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Länder

Heiliger Hass

Von Harry Tuttle | 01.12.2005

Mit antisemitischer Hetze will der iranische Präsident die Bevölkerung mobilisieren und dem Ausland Stärke demonstrieren.

Mit antisemitischer Hetze will der iranische Präsident die Bevölkerung mobilisieren und dem Ausland Stärke demonstrieren.

Man war unter sich. Zur Konferenz „Eine Welt ohne Zionismus“ waren Ende Oktober neben regimetreuen iranischen Studenten Verbündete der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hizbollah sowie andere Islamisten nach Teheran eingeladen worden. Die Botschaft aber wurde gezielt in der ganzen Welt verbreitet.

Nachdem der iranische Präsident Mahmoud Ahmedinejad die Zuhörer darüber belehrt hatte, dass sie „die Parole ‚Tod Israel‘ richtig und vollständig ausrufen“ sollten, verkündete er: „Wir müssen uns die Niedrigkeit unseres Feindes bewusst machen, damit sich unser heiliger Hass wie eine Welle immer weiter ausbreitet.“ Das Ziel dieses Hasses ist Israel, das „von der Landkarte gefegt“ werden müsse. Dies sei ein „erreichbares Ziel“ im Kampf gegen die „Welt der Arroganz“.
„Feuer der islamischen Gemeinschaft“
Hinter diesem Begriff verbirgt sich die „jüdische Weltverschwörung“, deren Wirken Ali Khamenei, der religiöse Führer und eigentliche Staatschef des Iran, so beschrieb: „Es ist eine Schande für die ganze Menschheit, dass manche Staaten so stark unter dem Einfluss der Zionisten stehen.“ Ahmedinejad drohte aber auch anderen islamischen Staaten: „Wenn jemand unter dem Druck der Hegemonialmächte etwas falsch versteht, oder wenn er aus Naivität, Egoismus oder Hedonismus dazu kommt, das zionistische Regime anzuerkennen, sollte er wissen, dass er im Feuer der islamischen Gemeinschaft verbrennen wird.“

Antisemitische Äußerungen iranischer Geistlicher und Politiker sind keine Seltenheit, normalerweise werden sie jedoch Propagandisten aus der zweiten Reihe überlassen. Beunruhigend ist nicht nur die Dreistigkeit Ahmedinejads, der selbst minimale diplomatische Zurückhaltung für überflüssig hält, sondern auch die Tatsache, dass das Regime in der Lage ist, mehrere hunderttausend Menschen mit der Parole „Tod Israel“ zu Demonstrationen zu mobilisieren.

Zudem könnte das Regime schon in einigen Jahren über eine besondere Möglichkeit verfügen, das „Feuer der islamischen Gemeinschaft“ zu entfachen. Zielstrebig arbeiten die Techniker der Ayatollahs an einem militärischen Atomprogramm und der Entwicklung weit reichender Raketen.

Offenbar hielt Ahmedinejad die Gelegenheit für günstig, durch die Provokation eines diplomatischen Eklats Stärke zu demonstrieren. Der stark angeschlagene US-Präsident George W. Bush kann sich einen weiteren Krieg weder politisch noch finanziell leisten, Russland, China und die EU wollen die Kritik am iranischen Regime nicht so weit treiben, dass es die Wirtschaftsbeziehungen stören würde. „Bei einem Wirtschaftsembargo würde für deutsche Unternehmen der wichtigste Markt im Mittleren und Nahen Osten wegbrechen“, war die Reaktion Jochen Clausnitzers von der Deutschen Industrie- und Handelskammer auf die antisemitischen Äußerungen Ahmadinejads.
Der „Dritte Weg“ der Diktatur
Die auf Ayatollah Khomeini zurückgehende iranische Staatsdoktrin propagiert einen „Dritten Weg“ jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. In der Praxis ist die „Islamische Republik“ eine rechtsextreme kapitalistische Diktatur. Die Staatsführung obliegt gemäß der Verfassung der Geistlichkeit, deren Institutionen alle Entscheidungen des Parlaments und der Regierung genehmigen müssen. Immer größeres Gewicht gewinnt jedoch der Militär- und Repressionsapparat, dessen Repräsentant Ahmedinejad ist, ein ehemaliges Mitglied der paramilitärischen „Revolutionsgarden“.

Der Geistliche Haschemi Rafsanjani, der bei den Präsidentschaftswahlen im Juni gegen Ahmedinejad unterlag, kritisierte den aggressiven Stil, nicht allerdings den antisemitischen Inhalt der Äußerungen des Präsidenten. Auch das Außenministerium versuchte zu beschwichtigen. Möglicherweise wollte sich Ahmedinejad auch im innenpolitischen Machtkampf profilieren, die Strategie „zwei Schritte vor, einen zurück“ gehört allerdings auch im Streit um das Atomprogramm zum Repertoire der iranischen Diplomatie.
Widerstand im „Gottesstaat“
Einig sind sich die Ayatollahs und ihr politisches Personal über die Notwendigkeit, die Bevölkerung durch intensive ideologische Propaganda bei der Stange zu halten. Denn die Unzufriedenheit in der „Islamischen Republik“ ist groß. Armut, Arbeitslosigkeit, Repression und alltäglicher Tugendterror führen immer wieder zu Protesten und Aufständen. Obwohl unabhängige Gewerkschaften verboten sind, kommt es immer wieder zu Streiks. Im Oktober legten unter anderem die Arbeiter einer Textilfabrik in Sanandaj und 1600 Werftarbeiter in Bandar Abbas die Arbeit nieder. Meist allerdings sind die Forderungen defensiv, es geht um die Nichtauszahlung von Löhnen und Schikanen des Managements.

Doch auch die soziale Basis des Regimes sollte nicht unterschätzt werden. Vor allem bei vielen Armen, die im informellen Sektor tätig sind, und beim Kleinbürgertum stoßen die Parolen des Regimes auf Zuspruch. Ihnen verdankt Ahmedinejad seinen Wahlsieg, und sie will er offenbar mit nationalreligiöser und antisemitischer Propaganda an sich binden.
Ökonomisch gestärkt durch den hohen Ölpreis geht das iranische Regime innen- und außenpolitisch in die Offensive. Ungeachtet der verlogenen westlichen Politik, die ihre eigenes Arsenal entgegen den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags behalten will, wäre die Atombombe in der Hand der Ayatollahs eine tödliche Gefahr für die Bevölkerung Israels, aber auch aller anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens.

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