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Innenpolitik

Gejagt von König Midas

Von Tom Bogen | 01.10.2006

Das Berliner Landgericht erteilt dem Pressesprecher des „Bündnis 3. Juni“ eine Einstweilige Verfügung unter Androhung einer Geldstrafe von bis zu 250 000 Euro. Betreiber des Verfahrens ist die VVR-Berek GmbH – sie könnte sich eine goldene Nase daran verdienen. Es ist eine alte Sage, in der der gierige König Midas von Dionysos einen Zauberwunsch erpresst. Alles was er anfasst, soll zu Gold erstarren.

Das Berliner Landgericht erteilt dem Pressesprecher des „Bündnis 3. Juni“ eine Einstweilige Verfügung unter Androhung einer Geldstrafe von bis zu 250 000 Euro. Betreiber des Verfahrens ist die VVR-Berek GmbH – sie könnte sich eine goldene Nase daran verdienen.

Es ist eine alte Sage, in der der gierige König Midas von Dionysos einen Zauberwunsch erpresst. Alles was er anfasst, soll zu Gold erstarren. Der Berliner Midas des Jahres 2006 kommt im Gewand einer beschränkt haftenden Gesellschaft daher. Im Auftrag der VVR-Berek, Eigentümerin diverser Werbeflächen, stellte das Landgericht Berlin Martin Behrsing am 21. Juli eine Einstweilige Verfügung zu. Darin wird dem in Bonn Wohnenden vorgeworfen, in Berlin Plakate an dafür nicht ausgewiesenen Orte angebracht zu haben. Sollte in Berlin in Zukunft ein solches irgendwo auftauchen, kann wahlweise 6 Monate Haft oder eine Viertelmillion Euro fällig werden.

Das corpus delikti ist das Werbeplakat für die bundesweite Demo „Schluss mit den Reformen gegen uns”, die im Juni dieses Jahres stattgefunden hat und sich gegen Sozialabbau richtete. Darauf wird Martin Behrsing, der auch als Sprecher des organisierenden Bündnisses fungiert hat, als presserechtlich Verantwortlicher genannt. In Ermangelung der wirklichen Anbringer des Aufrufes, hat das Gericht nun offensichtlich ohne besondere Prüfung des Antrages Martin Behrsing adressiert. „Die einstweilige Verfügung ist völlig absurd. Das Berliner Landgericht hat außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit entschieden. Dem Bündnis der Demonstration soll im Nachhinein politisch geschadet werden“, vermutet Behrsing.
Politisch Unliebsame mundtot machen
Tatsächlich ist die VVR-Berek eine hundertprozentige Tochter des Berliner Verkehrsunternehmens BVG, die wiederum dem Land Berlin gehört. Dieses Vorgehen ist aber kein Einzelfall, denn immer mehr Flächen in der Stadt werden privatisiert. So verschwinden Freiräume zum Anbringen von Informationen, die die Mainstream-Medien nicht verbreiten wollen. Das Verhalten des Landes Berlins ist dennoch unverständlich. „Zuerst habe ich gedacht, ich wäre in einem falschen Film. Man macht mich für etwas verantwortlich, wofür ich überhaupt keine Verantwortung trage.“ Behrsing steht mit der Nennung seines Namens rechtlich nur für den Inhalt gerade, nicht jedoch für das Verkleben der Plakate. Diese wurden gegen einen Selbstkostenpreis an Initiativen und Privatpersonen abgegeben.

Das hielt die VVR-Berek trotz klärenden Telefonates für nicht relevant. Stattdessen flatterte wenig später eine Rechnung über 429,29 Euro ins Haus. Diesen Betrag kostete angeblich die Entsorgung aller Plakate, die die Firma von Straßenlaternen etc. abnahm. Es waren insgesamt ganze 6 Stück. Damit sind ca. 2 Quadratmeter Plakatfläche über 250 000 Euro wert. König Midas hätte es nicht besser machen können.
Solidarität organisieren
Für die Rote Hilfe sind solche Schikanen gegen linke AktivistInnen keine Seltenheit. Immer wieder versuchen staatliche Behörden den Protest gegen die herrschenden Verhältnisse zu kriminalisieren und einzuschüchtern. So unterstützte die Rote Hilfe zwischen April und Juli diesen Jahres 8 Menschen, die wegen ihres Engagements gegen Sozialabbau vom Staat verfolgt wurden. Schon auf der besagten Demonstration ging die Berliner Polizei mit unsäglicher Härte gegen die friedlichen DemonstrantInnen vor. Die Rote Hilfe ist eine linke strömungsübergreifende Organisation, die bei staatlicher Repression hilft. Nach dem Motto „… gemeint sind wir alle“ gilt es auch im Fall von Martin Behrsing, ihn nicht allein da stehen zu lassen. Die Gerichtskosten für den Widerspruch belaufen sich auf etwa 5000 Euro.

Im Midas-Märchen erstarren die Menschen zu reglosen Objekten, das gleiche Schicksal soll wohl auch die soziale Protestbewegung ereilen, wenn es nach der rot-roten Regierung des Landes Berlin geht. Der König wurde den Fluch wieder los, indem er im Fluss Paktolos badete. Solch ein Gewässer gibt es für Martin Behrsing nicht, wohl aber – Solidarität!

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