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Kampfkäfer im Anflug

Von Harry Tuttle | 01.07.2008

Die westlichen Staaten arbeiten eifrig an der Entwicklung neuer Waffensysteme. Die Armee der Zukunft soll kleiner, aber mobiler und effizienter sein. War es britischer Humor oder Unkenntnis der Filmgeschichte? Skynet heißt das neue militärische Überwachungssystem Großbritanniens, und Patrick Wood vom Rüstungskonzern EADS zufolge wird es nun möglich sein, dass „Computer direkt mit Computern sprechen.“ Skynet heißt auch das militärische Kommandosystem bei „Terminator“, das sich selbstständig macht und den größten Teil der Menschheit in einem Atomkrieg tötet.

Die westlichen Staaten arbeiten eifrig an der Entwicklung neuer Waffensysteme. Die Armee der Zukunft soll kleiner, aber mobiler und effizienter sein.

War es britischer Humor oder Unkenntnis der Filmgeschichte? Skynet heißt das neue militärische Überwachungssystem Großbritanniens, und Patrick Wood vom Rüstungskonzern EADS zufolge wird es nun möglich sein, dass „Computer direkt mit Computern sprechen.“ Skynet heißt auch das militärische Kommandosystem bei „Terminator“, das sich selbstständig macht und den größten Teil der Menschheit in einem Atomkrieg tötet.

Diese Gefahr besteht beim britischen Skynet nicht, das vor allem aus einem Satellitensystem und angeschlossenen Kommunikationseinrichtungen besteht. Auch in Zukunft geht die Gefahr nicht von den Maschinen aus, sondern von den Menschen, die die Kriegsmaschine kommandieren. Deren Ideen aber gehen tatsächlich in eine Richtung, die bislang nur aus der Science Fiction bekannt war. Auch an Kampfrobotern wird gebastelt, allerdings sollen sie vorerst keine autonom operierenden Einheiten sein, sondern von einem Menschen ferngesteuert werden. Die Luftwaffen der USA und Großbritannien verfügen bereits über ferngesteuerte Drohnen, unbemannte Flugzeuge, die mit Raketen ausgerüstet sind.
Das Pentagon züchtet Insekten
Die Rüstungsindustrie erdenkt sogar Waffensysteme, auf die Drehbuchautoren noch nicht gekommen sind. So werden in den USA „battle bugs“ (Kampfkäfer) entwickelt. Die dem Pentagon angeschlossene Forschungsabteilung DARPA arbeitet an der „Entwicklung eng verbundener Koppelungen zwischen Maschine und Insekt, indem mikromechanische Systeme den Insekten während eines frühen Stadiums ihrer Metamorphose implantiert werden.“

Kämpfen sollen die biomechanischen Kreaturen vorerst nicht, sie sollen mit Sensoren, Mikrophonen oder Kameras ausgerüstet werden. Die „battle bugs“ könnten jedoch auch als Träger biologischer Waffen eingesetzt werden, oder für gezielte Giftattentate. Auf solche Möglichkeiten angesprochen, konnte sich die DARPA-Sprecherin Jan Walker nicht zu einem Dementi durchringen: „Ich kann über die Zukunft nicht spekulieren.“

Den Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI zufolge betrugen die weltweiten Militärausgaben im vergangenen Jahr 1339 Milliarden Dollar. Die tatsächliche Zahl dürfte noch weit höher liegen. Fred Kaplan, Militärexperte des Online-Magazins Slate, spürte eine Reihe als zivil deklarierter Militärausgaben auf, so werden 16 Milliarden Dollar aus dem Etat des US-Energieministeriums für die Wartung des Atomwaffenarsenals verwendet. Nicht 515 Milliarden, wie vom Pentagon angegeben, sondern 713 Milliarden Dollar betrage der tatsächliche Militärhaushalt – zuzüg­lich der Kosten des Krieges im Irak von 120 Milliarden Dollar. Andere Regierungen schummeln in ähnlicher Weise, in vielen Staaten wie Pakistan und China besitzt das Militär überdies eigene kommerzielle Unternehmen und erwirtschaftet Profit.
Teurer Kaffee für Piloten
Etwa 40 Prozent seines Etats gibt das Pentagon für die Erforschung, Entwicklung und Anschaffung neuer Waffensysteme aus. Selbst unter militärischen  Gesichtspunkten sind nicht alle diese Ausgaben sinnvoll. Bereits 1961 forderte Präsident Dwight D. Eisenhower: „Wir müssen uns schützen gegen den unvertretbaren Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes.“ Nur wegen eines Streits zwischen zwei Konzernen wurde Mitte der achtziger Jahre bekannt, dass Boeing vom Pentagon 7400 Dollar für eine Kaffeemaschine kassierte. Dennoch ist in der westlichen Rüstungsforschung und Waffenbeschaffung ein Trend erkennbar, der verdeutlicht, wie sich Politiker, Generäle und Manager den Krieg der Zukunft vorstellen. Automatisierung, Flexibilität und Effizienz sind die entscheidenden Stichworte. Denn es geht im modernen Krieg nicht mehr um den Einsatz der größtmöglichen Feuerkraft, sondern um zielgenaue Zerstörung.

Auf zwei Szenarien bereitet sich das Militär vor. Derzeit sind die Einsätze Interventionskriege, jenseits der Vertretung „nationaler Interessen“ geht es immer darum, Verhältnisse wiederherzustellen, die eine geregelte kapitalistische Verwertung ermöglichen. Der Feind ist in der Regel eine Guerillaarmee bzw. die Miliz eines Warlords, an Feuerkraft weit unterlegen, doch häufig in der Lage zu verhindern, dass die Interventionsarmee die Kontrolle gewinnt. Besonders gefürchtet sind derzeit die IEDs (Improvised Explosive Decices), Sprengfallen, die auch gepanzerte Fahrzeuge zerstören können.

Jüngst haben die Taliban das Gefängnis im südafghanischen Kandahar gestürmt, mehrere Dörfer in der Umgebung erobert und angekündigt, die Stadt anzugreifen. Überlegenen Truppeneinheiten, die nun in die Dörfer vorstoßen, würden die Taliban ausweichen, um mit IEDs und Hinterhalten die Verfolger zu plagen. Die Dörfer zu bombardieren, würde den Taliban neue Rekruten zuführen. Und Präsident George W. Bush wird nicht begeistert sein, wenn er wieder einmal den Tod von US-Soldaten vor der Öffentlichkeit rechtfertigen muss.

Jeder Krieg ist politisch, im modernen Interventionskrieg aber kann das politisch-moralische Standing wichtiger sein als die militärische Lage. Denn der Feind führt einen Abnutzungskrieg, in der Erwartung, dass die Interventionsmacht immer größere Teile der örtlichen Bevölkerung gegen sich aufbringt und ihre hohen Verluste die Bevölkerung daheim dazu bringen, immer vehementer einen Rückzug zu fordern.

Die Rüstungsforscher arbeiten eifrig daran, einige Probleme des Interventionskrieges zu lösen. Der Krieg der Zukunft könnte so aussehen: Zunächst schwärmen die „battle bugs“ aus. Während Aufklärungssatelliten nicht unter eine Wolkendecke oder in ein Haus spähen können, können die bugs in der Lehmhütte nachschauen, ob der Bärtige da drinnen wirklich ein Taliban ist, der gerade seine Kalaschnikow reinigt. Ist der Feind lokalisiert, kann der Offizier, auch wenn er sich gegen eine Bombardierung entscheidet, seine Soldaten in Deckung lassen. Ein ferngesteuerter Kampfroboter erledigt den Job, die Soldaten müssen nur noch die Toten und Verwundeten einsammeln.

Nützlich wären solche neuen Waffensysteme auch für das zweite Szenario, den Kampf mit einer konventionellen Armee. Die wenigen Kämpfe g
egen die Armee Saddam Husseins in der Anfangsphase des Irakkrieges waren schnell entschieden, weil die US-Armee in diesem Bereich derzeit weit überlegen ist. Doch konkurrierende Großmächte wie China drängen nach, und trotz ihrer finanziellen und technologischen Unterlegenheit könnte es ihnen gelingen, wirksame Waffen zu entwickeln. Russland verfügt nach eigenen Angaben über einen 300 km/h schnellen Torpedo, gegen den es keine Abwehr gibt, und im Pentagon war man entsetzt, als vor zwei Jahren ein zuvor unentdecktes chinesisches U-Boot inmitten eines Flugzeugträgerverbandes auftauchte.
Krieg ohne Hurra
Auch in diesem Bereich geht es um bessere Aufklärung, größere Waffenpräzision und einen reduzierten Einsatz von Soldaten. Bereits jetzt stürmen westliche Infanteristen nicht mehr mit Hurra-Gebrüll feindliche Schützengräben. Meist markieren sie mit einem Laser das Ziel für die Luftwaffe. Der Pilot kann am Morgen in Missouri mit seiner B2 starten, seine Bombe über Bagdad abwerfen und zum Abendessen zurück sein. In diese Richtung wird weiter gearbeitet. So wird untersucht, ob der Pilot durch ein Fernsteuerungssystem ersetzt werden kann. Die Militärbasen im Ausland sollen verkleinert und ihre Zahl soll reduziert werden, denn sie sind extrem teuer und beliebte Angriffsziele.

Da die weltweite Interventionsfähigkeit gleichzeitig verbessert werden soll, müssen die Truppen noch mobiler werden. Noch in diesem Jahr erhält die Bundeswehr die ersten neuen Airbus A400M-Transportflugzeuge, vor­ausgesetzt, der Konzern liefert ausnahmsweise pünktlich. Darauf hofft auch das Pentagon, das seine neue Tankflugzeugflotte bei einem aus dem US-Konzern Northrop Grumman und dem Airbus-Produzenten EADS bestehenden Konsortium bestellt hat.

Eine Kooperation dieser Art ist selten, selbst zwischen den USA und der EU. Denn niemand weiß, wie die weltpolitischen Konstellationen sich entwickeln werden. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte eine der Lage vor dem 1. Weltkrieg ähnliche Konstellation zurück. Den etablierten imperialistischen Mächten stehen aufstrebende Großmächte wie China gegenüber, die die gegebenen Machtverhältnisse nicht mehr akzeptieren. Solange das Interesse an Handel und Investitionen überwiegt, wird die Konkurrenz friedlich ausgetragen. Sollte die „Globalisierung“ infolge einer Weltwirtschaftskrise nationalen Autarkiebestrebungen Platz machen, kann sich das schnell ändern. Deshalb wird auch das Atomwaffenarsenal erhalten und modernisiert, „mini-nukes“ sollen in Zukunft auch schwer verbunkerte Ziele zerstören können, während die USA hoffen, sich durch die Entwicklung eines Raketenabwehrsystems schützen zu können.
Verbot und Modernisierung
Bewegungen und Organisationen, die für Abrüstung kämpfen, konnten diese Dynamik bislang nicht stoppen. Wenn nach zahlreichen Kampagnen ein Waffensystem geächtet wird, ist ein Ersatz meist schon vorbereitet. So gelang es im Mai zwar, bei einer Konferenz in Dublin ein Verbot von Streumunition durchzusetzen. Die aus einem Bombenbehälter verteilten kleinen Sprengkörper explodieren häufig nicht sofort, sondern später, etwa wenn sie von spielenden Kindern gefunden werden. Doch abgesehen davon, dass die USA gar nicht an der Konferenz teilnahmen und die Bundesregierung eine Reihe von Abschwächungen und Ausnahmen durchsetzte, gilt das Verbot nicht für Streumunition, die über Selbstzerstörungsmechanismen verfügt. Den Rüstungsforschern winkt ein neuer Auftrag.

Nutzlos sind solche Abrüstungsbemühungen nicht, wenn in Zukunft weniger spielende Kinder zerfetzt werden, ist das ein Erfolg. Die Aufrüstung lässt sich auf diese Weise jedoch nicht stoppen. Sie ist politisch gewollt, in der EU soll sie durch den Vertrag von Lissabon sogar rechtlich verbindlich werden. Solange es Nationalstaaten und kapitalistische Konkurrenz gibt, bleibt der Krieg ein Mittel der Politik. Allerdings gehen viele Kriege anders aus, als ihre Urheber erwarten, und nicht jedes Waffensystem hält, was seine Hersteller versprechen. Gegen „battle bugs“ etwa hilft schon eine einfache Fliegenklatsche. 

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