TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

Hinter den Entlassungen steht das Kapital

Von Trixi Blixer | 29.10.2005

Die aktuelle Entlassungswelle der Großkonzerne ist ein Resultat der Profitlogik, der der Kapitalismus folgt. Da Profite und die Erwirtschaftung von Kapital zentraler Inhalt der kapitalistischen Wirtschaftsweise sind, werden wellenweise immer wieder lohnabhängig Beschäftigte entlassen.

Die aktuelle Entlassungswelle der Großkonzerne ist ein Resultat der Profitlogik, der der Kapitalismus folgt. Da Profite und die Erwirtschaftung von Kapital zentraler Inhalt der kapitalistischen Wirtschaftsweise sind, werden wellenweise immer wieder lohnabhängig Beschäftigte entlassen.

Für den oder die einzelne ArbeiterIn bedeutet eine Entlassung immer eine Katastrophe. In der Regel besitzt niemand genügend Reichtum, um auch ohne Arbeit leben zu können. Vor allem seit der Einführung des Arbeitslosengelds II bedeutet Erwerbslosigkeit ein Leben am Existenzminimum. Millionen Menschen der ArbeiterInnenklasse in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt sind durch zeitweilige Arbeitslosigkeit nicht in der Lage, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, d.h. durch lohnabhängige Beschäftigung ihre Existenz zu sichern.

Die große, millionenfache Erwerbslosigkeit ist nicht nur ein Zeichen der Krisenanfälligkeit des Kapitalismus, sondern auch ein notwendiges Mittel, um die Noch-Beschäftigten zu erpressen. Die aktuellen (angekündigten) Massenentlassungen bei Unternehmen wie DaimlerChrysler, AEG oder Siemens erfüllen vor allem einen Zweck: die Beschäftigten an den verschiedenen Standorten sollen sich gegenseitig mit niedrigen Löhnen und langen Wochenarbeitszeiten unterbieten und so für die Großkonzerne die besten Konkurrenzchancen auf dem Weltmarkt erreichen. Diese Situation ist keine neue Erfindung der UnternehmerInnen, sondern ein ureigenes Gesetzt der kapitalistischen Wirtschaftsweise selbst.
Mehrwert nach Marx
Das Kapital zeichnet sich durch die Eigenschaft aus, eine Wertsumme in die Waren- und Produktionszirkulation zu investieren, um am Ende wieder eine größere Wertsumme aus ihr herauszuziehen. Karl Marx nennt die Formel dafür G – W – G´, also Geld – Ware – (mehr) Geld. „Der Prozeß, der diese größere Wertsumme erzeugt, ist die kapitalistische Produktion; der Prozeß, der sie realisiert, ist die Zirkulation des Kapitals. Der Kapitalist produziert die Ware nicht ihrer selbst wegen, nicht ihres Gebrauchswerts oder seiner persönlichen Konsumtion wegen. Das Produkt, um das es sich in der Tat für den Kapitalisten handelt, ist nicht das handgreifliche Produkt selbst, sondern der Wertüberschuß des Produkts über den Wert des in ihm konsumierten Kapitals.”1  Das klingt komplizierter als es ist. Entscheidend ist nach Marx nicht die Herstellung von Konsumgütern (Gebrauchswerten) für die Menschen, sondern die entstehende Wertsumme, die wiederum in Umlauf gebracht und vermehrt werden kann. Die Wertsumme kann der/die UnternehmerIn nur erhöhen, indem er lebendige Arbeit ausbeutet (bei Marx: exploitiert). Er stellt das sog. konstante Kapital, also Maschinen, Räume oder Kommunikationsmittel, zu Verfügung. Aber erst durch die Arbeit der Beschäftigten, kann mit diesen toten Gegenständen ein neuer Wert geschaffen werden. Klar ist, dass also der/die UnternehmerIn bzw. die Manager ein Interesse daran haben, dass die Beschäftigten möglichst viele Werte produzieren, ohne dabei selber zuviel von dieser Wertsumme zu bekommen. Schließlich bekommen die ArbeiterInnen und Angestellten nirgendwo auf der Welt die von ihnen produzierten Warenwerte voll mit ihrem Lohn ausbezahlt, auch wenn „der in der Ware enthaltene Wert gleich der Arbeitszeit [ist], die ihre Herstellung kostet, und die Summe dieser Arbeit besteht aus bezahlter und unbezahlter.”2

Den Unterschied zwischen dem, was die Beschäftigten in Form des Lohns ausgezahlt bekommen und den tatsächlich produzierten Werten nennt Marx den “Mehrwert”, den sich die Eigentümer bzw. Aktiengesellschaften aneignen.  “Wenn z.B. die notwendige Arbeit zur Produktion des Arbeitslohns 6 Stunden täglich beträgt, muß der Arbeiter 12 Stunden arbeiten, um 6 Stunden Mehrarbeit zu tun, um einen Mehrwert von 100% zu erzeugen.”3
Mehrwert und Entlassungen
„Was hat das alles mit uns zu tun?” könnte eine berechtigte Frage sein. Schließlich sind die Profite der Unternehmen gut. Siemens weiß gar nicht wohin mit seinem Geld und auch DaimlerChrysler macht Rekordprofite. Aber genau der „Heißhunger nach Mehrwert” lässt die UnternehmerInnen alles versuchen, um das Verhältnis zwischen dem, was die Beschäftigten bekommen, und dem, was sie sich aneignen können, zu ihren Gunsten zu verändern. Schon seit Marx den Kapitalismus analysierte ist klar, dass der Arbeitstag keine feste Größe darstellt. Er drückt das Kräfteverhältnis zwischen der ArbeiterInnenklasse und der herrschenden Klasse aus. Seit dem Zusammenbruch der Staaten des Warschauer Vertrages ist die ArbeiterInnenklasse in eine defensive Situation gekommen. Der Neoliberalismus als eine brutale und repressive Ausgestaltung des Kapitalismus ist zu vorherrschenden Ideologie geworden. Teil dieser Ideologie ist das Zurückerobern erkämpfter Errungenschaften für die kapitalistische Klasse. Zu den Errungenschaften in Deutschland gehört beispielsweise die begonnene Arbeitszeitverkürzung in der Metallindustrie auf 35 Stunden. Die Länge das Arbeitstages ist jedoch, wie o.g. nicht per se festgelegt. Die Offensive des Kapitals drückt sich in den andauernden Versuchen aus, die Arbeitszeiten zu verlängern. Damit wird nicht nur der Anteil des Mehrwertes, der erwirtschaftet wird, erhöht, sondern gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, Menschen zu entlassen. Schließlich können bei erhöhter Arbeitszeit weniger Beschäftigte die gleiche Arbeit verrichten und der Anteil des Mehrwertes für die UnternehmerInnen steigt.
Schon allein deshalb ist die Zustimmung von Gewerkschaften oder Betriebsräten zu Arbeitszeitverlängerungen fatal, da sie genau den Prozess der Arbeitsverdichtung und -verländerung unterstützt.

Krisen
Natürlich bestimmt nicht nur der Mehrwert selbst die Anzahl der Beschäftigten in einem Betrieb oder Büro, sondern auch die Lage auf dem Weltmarkt. Überproduktion in einem Sektor kann zu Krisen führen und zu Massenentlassungen. Genauso wie Monopole zu tendenziell weniger Beschäftigten führen. Massenentlassungen sind jedoch für den Kapitalismus kein Problem, schließlich erhöht Erwerbslosigkeit den Druck auf die Beschäftigten! Marx und Engels nennen diese Funktion der Arbeitslosigkeit die „industrielle Reservearmee”. Durch Millionen Arbeitslose in Deutschland können ganze Belegschaften mit der Gefahr der Entlassung erpresst werden. Genauso ist es bei AEG in Nürnberg oder bei Daimler in Stuttgart geschehen.
Fazit
In den derzeitigen Entlassungswellen drückt sich ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit aus, dem auch nur mit einer gesellschaftlichen Antwort begegnet werden kann. Es geht dabei auf der einen Seite darum, jeden Arbeitsplatz in einem Arbeitskampf zu retten, schließlich stehen hinter dem Verhältnis einzelne Menschen. Auf der anderen Seit
e müssen Alternativen diskutiert und fassbar gemacht werden, um tatsächlich einen grundsätzlichen Systemwechsel zu erreichen.

1     Karl Marx, Das Kapital Bd. III, MEW Band 25,  S. 51, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983
2     Karl Marx, ebd., S. 52
3     Karl Marx ebda., S. S.56

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite