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Betrieb & Gewerkschaft

Hungerlohn für Azubis

Von Karl Lindt | 29.09.2005

Im August fehlten 294500 betriebliche Ausbildungsplätze, 43600 mehr als im Vorjahresmonat. Funktioniert denn dieser ominöse Pakt von Regierung und Wirtschaft vielleicht doch nicht so ganz?

Im August fehlten 294500 betriebliche Ausbildungsplätze, 43600 mehr als im Vorjahresmonat. Funktioniert denn dieser ominöse Pakt von Regierung und Wirtschaft vielleicht doch nicht so ganz?

Aber nein, die Auszubildenden sind selber Schuld an der Lehrstellenmisere! Die Ausbildungsvergütungen sind einfach zu hoch, so der Präsident der Deutschen Industrie und Handelskammer, Ludwig Georg Braun.

Herr Braun fordert deshalb “eine bundesweite Basisvergütung von 270 Euro” und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten für Jugendliche. Auch müsse der “Übernahmezwang” für Jugendliche, die sich in der Auszubildendenvertretung (JAV) engagieren, abgeschafft werden. Doch welche Ziele verfolgt der DIHK-Präsident mit seinen Forderungen? Den Betrieben sollen “Auszubildende” als flexibel einsetzbare 1-Eurojobber zur Verfügung stehen. Wie Auszubildende von 270 Euro im Monat Fahrkosten, Essen, Lernmaterial und eine eigene Wohnung bezahlen sollen, bleibt das Geheimnis von Ludwig Georg Braun. Nur mal zum Vergleich: Die “Grundsicherung für Arbeitssuchende” (ALG II) beträgt im Regelsatz mindestens 331 Euro (Ost), bzw. 345 Euro (West) plus Miete. Azubis die in der Jugendvertretung oder der Gewerkschaft sich für ihre Interessen und die ihrer KollegInnen engagieren, können bei Abschaffung der Übernahmepflicht leicht eingeschüchtert werden. Wer macht noch seinen Mund auf gegenüber dem Chef, wenn er/sie damit seine/ihre Übernahme riskiert? Dürfen wir bald Geld dafür bezahlen, dass die Unternehmen uns beschäftigen, Herr Braun?

Dass für viele Azubis die Ausbildung nun wirklich kein Zuckerschlecken ist, zeigen unzählige Beispiele im “Schwarzbuch Ausbildung” vom DGB. Da müssen Azubis schon mal für den Chef den Hund ausführen oder Babysitten, 70 Stunden in der Woche arbeiten ohne Mehrverdienst, oder gar Mobbing, sexuelle Belästigung und körperliche Gewalt über sich ergehen lassen. Übrigens: Die Qualität der Ausbildung wird in Deutschland sogar kontrolliert von den Kammern. Deren Präsident ist unser aller Freund … Ludwig Georg Braun.

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