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Länder

International für bessere Arbeitsbedingungen

Von Trixi Blixer | 01.02.2006

Inzwischen wird auch in Deutschland bekannter, wie die EU mit ihrer Bolkestein-Richtlinie versucht, die Arbeitsbedingungen auf das schlechteste Niveau zu drücken.

Inzwischen wird auch in Deutschland bekannter, wie die EU mit ihrer Bolkestein-Richtlinie versucht, die Arbeitsbedingungen auf das schlechteste Niveau zu drücken.

Mit dem Ausbau der europäischen Institutionen und der Übertragung von staatlichen Regelungen an die EU, wie etwa die Harmonisierung des Binnenmarktes, ist die ArbeiterInnenbewegung zunehmend mit europaweiten Erlassen konfrontiert. Der neoliberale Angriff findet schon eine ganze Weile nicht mehr „nur“ nationalstaatlich statt, sondern wird jetzt durch die stärkere Gewichtung der EU zeitgleich in ganz West- und Mitteleuropa organisiert. Dabei macht sich diese kapitalistische Offensive gegen soziale und tarifpolitische Errungenschaften die unterschiedlichen Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen zu Nutze, um die abhängig Beschäftigten und die Erwerbslosen der Mitgliedsländer gegeneinander auszuspielen und am niedrigsten Niveau auszurichten.
Die bürgerliche Klasse in der EU war deutlich schneller als die Gewerkschaftsbewegung, sich über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus zu orientieren, während letztere erst jetzt zaghaft anerkennt, dass eine Gegenwehr europäisch organisiert werden muss. “Dies hatte zur Folge, daß die Tendenz zur europäischen Wirschaftintegration, wenigstens in ihrere ersten Phase, von einer ausgesprochenen Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu ungunsten der Unternehmer und zuungsten der Lohn- und Gehaltsempfänger begleitet war, eine Verschiebung, die auch innerhalb der Arbeiterbewegung selbst in den parallelen Prozessen der allmählichen Aufgabe der eigenen sozialistischen Ziele durch die Sozialdemokratie und der allmählichen Sozialdemokratisierung der kommunistischen Parteien Westeuropas ihren Niederschlag gefunden hat.“, so der Marxist Ernest Mandel.
Nationalismus gefördert
Richtig erkannte der BundesarbeiterInnenausschuss von ver.di, dass „die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie ein solcher Ansatz [ist], der dazu geeignet ist Zukunftsängste bei Menschen zu schüren, Fremdenfeindlichkeit [zu fördern] und einen bereits in vielen Ländern latent vorhandenen Nationalismus [zu stärken].“ Die Globalisierung des Kapitals und die international organisierte Ausbeutung erfahren die Lohnabhängigen meistens nicht in dieser abstrahierten Form. Sie machen bspw. für die Einführung von Dumping-Löhnen die amerikanische Firma verantwortlich oder für das Unterbieten um einen Arbeitsplatz die polnische Arbeiterin. Dieser sehr eingeschränkten Wahrnehmung kann nur durch eine internationale Orientierung der Gewerkschaften begegnet werden, analysierte Ernest Mandel 1968: „Nur dort, wo eine systematische Bewußtseinsbildung durch starke Massenorganisationen der Arbeiterbewegung im entgegengesetzten Sinne vor sich geht, kann Internationalismus breite Massen erfassen.“
Jedoch tappen die an der Sozialdemokratie ausgerichteten Gewerkschaften immer wieder in die Falle, als Kampf für die Erhaltung der Arbeitsbedingungen auch und in erster Linie den Standort schützen zu wollen. Durch den europäischen Integrationsprozess, wird hier zunehmend neben dem Standort Deutschland ebenfalls der Standort EU als Bezugspunkt gesehen. So verlautbarte Dietmar Schäfers, Vorstandsmitglied der IG BAU in einer gemeinsamen Erklärung zur Bolkesteinrichtlinie mit Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks, dass „für die europaweite freie Ausübung von Dienstleistungen die bestehenden Schikanen abgebaut werden [müssen und] bei der Neugestaltung der Richtlinie deshalb der beschränkungsfreie Zugang zu ausländischen Märkten im Mittelpunkt stehen [muss].“

Mit dieser Herangehensweise sollen die Privilegien der Lohnabhängigen in den reichen Industrieländern geschützt werden, ohne jedoch auf die internationale Konkurrenz einzugehen. Die abhängig Beschäftigten in der EU sind aber nicht nur untereinander in Konkurrenz um die niedrigsten Löhne gesetzt, sondern v.a. auch international. Das Gleiche gilt für die Beschäftigten in den unterentwickelt gehaltenen Ländern, die in den letzten zehn Jahren noch einmal eine massive Verschlechterung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen erleben mussten. Deshalb darf sich der Kampf um die sozialen und tariflichen Errungenschaften nicht auf die EU beschränken.
Internationale Orientierung
Zunehmend wird nun der europäischen Gewerkschaftsbewegung klar, welche zentrale Rolle die Auseinandersetzung mit der EU-Politik und v.a. die europaweiten Mobilisierungen spielen. Auch wenn sie bisher nur einen kleinen Teil der Aktionen der letzten Jahre ausmachen, sind Proteste wie vor kurzem der europäischen HafenarbeiterInnen oder der Dienstleistungsbeschäftigen richtungsweisend, mit welcher Breite Widerstand zukünftig organisiert werden muss. Dabei gilt es nicht nur, sich gegen die europäischen Bestimmungen zu organisieren, sondern auch Beschäftigte von global produzierenden Konzernen zum Kampf zu mobilisieren. Natürlich ist es wichtig, Forderungen konkret für die Situation hier zu stellen, aber diese müssen auch ihre Gültigkeit für die KollegInnen in den armen Ländern haben. Arbeitszeitverkürzung, Mindestlohn oder Arbeitsschutzgesetzte müssen überall erkämpft werden, nur so können sich die Beschäftigten gegen Lohndumping und existentielle Angriffe wehren!

Ernest Mandel, EWG und die Konkurrenz Auropa – Amerika, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 1968, S. 97
Ernest Mandel, ebda. S. 96
Otto Kentzler, (ZDH), und Dietmar Schäfers, (IG BAU) zur geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie, www.igbau.de/db/v2/inhalt.pl?e1=10&e2=94&did=3346&mode=detail&edit=0&persid=

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