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Betrieb & Gewerkschaft

Internationale Demonstration gegen Neoliberalismus, Krieg und Rassismus

Von B.B. | 01.03.2005

Am 20. bis 23. März findet in Brüssel der nächste EU-Gipfel statt. Dort ziehen die Herrschenden eine Art Zwischenbilanz, wie weit die EU auf dem Weg zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsstandort” im Jahr 2010 ist.

Die Arbeitsmärkte sollen dereguliert, die staatliche soziale Sicherung abgebaut und die Öffentlichen Dienste privatisiert werden. Das Europäische Sozialforum (ESF) ruft für den 19. März in Brüssel zu einer zentralen Demonstration gegen Neoliberalismus, Krieg und Rassismus auf. Der Europäische Gewerkschaftsbund ist dem Aufruf gefolgt und unterstützt die Demonstration. Das ist positiv. Sich über alle Grenzen hinweg für die Rechte der Lohnabhängigen einzusetzen, ist aber für den Deutschen Gewerkschaftsbund nicht selbstverständlich. Im Alltag ist von internationaler Solidarität wenig zu sehen. Bei einem Streik wie bei Opel in Bochum, ist der europäische Gewerkschaftsbund eher ein Hindernis, um internationale Unterstützung für solche Kämpfe zu organisieren.

Sozialer Kapitalismus?

Schwach bleibt auch die Kritik an der Europäischen Union, die der DGB in seinem Aufruf übt. Die deutschen Gewerkschaften sind für die (kapitalistische) EU – nur sozial soll die Marktwirtschaft sein. Indirekt kritisiert der DGB, dass die europäischen Regierungen die EU nicht zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt gemacht haben – auf soziale Art versteht sich.
Noch schlechter sieht es mit der Mobilisierung aus. Da tut der DGB bisher wenig bis nichts. Dabei wäre die Demonstration in Brüssel eine gute Gelegenheit, die Stärke der Gewerkschaften zu beweisen und international für Mindesteinkommen und radikale Arbeitszeitverkürzung zu demonstrieren.
Wie weit die Gewerkschaften vor Ort nach Brüssel mobilisieren, hängt in erster Linie nicht von ihnen selbst, sondern von anderen ab. Können die Gewerkschaftslinke und die sozialistische Linke, die soziale und globalisierungskritische Bewegung noch Anfang März soviel Druck machen, dass die Gewerkschaftsbürokratie gezwungen wird, einen Teil ihrer Basis nach Brüssel zu bewegen? Hier gilt es örtlich auf die Gewerkschaften zuzugehen und mit ihnen Absprachen über Fahrtmöglichkeiten zu treffen. Vor allem aber müssen wir eigenständig die Lohnabhängigen ansprechen, denn über die Gewerkschaften werden sie den Aufruf des ESF nicht in die Hände bekommen (nicht einmal den der Gewerkschaften selbst)! Nicht zuletzt ist es von Interesse, dass deutsche GewerkschafterInnen erleben, wie das Auftreten der anderen Gewerkschaften in Europa ist, von denen einige auf der Straße demonstrieren wie hierzulande nur die Autonomen. Auf zum Endspurt, auf nach Brüssel!

Frankreich: Kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne

Über 500 000 Menschen beteiligten sich in 120 französischen Städten an den Demonstrationen, zu denen die Gewerkschaften für den 5. Februar aufgerufen hatten. Gemeinsam protestierten Beschäftigte aus privaten und öffentlichen Betrieben gegen Sozialabbau und Lohnsenkungen und für den Erhalt der 35h-Woche.

Regierung und Unternehmer glauben sich nach der Durchsetzung der Rentenreform im Frühjahr 2003 und infolge der Passivität der Gewerkschaftsführungen und Oppositionsparteien im Aufwind und versuchen die Schattenseiten der Aubry’schen Reform auszunutzen, indem sie den damals verordneten Lohnstopp verlängern, die Flexibilisierungsmaßnahmen ausdehnen und die Arbeitszeitverkürzung aufweichen wollen.. Länger arbeiten und weniger verdienen – so lautet die Losung im vereinten Europa. Unbeeindruckt von den Protesten verabschiedete die Regierungsmehrheit im Parlament dann den Gesetzesentwurf zur „Regulierung der Arbeitszeit“.
Daher müssen die Mobilisierungen weit über das bisherige Maß hinausgehen, sollen die neoliberalen Angriffe gestoppt und eine weitere Verschlechterung der Kräfteverhältnisse verhindert werden. Ansätze dazu sind durchaus vorhanden: Seit Tagen sind SchülerInnen im ganzen Land – vereint mit den LehrerInnen – im Streik, um gegen die Schulreform, die eine Vertiefung der ungleichen Bildungschancen und eine noch direktere Unterwerfung der Bildungsinhalte unter die Kapitalerfordernisse zum Ziel hat, zu protestieren. Die neoliberale EU-Verfassung stößt auf immer geringere Gegenliebe: Bereits weniger als 60% der Franzosen sind bereit, im bevorstehenden Referendum zuzustimmen. Die sinkende Tendenz unterstreicht eindrucksvoll das Votum der mitgliederstärksten Gewerkschaft CGT, deren Bundeskomitee mit großer Mehrheit die Kampagne gegen die EU-Verfassung unterstützt.
Das Zusammentreffen dieser breit verankerten Bewegung mit dem Kampf gegen Lohnraub und Arbeitszeitverlängerung, den Streiks an den Schulen und den übrigen Protesten (s. Avanti 2/05) könnte geeignet sein, die neoliberale Offensive zu stoppen und die Verhältnisse wieder zum Tanzen zu bringen.

MiWe

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