum Vorzugspreis hat sicher in erheblichem Maße zu dieser Entwicklung beigetragen, aber auch die verstärkte Investitionstätigkeit durch die VR China seit Anfang 2004. China setzt sich auch über ein entsprechendes US-Verbot hinweg und gewährt Kuba Kredite. Kuba hat im Jahr 2005 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 11,5 Prozent erreicht bei einer Inflation von 4 Prozent.

Trotz aller dieser positiven Entwicklungen gibt es Teile in der kubanischen Bevölkerung, denen es zu lange dauert, bis manche Mängel in der Versorgung und auch im öffentlichen Transportwesen abgestellt werden.
Wenn es manchmal zu Engpässen z.B. in der medizinischen Versorgung kommt, wird von den weniger bewussten Menschen auch die internationalistische Haltung des kubanischen Staates in aller Welt – solidarische Hilfe durch die Entsendung von LehrerInnen und ÄrztInnen – verantwortlich gemacht. Wir müssen Kuba trotz dieser nicht immer ungeteilten Zustimmung in der kubanischen Bevölkerung für diese humanitäre und internationalistische Politik bestärken.

 

TiPP!
Im Sommer 2006 erschien das ausgezeichnete Buch von Dario Azzelini „Venezuela Bolivariana. Revolution des 21.Jahrhunderts?“ (Neuer ISP Verlag). Dort werden die Programme, die in Venezuela „Misiones“ genannt werden, ausführlich und sehr anschaulich geschildert.
ISBN 3-89 900-120-6
Der Vertragstext  (Auszüge)
Von Kuba in seinen Beziehungen
mit Bolivien im Rahmen der ALBA um des TCP durchzuführende Aktionen:

  • –    Schaffung einer gemeinnützigen kubanisch-bolivianischen Einrichtung, die hochklassige und kostenlose Augenoperationen für all jene Bürger Boliviens garantiert, denen es an den notwendigen Wirtschaftsmitteln für die sehr hohen Kosten dieser Behandlungen fehlt. […]
  • –    Kuba wird weiterhin die Erfahrung, das didaktische Material und die notwendigen technischen Mittel für das Alphabetisierungsprogramm Boliviens in vier Sprachen beisteuern. [….]  Von Bolivien in seinen Beziehungen mit Kuba und Venezuela im Rahmen der ALBA und des TCP durchzuführende Aktionen:
  • –    Bolivien wird Bergbau-, landwirtschaftliche, agroindustrielle, Fischerei- und Industrieprodukte exportieren, die in Kuba oder Venezuela gebraucht werden;
  • –    Bolivien wird mit seiner überschüssigen Treibstoffproduktion zur Energiesicherheit unserer Länder beitragen; [….]

Gemeinsam von Kuba und Venezuela in ihren Beziehungen mit Bolivien im Rahmen der ALBA und des TCP durchzuführende Aktionen:
Die Regierungen Venezuelas und Kubas beseitigen umgehend alle Zölle und nichttarifären Schranken für alle Importe aus Bolivien. […]
Die Regierungen Venezuelas und Kubas werden in Koordination mit Bolivien die Aktionen fördern, die sich als notwendig erweisen, um die gerechte bolivianische Forderung nach einem bedingungslosen Erlass der Auslandsschulden zu unterstützen, die Boliviens Kampf gegen die Armut und die Ungleichheit ernsthaft behindern.
Bolivien, Venezuela und Kuba werden für die Einheit und Integration der Völker Lateinamerikas und der Karibik kämpfen.

Vereinbarung zur Anwendung der Bolivarianischen Alternative für die Völker unseres Amerikas und der Handelsvertrag der Völker (vollständige Fassung in „ila“ Dossier Finanzpolitik IX vom Juni 06)

 

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