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Innenpolitik

„Gesundheitsreform 2006“ – Untauglicher Versuch am untauglichen Objekt

Von Thadeus Pato | 01.10.2006

In allen Gazetten der BRD wird sie verkündet, kommentiert, glossiert, verurteilt, sabotiert, bekämpft, verteidigt: die sogenannte Gesundheitsreform 2006. Und die einzige Frage, die gestellt wird, ist die, ob nun die SPD oder die CDU bei dem Streit gewonnen hätten. Der Trick bei diesem Medienrummel ist: Das ist eigentlich nicht die Frage.

In allen Gazetten der BRD wird sie verkündet, kommentiert, glossiert, verurteilt, sabotiert, bekämpft, verteidigt: die sogenannte Gesundheitsreform 2006. Und die einzige Frage, die gestellt wird, ist die, ob nun die SPD oder die CDU bei dem Streit gewonnen hätten. Der Trick bei diesem Medienrummel ist: Das ist eigentlich nicht die Frage.

Denn, dass die vorgelegten Eckpunkte für die wirklichen Probleme des Krankenversorgungssystems keine Lösung bieten, darüber sind sich alle Beteiligten einig, auch wenn sie es nicht laut sagen. Der Herr Rürup vom Sachverständigenrat, der dafür Geld bekommt, um der Regierungspolitik einen seriösen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, hat in einem Spiegel-Interview allerdings die Katze aus dem Sack gelassen. Das geplante Gesetz sei eigentlich eines, das keiner der beiden Koalitionspartner so wolle. Beide wollten etwas anderes, aber da sie sich nicht einigen könnten, habe man nun eine Regelung getroffen, die erstens bis zum Ende der Legislaturperiode erstmal die ärgsten Finanznöte der Kassen beseitigen solle und zweitens sowohl SPD wie CDU die Möglichkeit offenlasse, nach der nächsten Wahl dann die jeweils bevorzugte Variante (Kopfpauschale bei der CDU, sogenannte Bürgerversicherung bei der SPD) einzuführen. Bis dahin wird auf Halten gespielt.

So weit, so schlecht. Was den derzeitigen Stand betrifft, so kann man also konstatieren, dass es zunächst nur darum geht, mit einigen administrativen Maßnahmen die Kassendefizite so zu reduzieren, dass bis zur nächsten Wahl das leidige Thema vom Tisch ist. Deshalb der sogenannte Gesundheitsfonds, der in erster Linie Verwaltungskosten spart und gleichzeitig Grundlage sowohl für eine spätere Kopfpauschalenfinanzierung wie eine „Bürgerversicherung“ à la SPD sein kann. Die restlichen Punkte, wie die Medikamentenliste, sind Notbehelfe, um den Kassen für ein paar Jahre etwas Luft zu schaffen.

Nach 2009 allerdings (oder auch schon früher, sollte die Koalition platzen) wird es dann richtig zur Sache gehen. Denn ein langfristiges Konzept steckt hinter dem Gezerre um die sogenannten Eckpunkte bei keiner der Parteien und es ist jedem klar, dass das nächste Kassendefizit bereits vorprogrammiert ist.
Die eigentliche Frage
Und da wären wir bei der Frage, die eigentlich zu stellen wäre, aber keiner stellt, nämlich, in welche Richtung das ganze System geht. Eigentlich ist die Sachlage recht einfach und es ist deshalb auch nicht davon auszugehen, dass unsere Regierungspolitiker das nicht wissen und als ahnungslose Engel agieren. Die Finanznot des Solidarsystems beruht auf drei Hauptursachen: Zum einen auf der Arbeitslosigkeit und dem Lohndumping, die beide die Einnahmeseite aushöhlen. Zum zweiten auf der Gefräßigkeit der sogenannten Leistungsanbieter, die sich unter anderem in den exorbitanten Gewinnen der Pharma- und Geräteindustrie niederschlägt. Und zum dritten – mit letzterer zusammenhängend – auf der Schwerpunktsetzung auf Behandlung statt Vorsorge – denn an letzterem kann man nicht so schön verdienen.

Und da die herrschenden Parteien offensichtlich nicht gedenken, an diesen Punkten anzusetzen, wird der nächste Schritt sein, die Solidarversicherung noch weiter abzubauen. Einen Schritt in diese Richtung tut auch die neue „Reform“ bereits und zwar im Einvernehmen von CDU und SPD. Die Kassen bekommen nämlich aus dem Gesundheitsfonds feste Beträge für ihre Versicherten, wobei ein Risikostrukturausgleich eingerechnet ist. Brauchen sie aber mehr, dann müssen sie von ihren Versicherten einen Aufschlag kassieren. Das ist der erste kleine, aber nichtsdestotrotz höchst wichtige Schritt in die Richtung, im Endeffekt zu einem Splitting zwischen „Basisversorgung“ und „Zusatzleistungen“ zu kommen. Und natürlich die sogenannten Lohnnebenkosten zu entlasten, denn davon, dass von dieser möglichen Zusatzzahlung der Arbeitgeber die Hälfte übernehmen müsste, ist nirgends etwas zu lesen.
Und die anderen
Dass die Kassenfürsten opponieren, hat wenig mit Gesundheitspolitik zu tun. Sie fürchten um ihre Pfründe, denn in den Vorstandsetagen wird ebenfalls kräftig abkassiert und die angekündigten Kassenfusionen schmälern die Zahl der einschlägigen Posten. Die Linksfraktion im Bundestag wiederum hat sich von dem ehemaligen Präsidenten der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, ein Alternativkonzept aufschreiben lassen, das allerdings den kleinen Fehler hat, dass es an die oben genannten drei Punkte ebenfalls nicht rührt. Es sieht zwar (richtigerweise) einen Ausbau der Einnahmen durch Einbeziehung auch der Besserverdienenden vor, die private Aneignung der Gelder durch den medizinisch-industriellen Komplex allerdings stellt es nicht in Frage. Und so wird die Regierung leichtes Spiel haben.

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