TEILEN
Innenpolitik

Jetzt geht´s ans Tafelsilber!

Von W. Purkert | 01.04.2006

Als erste Großstadt hat die sächsische Landeshauptstadt Dresden den neoliberalen Traum von der Schuldenfreiheit erreicht. Am 9. März beschloss der Stadtrat den Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes der WOBA (ca. 48 000 Wohnungen) an die Fortress-Gruppe. Ein Teil der Linkspartei-Fraktion spielte bei diesem Privatisierungsprojekt die Rolle der Mehrheitsbeschafferin.

Als erste Großstadt hat die sächsische Landeshauptstadt Dresden den neoliberalen Traum von der Schuldenfreiheit erreicht. Am 9. März beschloss der Stadtrat den Verkauf des gesamten Wohnungsbestandes der WOBA (ca. 48 000 Wohnungen) an die Fortress-Gruppe. Ein Teil der Linkspartei-Fraktion spielte bei diesem Privatisierungsprojekt die Rolle der Mehrheitsbeschafferin.

Mit einem Schlag wird das Konto der Stadt nun um 1,7 Milliarden Euro aufgestockt, so dass nach Abzug der Schulden noch ca. 982 Millionen Reinerlös bleiben. Bei diesen Zahlen bekamen nicht wenige StadträtInnen feuchte Augen.
Dass sich dieser hohe Kaufpreis für den US-amerikanischen Investmentfonds rentieren muss, ist offensichtlich. So will Fortress Ende 2006 mit der WOBA und zwei anderen Gesellschaften an die Börse, wobei nach ca. drei Jahren ein Bruttogewinn von 5% eingefahren werden soll. Angesichts des hohen Verwertungsdrucks erscheint die dem Verkauf anhängige „Sozialcharta“ als bloße Farce. Nach dieser Charta soll es keine übermäßigen Mieterhöhungen oder Luxussanierungen geben. Weiterhin werden alte und bedürftige Menschen mit einem besonderen Kündigungsschutz bedacht. Dumm nur, dass eben diese Regelungen schon längst Gesetz sind. So sind übermäßige Mieterhöhungen durch eine Mietpreiskappungsgrenze bereits beschränkt und einen Kündigungsschutz für alte Menschen gibt es ebenfalls bereits. Doch selbst solche Bestimmungen schützen die MieterInnen nicht vor bösen Überraschungen, wie das Beispiel von Fortress in Stuttgart zeigt. Dort erhöhte das ehemals öffentliche Wohnungsunternehmen Gagfah die Mieten um 20% (die gesetzliche Höchstgrenze) mit der Begründung, die vereinbarte Grenze würde sich auf den gesamten Wohnungsbestand beziehen. Da die Mieten in Ostdeutschland nicht erhöht würden, könnte man in Stuttgart nun die gesetzlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Während in der Stadt Dresden die Mieten in den nächsten Jahren steigen werden, wird es keinen sozialen Wohnraum mit bezahlbaren Mieten mehr geben. Für Hartz-IV-EmpfängerInnen und NiedrigverdienerInnen wird es dadurch in Zukunft noch schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Nicht zuletzt wird der Traum der Schuldenfreiheit in Dresden wohl nicht von langer Dauer sein, denn durch den Verkauf gehen der Stadt nicht nur erhebliche Einnahmen aus der Vermietung verloren, sondern das strukturelle Problem der mangelnden kontinuierlichen Einnahmen wird dadurch mitnichten behoben.
Rolle der Linkspartei
Eine sehr unrühmliche Rolle bei diesem Privatisierungsprozess spielte die Stadtratsfraktion der Linkspartei. Erst durch die Stimmen von 9 der 17 Linkspartei-Abgeordneten konnte der Gesetzentwurf bei der namentlichen Abstimmung durchkommen. Da half auch das vom anderen Teil der Linkspartei-Fraktion mitgetragene Bürgerbegehren gegen eine Privatisierung nicht mehr. Mit dieser Entscheidung fällt ein Teil der Linkspartei-Fraktion sogar noch hinter die andernorts praktizierte Politik des „kleineren Übels“ und des Vermeidens von unmäßigen Härten zurück. Wie weit einige PolitikerInnen der Linkspartei doch schon im Neoliberalismus angekommen sind, zeigen Aussagen von Christine Ostrowski, eine der WortführerInnen des Verkaufs, wonach sie mit Sozialismus nichts mehr am Hut habe und sie ihr Verhältnis zur PDS überdenken müsse. Des Weiteren bedauerte sie ihre Gegnerschaft zur Privatisierung von Eisenbahnerwohnungen Mitte der 1990er – sehr zur Genugtuung der FDP-Fraktion. Das Beispiel Dresden verdeutlicht die Erfahrungen mit Linkspartei-Regierungen aus der Vergangenheit und zeigt beispielhaft, zu welchen aberwitzigen Entscheidungen und Anpassungen eine Fixierung auf die Parlamente führen kann.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite