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Iran: Kampf für freie und unabhängige Organisierung der ArbeiterInnen

Von Mila Mossafer, Nader Sadeh | 01.04.2007

Der 25. Dezember des vergangenen Jahres war der erste Jahrestag des grandiosen, historischen Streiks der Arbeiter des Busbetriebes Vahed (dt. „Einheit, Einigkeit“) in Teheran und Umgebung. Am frühen Morgen dieses Streiktages wurden die Streikenden verhaftet. Dieser Streik hat sich vielen Menschen als eine organisierte, bewusste und unabhängige Aktion eines Teils der iranischen Arbeiterklasse ins Gedächtnis eingeprägt.

Jahrestag eines Streiks
Der 25. Dezember des vergangenen Jahres war der erste Jahrestag des grandiosen, historischen Streiks der Arbeiter des Busbetriebes Vahed (dt. „Einheit, Einigkeit“) in Teheran und Umgebung. Am frühen Morgen dieses Streiktages wurden die Streikenden verhaftet. Dieser Streik hat sich vielen Menschen als eine organisierte, bewusste und unabhängige Aktion eines Teils der iranischen Arbeiterklasse ins Gedächtnis eingeprägt.

Ein Jahr ist vergangen seit der Verfolgung, Einschüchterung und Verhaftung der ArbeiteraktivistInnen, den Entlassungen in die Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden Not, die auf den ArbeiterInnen und ihren Familien lastet. Doch die Fortsetzung der Kämpfe der iranischen ArbeiterInnen trotz dieser schlimmen Umstände hat einmal mehr gezeigt, dass die Befreiung der ArbeiterInnen im Iran allein in ihren Händen liegt. Denn dieser Kampf erwächst aus den elementarsten Erfahrungen mit der Situation der ArbeiterInnen in der iranischen kapitalistischen Gesellschaft heraus, und richtet sich gegen die Absenkung des Lebensstandards der großen Mehrheit der Gesellschaft und gegen die absolute Macht der Kapitalisten – seien sie Privatkapitalisten oder sei es der islamische Staat als der größte Arbeit“geber“. Aus diesem Grund werden alle Kämpfe und jede Forderung der ArbeiterInnen auf den Widerstand der politischen Macht stoßen. In dieser Auseinandersetzung wächst bei den ArbeiterInnen täglich das Bewusstsein der Notwendigkeit der ökonomischen und politischen Selbstbefreiung. Sie lassen sich nicht mehr von den Entlassungen, Verhaftungen, Verurteilungen und der Festsetzung unerschwinglicher Kautionen einschüchtern, die zur Verhinderung ihres Kampfes gegen sie praktiziert werden.

Bis jetzt hat das islamische Regime versucht, mit der Einsetzung der „islamischen Räte“, der Einrichtung des „Hauses der Arbeiter“ und mit gesetzlichen Hindernissen die Gründung der unabhängigen Gewerkschaften zu verhindern. Außerdem will das Regime mit dem Einsatz seiner V-Leute aus den Reihen der Sicherheitspolizei und des Geheimdienstes am Arbeitsplatz sich in die Arbeiterangelegenheiten einmischen und die Arbeiteraktivisten identifizieren. Das Regime will mit seinen selbst inszenierten Arbeiterorganisationen die Kämpfe der ArbeiterInnen, sogar ihre elementarsten Forderungen, kontrollieren und mit der Einmischung seiner Elemente den Arbeitskampf in seinem Sinne manipulieren. Die repressive Politik ist nach drei Jahrzehnten konspirativen und offenen Kampfes der ArbeiterInnen geschwächt worden. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeiterbewegung im Iran als eine selbstbewusste Bewegung bereit, eine neue Epoche in ihrem Klassenkampf gegen das Kapital einzuleiten.

Teheraner Busbetriebsgesellschaft

Die Teheraner Busbetriebsgesellschaft wurde im Jahre 1927 gegründet und wird heute vom Teheraner Rathaus kontrolliert. Dieser Betrieb verfügt über mehr als 5000 Busse und ist in der Lage, täglich 4 Millionen Menschen zu transportieren. Heute gibt es auch schon Diskussionen über die Privatisierung des Teheraner Busbetriebes. In dem Fünfjahresplan für 2001-2005 war dies empfohlen worden. Für die Privatisierung des Betriebs werden als drei wichtige Faktoren angeführt: Eigentumsrecht, Management und Kontrolle.

Es sieht so aus, dass der Staat das Eigentumsrecht und das Management, nicht aber die Kontrolle privatisieren will. Der Teheraner Bürgermeister, Mohamad Bagher Ghalibaf, hat neulich in einem Interview gesagt: „Wir wollen in der Zukunft alle Busse privatisieren“ … Wir müssen bei dieser Absicht beachten, dass erst „das Management“ und dann „das Eigentumsrecht“ überlassen werden. Ghalibaf hat im letzten Jahr zunächst auf demagogische Weise versucht, die streikenden ArbeiterInnen zum Schweigen zu bringen. Kurz danach hat er der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebes den Krieg erklärt und verkündet, die Gewerkschaft sei illegal.

Die ArbeiterInnen und BusfahrerInnen haben darauf ihre Gewerkschaft neu geschaffen, um ihre Widerstandskraft gegen den Staat als Arbeitgeber zu steigern. Diese Gewerkschaft ist eine Betriebsgewerkschaft, der die Hälfte der Belegschaft von 16 000 Beschäftigten beigetreten ist. Aufgrund des Kampfes und Widerstandes der GewerkschaftsaktivistInnen gegen den Geheimdienst und die Polizei und in Folge der Ausdauer der Kämpfe der ArbeiterInnen für ihre Forderungen auf nationaler und internationaler Ebene ist ihre Gewerkschaft anerkannt worden. Sie ist Mitglied der Internationalen Transportarbeiter-Föderation(ITF).

Die Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebes

Ebrahim Madadi, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, hat in einer telefonischen Konferenz mit dem Vorsitzenden des DGB in Niedersachsen, Sebastian Wertmüller, über die Gründungsgeschichte der Gewerkschaft Folgendes erklärt: „Die Gewerkschaft der ArbeiterInnen des Teheraner Busbetriebes transportiert als die größte innerstädtische Transportorganisation täglich in Teheran mehr als 4 Millionen Fahrgäste.

Diese Transportorganisation ist 1951 mit der Hilfe der Deutschen gegründet worden, und ihre Busse sind von Anfang an von der Firma Mercedes Benz gebaut worden. Die deutschen Ingenieure haben zur Schulung der iranischen Belegschaft und zur Einrichtung der Technik beigetragen. In den ersten Jahren haben sie noch selber im Iran gearbeitet. Nach dem von der CIA unterstützten Putsch im Jahr 1953 wurden die Aktivitäten unabhängiger Gewerkschaften verboten. Aber ein paar Jahre später wurde dank der Wirkung des Druckes aus dem In- und Ausland die Gewerkschaftsarbeit auch gesetzlich akzeptiert. Ende der 50er Jahre wurde die Aktivität der Gewerkschaft der Busfahrer mit der Unterstützung der alten GewerkschaftsaktivistInnen wieder aufgenommen. An der Spitze der Gewerkschaft stand der Busfahrer Sara Kharjan, ein iranischer Armenier. In dieser Zeit begannen die Aktivitäten zur Verteidigung der Arbeiterforderungen. Dieses Engagement hielt jedoch nicht länger als 5 bis 6 Jahre an, und wieder wurde die Tätigkeit der Gewerkschaft aus staatspolitischen Gründen verboten. Es wurde leider nie die Idee der freien gewerkschaftlichen Arbeit im Iran verwirklicht. Solche Aktivitäten, wie sie in anderen Ländern möglich sind, waren immer im Visier der Geheimpolizei.

Trotz aller Repressionen der Geheimpolizei haben die ArbeiterInnen versucht, ihre unabhängige Gewerkschaft wieder zu gründen. So haben die Arbeiter des Teheraner Busbetriebes Syndikate der verschiedenen Bereiche des Betriebes, z.B. die Syndikate der technischen Arbeiter, der Busfahrerhelfer, der Fahrscheinverkäufer und vor allem das Syndikat der Busfahrer gegründet. Das Regime war bestrebt, die Syndikate zu vereinnahmen und die SAVAK- Beamten (SAVAK war der Ge
heimdienst des Schahregimes) einzuschleusen.

In den 70er Jahren wuchsen zugleich mit dem Wachstum der Wirtschaft und der Industrie wieder einmal die Probleme in der Arbeitswelt, und wieder kam es zu Protesten der ArbeiterInnen, die in einige Streiks innerhalb des Teheraner Busbetriebes mündeten. Für ein paar Tage wurden sogar die streikenden Busfahrer durch Militärangehörige des Schahregimes ersetzt. Bei einem der Streiks hatte sich die Lage so zugespitzt, dass der Schah persönlich veranlassen musste, die Militärs aus dem Spiel zu nehmen, und die Forderungen der ArbeiterInnen wurden erfüllt. Trotz aller polizeilichen Repressalien war es dem Syndikat damals gelungen, einen Manteltarifvertrag abzuschließen. Dieser Manteltarif war ein so erfreulicher Punkt, dass er auch an anderen Orten auf große Aufmerksamkeit stieß.

Während der iranischen Revolution 1979 hatten die iranischen Gewerkschaften die Abwesenheit der polizeilichen Repressionen nutzend versucht, sich neu zu installieren. Doch leider wurde 3 Jahre nach der Revolution Gewerkschaftsarbeit im Iran verboten, und einige der Führer der Busfahrergewerkschaft wurden verhaftet.

Als die Gewerkschaften wieder aktiv wurden, führte das dazu, dass einige Busfahrer, u. a. Mansour Ossanlou und Ebrahim Madadi, ins Visier des Geheimdienstes gerieten. Dabei war deren Engagement nicht einmal illegal. Einige Busfahrer wurden verhaftet oder entlassen. Im Mai 2005 wurden ArbeiteraktivistInnen von den Angehörigen des so genannten „Hauses der Arbeiter“ und vor den Augen der Polizei und der Geheimdienstbeamten verprügelt. Bei dieser Schlägerei wurde Ossanlou durch Messerstiche in die Zunge und ins Gesicht verletzt. Ebrahim Madadi und andere Gewerkschaftsaktivisten wurden verprügelt. Diese Schlägerei war organisiert und fand unter den Augen der Polizei statt, die die Angreifer noch unterstützte. Keiner von ihnen wurde festgenommen, und sie alle konnten den Ort der Schlägerei gesund verlassen. Im Gegensatz dazu wurde Ossanlou trotz der Verletzung verhört. Einer der Angreifer, Akbar Eyvasi, wurde von den Arbeitern wiedererkannt. Er ist ein Mitglied der Islamischen Arbeitsräte und Arbeiterdelegationsmitglied bei der ILO. Auf Proteste der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebes hin wurde er bei ILO nicht akkreditiert, sondern nach Hause geschickt.“

Ebrahim Madadi, Vizepräsident der Gewerkschaft der Busbetriebsgesellschaft von Teheran und Umgebung erzählt: „Anfang 2005 haben wir zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen, nachdem u. a. unsere Lohnforderung nicht berücksichtigt worden war. In Folge dieses Streikes wurden die Vorsitzenden der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebes Mansour Ossanlou und 16 weitere Vorstandsmitglieder der Gewerkschaft verhaftet. Vor 21 Monaten haben die verprügelten Gewerkschaftsaktivisten die Angreifer verklagt, und seitdem warten sie auf ihr Recht. Die Angreifer laufen frei herum und werden von der Regierung unterstützt.

Im Februar 2006 wurde nochmals für die Gewerkschaftsforderungen und für die Freilassung von Mansour Ossanlou gestreikt. Danach wurden 500 Personen verhaftet, und 50 von den Festgenommenen wurden von der Arbeit suspendiert. Obwohl die ArbeiterInnen das Recht haben, sich wegen ihrer Entlassungen beim Arbeitsministerium zu beschweren, hat dieses Ministerium die Annahme der Klagen seit 12 Monaten verweigert. Die Geheimpolizei und das Informationsministerium spielen in dieser Sache eine aktive Rolle. Sie beabsichtigen, durch psychischen und finanziellen Druck die Gewerkschaftsaktivisten und ihre Führung zur Aufgabe ihres Kampfes zu zwingen. Die entlassenen Arbeiter werden von der Geheimpolizei beschattet. Busfahrer und ArbeiterInnen, die sich mit den GewerkschaftsaktivistInnen in Verbindung setzen, werden sofort vorgeladen und mit Entlassung bedroht.“

Eine Gewerkschaft im Kampf gegen ihre Unterdrückung

Die Gewerkschaft der Busbetriebsgesellschaft Vahed hat sich am 15. Februar 2007, dem internationalen Tag zur Unterstützung der iranischen ArbeiterInnen, bei der ITUC, ILO, ITF, CGT, CLC, dem DGB und weiteren Arbeitergruppierungen und -aktivistInnen bedankt und unter anderem ausgeführt: „Die Entlassungen von 360 000 ArbeiterInnen im Jahr 2006 zeigen, dass das iranische Arbeitsministerium sich nicht an die internationalen Konventionen der ILO hält. Die Vahed-Gewerkschaft leidet zurzeit unter schlimmeren geheimdienstlichen, polizeilichen und wirtschaftlichen Repressalien denn je. Drohungen und Einschüchterung der Arbeiter durch die Geheimpolizei der Busbetriebsgesellschaft Vahed werden fortgesetzt. Der Vertreter des Teheraner Bürgermeisters, Ahmadi Bafandeh, hat zu den ArbeiterInnen von Vahed gesagt: „Neulich hat die Gewerkschaft Spendenaufrufe unter den ArbeiterInnen verteilt. Meldet diejenigen, die der Gewerkschaft Geld gespendet haben. Wir werden sie entlassen.“ Die ArbeiterInnen werden unter Druck gesetzt, ihren Kontakt zur Gewerkschaft abzubrechen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Mansour Ossanlou, wurde für den 24. Februar 2007 vor die 14. Kammer des Teheraner Revolutionsgerichts geladen. Seit einem Monat nach seiner Freilassung wird er ständig unter Druck gesetzt, von seiner Position als Vorsitzender der Gewerkschaft zurückzutreten. Der Richter Haddad drohte ihm, anderenfalls würden ihm jeden Tag zwei neue Anschuldigungen zur Last gelegt.

Die seit einem Jahr suspendierten aktiven GewerkschafterInnen setzen ihre Aktivitäten fort und handeln sehr schnell, wenn es um wichtige Ereignisse geht, die die ArbeiterInnen betreffen. Die Homepage der Gewerkschaft wird schnell aktualisiert und beinhaltet alle Presse- und sonstigen Erklärungen, die gleichzeitig in andere Sprachen übersetzt und den ArbeiteraktivistInnen weltweit zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus leisten breit vernetzte ArbeiteraktivistInnen innerhalb und außerhalb des Landes Solidaritätsarbeit mit den iranischen ArbeiterInnen.

Alle Versuche des islamischen Regimes, die Nachrichten über die nationalen und internationalen Aktivitäten der Gewerkschaft zu zensieren, haben keinen Erfolg. Diese Meldungen werden verbreitet. Das ist eine neue Erfahrung für die gesamte Arbeiterklasse im Iran. In diesem Land formieren sich täglich Proteste gegen die Verzögerung der Lohnzahlungen, gegen Massenentlassungen und für mehr Lohn. Für das Jahr 2006 z. B. wurden offiziell von 1200 Streiks und Protesten der ArbeiterInnen berichtet. Es ist statistisch erwiesen, dass die Proteste gegen die Arbeitgeber und den Staat nicht nur in Teheran, sondern überall in den großen Industriestädten stattfinden. So lässt sich nachvollziehen, warum außer der Gewerkschaft des Teheraner Busbetriebes noch Dutzende von Gruppen und Arbeitervereinen gegründet worden sind. Aus der Tatsache, dass sie in ihrem Kampf nicht allein steht, kann die Vahed-Gewerkschaft noch mehr Kraft schöpfen.

Dies sind die an die Arbeitgeber gerichteten, noch immer unerfüllten Forderungen der Teheraner Busfahrer:

  1. Rückkehr aller Kollegen an ihren Arbeitsplatz, die wegen ihres Einsatzes für die Rechte ihrer KollegInnen von der Arbeit suspendiert worden sind.
  2. Erhöhung der Löhne bis zu der Höhe, die eine vierköpfige Familie für ihren Lebensunterhalt braucht.
  3. Entfristung der Zeitverträge aller Busfahrer und ArbeiterInnen, Ausgabe von Milch und Mittagsmahlzeit.< /li>
  4. Periodisches Treffen der Gewerkschaftsvertreter mit dem Bürgermeister zur Planung und Beseitigung der allgemeinen Probleme der ArbeiterInnen des Teheraner Busbetriebs.
  5. Beseitigung der Unterkunftsprobleme der ArbeiterInnen, Einrichtung von Baugenossenschaften und Gewährung von Baukrediten.
  6. Sicherstellung des Lebensunterhalts der Aushilfsfahrer, Einrichtung eines Fahrdienstes für die Busfahrer der Früh- und Spätschichten.
  7. Standardisierung der Werkshallen bezüglich Hygiene, Wegemarkierungen usw.
  8. Abschaffung der unterschiedlichen Behandlung der ArbeiterInnen des Teheraner Busbetriebes und der Stadtverwaltung in Wohngeld-, Kindergeld- und Krankenversicherunsangelegenheiten.
  9. Stopp des Wohnungsbaus für die Vahed-Beschäftigten auf dem alten Werkstattgelände Nr. 2 gegenüber dem Zentralgebäude der Vahed.


Für die Verwirklichung dieser Forderungen setzen sich die GewerkschaftsaktivistInnen ein, weil diese ein Teil der Forderungen sind, unter deren Nichterfüllung die Arbeiterschaft des Irans leidet.

Yousef Molaei, der Anwalt von Mansour Ossanlou, hat bekannt gegeben, dass sein Mandant u. a. noch wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt worden ist. Mansour Ossanlou beschreibt am 15.Februar 2007 in seinem Artikel „Die Lage der Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung im Iran“ die katastrophale Wirtschaftslage und die Repressalien gegenüber den iranischen ArbeiterInnen:

„ Während der letzten Jahre hat die Einschränkung der Rechte der ArbeiterInnen zugenommen. Zeitverträge ersetzen die unbefristeten Arbeitsverträge sogar im Widerspruch zum gültigen Arbeitsgesetz. Die Inhaber des Kapitals und die Industrie nützen den herrschenden Kreisen und beuten die ArbeiterInnen brutal aus. Die Politik der Regulierung der Wirtschaft, die parallel zur diktierten Politik des internationalen Kapitalismus durch seine Organe Weltbank und IWF, durch die die Politik der multinationalen Kartelle und internationalen Konzerne und das Wertpapiersystem vorangetrieben werden, plant die Wirtschaft in Entwicklungsländern so, dass das Lohnniveau in diesen Ländern brutal nieder geschraubt werden kann. Diese Politik ermöglicht dem internationalen Kapital die Ausbeutung der billigen Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern vor Ort oder auch in den Industrieländern selbst. Oder man transferiert naturschädigende Schwerindustrien und -technologien – wie z. B. Stahl-, Chemie- oder Petrochemieindustrie etc. – nach Afrika, Lateinamerika und Südasien, um die billigen und nicht organisierten Arbeitskräfte auszunutzen und die Krise in diese Kontinente zu verlagern.

Die Politik der Regulierung der Wirtschaft in unserem Land lief ganz in dieser Richtung der imperialistischen Internationale. Die Vernichtung Hunderttausender Arbeitsarten und die Arbeitslosigkeit von mehreren Millionen junger und mittlerweile gut ausgebildeter Menschen sind die Folge davon.

Eine Analyse der Forderungen und Elementarrechte der ArbeiterInnen aus Arbeitersicht

Ein Arbeiteraktivist, Kazem Faradschollahi, hat in einer Analyse der beruflichen und gesellschaftlichen Rechte der ArbeiterInnen nachgewiesen, dass die iranischen ArbeiterInnen gezwungen sind, unterhalb der Armutsgrenze zu leben. Denn die Wirtschaftswissenschaftler haben die Armutsgrenze im Iran bei monatlich 240 Euro definiert, während der Hohe Arbeitsrat den Mindestlohn auf nur 150 Euro festgelegt hat. Außerdem müssen die ArbeiterInnen mit dem Problem der verspäteten Lohnzahlungen leben.1

Weitere Ergebnisse der Untersuchung von Kazem Faradschollahi: Seit Mitte März 2006 haben 118 Verstöße gegen §37 des Arbeitgesetzes stattgefunden, der die Lohnzahlungen in regelmäßigen Abständen vorschreibt. Diese Verstöße verteilen sich auf Verzögerungen der Zahlung von Löhnen, Gehältern, sonstigen berechtigten Geldforderungen, Sonderzahlungen auf Grund des Alters oder der Rente bei mehr als 26 000 Lohn- und Gehaltempfängern aus 108 Fabriken und Industriebetrieben, die zwischen März und August 2006 bis zu 26 Monate, in einem Fall sogar 36 Monate auf ihr Geld warten mussten.

Im zweiten Halbjahr 2006 sind 20 549 ArbeiterInnen aus 91 Firmen und Fabriken entlassen worden. Das Arbeitsministerium berichtet von 120 000 Entlassenen. Nach der offiziellen Statistik sind 2,4 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die freien Quellen schätzen die Zahl der Menschen ohne Arbeit auf 3,6 Millionen. Nur 5% der Arbeitslosen genießen das Recht auf Arbeitslosengeld und Krankenversicherung. Es ist erwähnenswert, dass 175 ArbeiterInnen auf Grund ihres Kampfes für die Arbeitsrechtsforderungen aus 13 Fabriken entlassen worden sind. Sechs Arbeitsorganisationen sind aufgelöst worden. Das letzte Beispiel bezieht sich auf die Entlassung von 35 Arbeitern des Teheraner Busbetriebes. Das Iranische Arbeitsministerium ordnete diese Entlassung von 35 der insgesamt 50 suspendierten Arbeiter der Gesellschaft an. Diese Arbeiter waren wegen ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten seit mehr als einem Jahr ohne Bezahlung suspendiert.

Einer der Verantwortlichen des „Hauses der Arbeiter“, Esmail Haghparasti, hat in einem Gespräch mit dem Journalisten der regierungstreuen Agentur für Arbeitsnachrichten ILNA am 9. Februar 2007 erklärt: „Arbeit und Wirtschaft sind in der Krise, und es ist eine sehr schlechte Situation für die Arbeitskräfte des Landes entstanden, die nur mit Gottes Hilfe zu überwinden ist.“ Er fügte noch hinzu, dass Firmen und Fabriken des Landes infolge der katastrophalen und zerstörerischen Privatisierungen entweder geschlossen wurden oder sich mit 1001 Problemen auseinander zu setzen haben, die in unerfüllten Forderungen der ArbeiterInnen und uneingelösten Slogans der Verantwortlichen bestehen. Haghparasti hat weiter zu der Problematik in Teheran gesagt, dass die Provinz Teheran keine Ausnahme sei. Im Jahr 2006 seien aufgrund der Schließung mehrerer Fabriken Zehntausende von Arbeitern arbeitslos geworden. Auf eine Arbeitslosenrate von 25% in Teheran hinweisend fügte er hinzu, dass der stellvertretende Arbeitsminister die Zahl der Entlassenen aus den Fabriken im ersten Halbjahr auf 50 000 Personen beziffert hat. Nach Meinung von Haghparasti hat die Zahl der Arbeitslosen aufgrund der Schließungen von Fabriken und der Probleme der übrigen Fabriken eine steigende Tendenz zu verzeichnen.

Die jetzige Situation und die Perspektive

Diese miserable wirtschaftliche Situation betrifft sicher auch noch andere gesellschaftliche Gruppen bzw. die Mehrzahl der Menschen des Landes. Die Menschen befanden sich in dieser Situation, als Ahmadi-Nejad mit populistischen Slogans und dank der Auseinandersetzungen innerhalb der Obrigkeit zum Präsidenten gewählt wurde. Er hat den Menschen einen guten Lebensstandard versprochen. Aber in seiner Amtszeit leiden die Menschen unter den katastrophalen Lebensbedingungen trotz der Zunahme der Öleinnahmen. Jeder Widerstand und jeder Protest wird auf das Schärfste unterdrückt und bestraft.

Die ArbeiteraktivistInnen sind vermehrt von Verfolgung und Verhaftung bedroht. Denn der Staat und die Arbeitgeber dulden keine freien Arbeiterorgan
isationen. Trotzdem sind sich die ArbeiteraktivistInnen als Teil der sozialen und der Klassenbewegungen dessen bewusst, dass die Selbstorganisierung der wichtigste Baustein zur Mobilisierung der sozialen Proteste für die elementaren Rechte ist.

Mit der Organisierung kann man das Gleichgewicht der Kräfte zum Vorteil der Arbeiterfront gegenüber dem Kapital verändern. Es ist ein schwerer Weg, aber es gibt kein Entrinnen. Aus diesem Grund steht die Aufgabe der Reorganisierung der Gewerkschaftsarbeit auf der Tagesordnung der ArbeiteraktivistInnen. Es ist eine Bewegung, die über die Erfahrung einiger Generationen verfügt. In der letzten Zeit hat die internationale Unterstützung diese Bewegung gestärkt und das Bewusstsein der ArbeiterInnen gesteigert.

In vielen anderen Ländern im Exil lebende IranerInnen setzen sich gemeinsam mit linken, sozialistischen und anderen Strömungen für die Organisierung dieser Bewegung ein. In Solidarität mit der iranischen Arbeiterbewegung arbeiten sie in den Solidaritätsgruppierungen und Komitees mit. Die zentrale Aufgabe dieser Organe besteht in der Unterstützung der Arbeiterkämpfe im Iran und der Vernetzung mit den ArbeiteraktivistInnen weltweit.

Auch in Deutschland gibt es jetzt in den Städten Berlin, Hannover, Hamburg und Köln solche Solidaritätskomitees, die aktiv arbeiten. Sie verbreiten einige Publikationen mit proletarischen Nachrichten. Diese Aktivitäten sind ein deutliches Zeichen dafür, dass wir es in unserem jetzigen Stadium mit einem qualitativen Fortschritt der Arbeiterbewegung im Iran zu tun haben – eine Entwicklung, die den erneuten aktiven Einsatz für die Organisierung der ArbeiterInnen im Iran wie in den anderen Ländern zu einer Lebensaufgabe gewandelt hat. Es muss definitiv möglich sein, mit einer antikapitalistischen Strategie, die alle ungerechten politischen und wirtschaftlichen Systeme ablehnt, dieses Ziel zu erreichen.

Die iranischen ArbeiteraktivistInnen begrüßen den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit sehr. Es ist auch klar, dass unsere Kampfbedingungen und Wege nicht überall die gleichen sind. Die Arbeiterbewegung ist aber eine internationale Bewegung. Die gemeinsamen Interessen der ArbeiterInnen weltweit schreiben uns allen vor, zur Verwirklichung einer internationalen Vereinigung unser Bestes zu versuchen. Das Niveau der unabhängigen Organisierung und des Kampfes der ArbeiterInnen der verschiedenen Branchen der Wirtschaft im Iran sowie der Verlauf des Klassenkampfes werden bestimmen, wie weit die Arbeit“geber“ und der Staat sich zurückziehen werden, und inwiefern die Forderungen der ArbeiterInnen im Iran verwirklicht werden können. Daraus werden sich die Lage und die Rolle der Gewerkschaft der Busbetreibergesellschaft in Teheran und Umgebung ergeben, und davon wird ihre Zukunft bestimmt werden.

 

1 In diesem Zusammenhang muss man noch hinzufügen, dass der stellvertretende Minister für Soziales am 31. Januar d. J. offiziell zugegeben hat, dass vier Millionen Menschen im Iran hungern. Am 4. Februar 2007 haben die Nachrichtenquellen des Regimes über die Zunahme der Armut und darüber, dass mittlerweile 20 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben, berichtet

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