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Venezuela

Imperialistische Einmischung in karitativem Gewand

Von Pedro Huarcaya | 07.03.2019

Am Samstag, den 23. Februar, kam es an den venezolanischen Grenzen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen zwei Menschen starben. Auf der einen Seite steht der selbsternannte Präsident Juan Guaidó, der von den USA und anderen Staaten wie Frankreich anerkannt wird und sich dafür einsetzt, die angeblichen „humanitären Hilfsgüter“ ins Land zu lassen. Auf der anderen Seite steht Nicolás Maduro, der rechtsgültige Präsident Venezuelas, der dies und die daraus resultierende Einmischung ablehnt.

Diese „Hilfe“ dient eher der Propaganda als der tatsächlichen Beendigung der Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit der Venezolaner*innen. Mit etwa 100 Millionen Dollar, also drei Dollar pro Einwohner*in, liegt diese Pseudohilfe viel niedriger als die staatlich geförderten Lebensmittellieferungen an die Bevölkerung (über die CLAP), die die Regierung unregelmäßig und an diejenigen, die zu ihrer Klientel gehören, verteilen lässt.

Die Heuchelei der USA

Diese Pseudohilfe zeugt vor allem von der abgrundtiefen Heuchelei der USA, die zur gleichen Zeit Venezuela mit beispiellosen Einmischungsmaßnahmen finanziell auszubluten versuchen. Trotz ihrer antiimperialistischen Rhetorik hatten Hugo Chávez und dann Nicolás Maduro die Handelsbeziehungen zu den USA nie unterbrochen, und bis vor wenigen Wochen waren diese Venezuelas wichtigster Lieferant und Abnehmer zugleich. Die Trump-Administration beschloss Ende Januar, die Konten von CITGO einzufrieren; CITGO ist ein venezolanisches Unternehmen mit Tausenden von Tankstellen und mehreren Raffinerien in den USA, es war die wichtigste Liquiditätsquelle Venezuelas. Inzwischen geht die Trump-Regierung noch einen Schritt weiter in ihrer Niedertracht und setzt Indien unter Druck, weil es Venezuela ersatzweise dieses Öl abnimmt. Allein diese Zwangsmaßnahme kostet den venezolanischen Staat Milliarden Dollar und damit das –Zigfache von den „karitativen Hilfsaktionen“.

Maduros Anteil an der Misere

Dies entschuldigt nicht, dass Nicolás Maduro die Hauptverantwortung für die tragische Wirtschaftskrise im Land trägt. Indem er die Manipulation des Wechselkurssystems durch die großen multinationalen Konzerne und seine Kumpane von der Bolibourgeoisie tolerierte, trug er zum Zusammenbruch der venezolanischen Währung und damit zu der Krise der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten bei. Noch erbärmlicher ist der Zynismus, mit dem er die Verzweiflung der venezolanischen Bevölkerung hartnäckig leugnet; 10 % von ihr sind ins Ausland geflohen, um dort menschenwürdigere Lebensbedingungen zu finden.

Der ganze Medienrummel dient nur dem Anliegen von Juan Guaidó und Donald Trump, die Armee gegen Nicolás Maduro aufzubringen. Indem sie eine pseudohumanitäre „Hilfslieferung“ an die venezolanische Grenze bringen, erhöhen sie den Druck auf die Armee: Entweder verweigert diese die Einreise der US-amerikanischen Konvois und steht damit in den Augen der notleidenden Bevölkerung genauso unter dem medialen und politischen Druck (auch wenn es sich dabei nur um einen Tropfen auf den heißen Stein handelt) oder sie akzeptiert diese Lieferungen und stellt sich damit offen gegen Nicolás Maduro, worauf Guaidó und alle westlichen Regierungen seit einem Monat spekulieren.

 

Den Menschen ihre Stimme zurückgeben

Beide Seiten setzen gleichermaßen auf die Streitkräfte, was die Zukunft des Landes angeht, und beide zwängen den Venezolaner*innen immer schrecklichere Lebensbedingungen auf – die einen, indem sie dem Land seine knappen Liquiditätsquellen entziehen, die anderen, indem sie sich als unfähig erweisen, nach sechs Jahren Rezession und über einem Jahr Hyperinflation den Mangel und den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes zu beenden. Der einzige Ausweg aus der Misere besteht darin, dem Volk seine Stimme zurückzugeben und allgemeine, freie und transparente Wahlen abzuhalten, die weder von der (derzeitigen) Mehrheit gegen die Opposition noch von der Opposition gegen diese Mehrheit organisiert werden. Nur ein Schuldenerlass und die Erstattung der Milliarden, die dem venezolanischen Staat durch die Manipulation des Wechselkurssystems gestohlen wurden, können den Venezolaner*innen die nötige Luft verschaffen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Die ganzen Beschwörungen von Maduro wären glaubwürdiger, wenn er sich dafür stark machen würde, anstatt die Website unserer Genoss*innen von Aporrea[i] zu zensieren, denen wir hier unsere volle Unterstützung aussprechen.

Pedro Huarcaya

Quelle: „Au Venezuela, un bras de fer ,humanitaire‘ sur le dos de la population“ (27. Februar 2019), https://npa2009.org/actualite/international/au-venezuela-un-bras-de-fer-humanitaire-sur-le-dos-de-la-population

Übersetzung: MiWe

[i] https://www.aporrea.org/
Die im Mai 2002 unmittelbar nach dem gescheiterten Staatsstreichversuch gegründete Website Aporrea.org verstand sich ursprünglich als Mittel, um den vorherrschenden Privatmedien Informationen, Reportagen, Interviews, Diskussionsbeiträge in der Perspektive der bolivarischen Revolution und des Sozialismus des 21. Jahrhunderts entgegenzusetzen. Die nur noch selten ausgeschriebene Kurzform stand ursprünglich für „Asamblea Popular Revolucionaria Americana“.
Auf Aporrea konnte im Februar 2019 einige Tage lang nicht zugegriffen werden, weil die staatliche Firma, die den Server betreibt, der Redaktion mit formellen Vorwänden den Betrieb verweigern wollte (red. Anm.).

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