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Innenpolitik

Hanseatischer Krankenhaus Coup

Von Korrespondent Hamburg | 01.10.2006

1995 hatte Hamburg 10 Krankenhäuser mit 15 000 Beschäftigte. Übrig geblieben sind davon 7 Krankenhäuser und etwas mehr als 11 000 Beschäftigte. Im Mai 1995 wurden zu Zeiten einer SPD geführten Stadtregierung die Krankenhäuser Hamburgs in den „Landesbetrieb Krankenhäuser“ (LBK) ausgegliedert, aber das Unternehmen blieb (noch) im Eigentum der Stadt.

1995 hatte Hamburg 10 Krankenhäuser mit 15 000 Beschäftigte. Übrig geblieben sind davon 7 Krankenhäuser und etwas mehr als 11 000 Beschäftigte.

Im Mai 1995 wurden zu Zeiten einer SPD geführten Stadtregierung die Krankenhäuser Hamburgs in den „Landesbetrieb Krankenhäuser“ (LBK) ausgegliedert, aber das Unternehmen blieb (noch) im Eigentum der Stadt. In Kooperation mit der ÖTV – später Ver.di – und dem Gesamtpersonalrat wurde kräftig rationalisiert. Als SPD und Grüne als Regierungsparteien in Hamburg abtreten mussten, gab es noch 12.500 Beschäftigte im LBK und das Hafenkrankenhaus war gegen den Protest der Anwohner und Beschäftigten geschlossen worden.
Haltung der Gewerkschaft
Die Rolle der Gewerkschaft und des Gesamtpersonalrats war die ganze Zeit gewesen, die Beschäftigten ruhig zu halten und ihnen zu erklären, das Ganze geschehe um den LBK wettbewerbsfähig zu machen, was die Voraussetzung für die Sicherheit der Arbeitsplätze und den Verbleib im Öffentlichen Dienst sei. Was dabei auch geschah: Der gewerkschaftliche Organisationsgrad sank auf ungeahnte Tiefen, Betriebsgruppen schliefen ein, und Konkurrenzorganisationen, wie der ärztliche Ständeverein „Marburger Bund“ bekamen langsam aber sicher Oberwasser.

Als der Senat von der rechtspopulistischen Schill-Partei PRO und der CDU übernommen wurde, änderte sich das Klima im Verhältnis zur Gewerkschaft und zur betrieblichen Interessenvertretung. Denen fiel zunächst nichts anderes ein, als persönlich gekränkt zu reagieren und weiterhin ihre „Mitbestimmungskultur“ denen anzudienen, die daran gar kein Interesse hatten.
Da der LBK nun wettbewerbsfähig geworden war – auch dank ÖTV / Ver.di – tat der neue Senat das Logischste aus seiner Sicht: Er plante den Verkauf der öffentlichen Kliniken. Natürlich unter dem leicht zu durchschauenden Vorwand, der LBK sei angeblich in einer wirtschaftlichen Krise.
… zaghafter Widerstand
Endlich besann man sich bei den Gewerkschaften auf alte Tugenden: Man versuchte es mit der Mobilisierung, die man zuvor jahrelang gescheut hatte wie der Teufel das Weihwasser. Und es klappte erstaunlich gut. Trotz der vorherigen Demobilisierungswut gelang es, die LBK-Beschäftigten zu einem Kraftakt zu bewegen, dessen Resultat eine erzwungene Volksabstimmung war. Die halbherzige Forderung war, die Stadt solle die Mehrheitsanteile an ihren Krankenhäusern behalten. Mit anderen Worten: Eine Privatisierung sollte gar nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Dem Volk auf’s Maul gehauen
Gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl am 29. Februar 2004 gab es die Volksabstimmung mit einer überwältigenden Mehrheit von ca. 77 % der abgegebenen Stimmen für die Forderung der Volks­initiative. Im Vertrauen auf bürgerliches Recht und die Gerichte klappte Ver.di wieder zusammen: Die Mobilisierungen wurden nicht weitergeführt. Der Senat legte der Bürgerschaft ein Gesetz vor, das den Verkauf von 74,9 % der Anteile vorsieht. Die Bürgerschaft verabschiedete wunschgemäß und das Hamburgische Verfassungsgericht sprach wunschgemäß Recht.
Noch lange nicht Schluss
Zurzeit gehören 49,5% der Anteile der Asklepios GmbH, im Januar 2007 wird Asklepios Mehrheitseigentümerin der ehemals öffentlichen Krankenhäuser sein. Jetzt schon holzt die Noch-Minderheitseigentümerin in Tarifverträgen herum. Das erste Mal seit Menschengedenken kam es in den Hamburger Krankenhäusern zu Warnstreiks. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad steigt dabei wieder.

Allerdings spielt sich hier ein nahezu unbeachteter Arbeitskampf ab. Das hat auch damit zu tun, dass wegen eines Stillhalteabkommens bis Ende September 2006 nur Warnstreiks geführt werden. Vor allen Dingen ist es der Gegenseite aber gelungen, diese Tarifbewegung von allen anderen abzukoppeln. Wie sie ausgehen wird ist daher völlig ungewiss. Nur eines ist klar: Die Privatisierung zwingt die Beschäftigten auch unter schwierigen Bedingungen um Tarifverträge und Arbeitsbedingungen ernsthaft zu kämpfen. Gelingen kann das nur, wenn in der Gewerkschaft der in der Hansestadt jahrzehntelang geübte Kooperationskurs gründlich verlernt wird.

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