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Länder

Geisterreiter und Oligarchen

Von Harry Tuttle | 01.06.2005

Regime und Warlords kämpfen im Sudan um Macht und Pfründe. Die westliche Politik stabilisiert die Herrschaftsverhältnisse.

 

„Die Truppen kamen morgens, und sie schossen auf die Zivilisten“, berichtete Majak Machar. Wie zwei Millionen weitere Sudan-esInnen lebt er im Gürtel der Slums und Flüchtlingslager, die die Hauptstadt Khartoum umgeben. Immer wieder kommt es zu Räumungsversuchen der Polizei. Den BewohnerInnen wird eine Wohnung versprochen, doch in der Praxis werden sie nur einige Kilometer weiter in die Wüste transportiert. Besonders betroffen sind die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Süden, die den islamistischen Herrschenden als Sympathisanten der Opposition gelten.
Am Morgen des 18. Mai stieß die Polizei jedoch in Soba Aradi auf unerwartetenWiderstand. Die BewohnerInnen gingen zum Gegenangriff über und attackierten die Polizei mit Knüppeln und Steinen. Eine Polizeistation wurde niedergebrannt, nach Angaben der Regierung starben 14 Polizisten.

Öl und Kriegsökonomie

Seit der Unabhängigkeit 1956 versucht die nordsudanesische Oligarchie mit allen Mitteln, die Macht und die Ressourcen des ganzen Landes für sich zu monopolisieren. Gegen sie kämpfte seit den achtziger Jahren die SPLA (Sudanese People’s Liberation Army). Mehr als zwei Millionen Menschen starben in diesem Konflikt. Die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der SPLA sind mittlerweile abgeschlossen. Das Ergebnis ist ein Deal, der den Oligarchien beider Kriegsparteien Macht und Pfründe zuteilt. Beiden Seiten wurden jeweils 50 Prozent der Öleinnahmen und die faktische Alleinherrschaft in den von ihnen kontrollierten Gebieten zugesprochen. In sechs Jahren sollen die SüdsudanesInnen in einem Referendum über die Unabhängigkeit entscheiden dürfen.
Häufig wird vermutet, insbe-sondere die USA und Deutschland hätten ein Interesse an der Abspaltung des Südsudan, um sich der Ölquellen dieser Region zu bemächtigen. Die von dem deutschen Unternehmen Thormählen Schweißtechnik geplante Bahnlinie, die den Südsudan mit der kenianischen Küste verbinden soll, gilt als Schlüsselprojekt für diesen Plan. Bislang haben sich die westlichen Regierungen jedoch immer gegen jede Form von Separatismus gewandt, weil sie einen Präzendenzfall fürchten. Zudem ist der ökonomische Nutzen eines solchen Unternehmens fraglich.
Die sudanesische Ölproduktion soll in diesem Jahr auf 500.000 Barrel pro Tag gesteigert werden. Es ist kaum möglich, diese Menge (knapp 80 Millionen Liter) per Eisenbahn zu transportieren, so dass der Südsudan weiter auf die bestehende Pipeline angewiesen wäre.
Andererseits könnte es mit dem Ölreichtum schon in wenigen Jahren vorbei sein. Das sudanesische Energieministerium vermutet Reserven von 3 Milliarden Barrel unter dem Boden des Landes. Im Vergleich zu den im Irak vermuteten 90 Milliarden Barrel ist das eine geringe Menge, nachgewiesen wurden zudem bislang nur knapp 600 Millionen.
Das Problem des Sudan ist nicht, dass sich Staaten und Konzerne über eine Vielzahl von lukrativen Geschäftsmöglichkeiten streiten. Von den dürftigen Ölreserven abgesehen, verfügt das Land über nichts, was für den internationalen Kapitalismus von Interesse wäre. Unter dem globalisierten Freihandelsregime hat der Sudan keine Entwicklungschance, gekämpft wird deshalb um das wenige Vorhandene.
Dies ist auch der ökonomische Hintergrund des im vergangenen Jahr eskalierten Konflikts in Darfur. Ausgelöst wurde er durch die vom Regime angeordnete Vertreibung als oppositionell geltender Bevölkerungsgruppen, für die Janjawid (Geisterreiter) genannte Milizen eingesetzt werden. Wie im Süden hat der Konflikt jedoch eine Kriegsökonomie hervorgebracht, in der um Land und Vieh gekämpft wird.

Bühne der Profilierung

Die westlichen Staaten zeigten lange Zeit nur geringes Interesse für den Sudan und unterstützten dessen Regierungen. Erst die Kontakte mit antiwestlichen Islamisten führten zu einer Isolierung des Regimes. Dass die Überwachung des Konflikts in Darfur bereitwillig den afrikanischen Staaten überlassen wurde, spricht jedoch nicht für ein besonderes Interesse des Westens an der Änderung der Verhältnisse im Sudan.
Afrikanische Bürgerkriegsstaaten sind jedoch eine geeignete Bühne für die Profilierungsversuche aufstrebender Großmächte wie Deutschland. Die bereitwillige Beteiligung an „Missionen“ der UNO soll helfen, Unterstützung für den ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat zu gewinnen. Sie dienen zudem dem Aufbau eines Netzes von Militärstützpunkten. Die Bundeswehr beteiligt sich mit mehr als 200 Soldaten an der Beobachtung der Massaker in Darfur, im April wurde beschlossen, zusätzlich 75 Soldaten zur Überwachung des Friedensabkommens mit der SPLA in den Sudan zu schicken. Sie sollen mindestens sechs Jahre bleiben. Damit wird die deutsche Militärpräsenz in Ostafrika verstärkt, wo die Bundeswehr bereits über eine Basis in Djibouti verfügt.
Die westliche Politik in afrikanischen Bürgerkriegen beschränkt sich auf den Versuch, Oligarchen und Warlords zu einer Einigung zu zwingen. Die Befreiung muss jedoch gegen diese beiden Gruppen erkämpft werden. Der Aufstand in Soba Aradi könnte ein Anfang sein. Den Flüchtlingen und anderen Marginalisierten fehlt noch die politische Organisierung, die sie befähigen könnte, mehr als nur punktuellen Widerstand zu leisten. Die Rebellion beweist jedoch, dass es eine Bereitschaft gibt, die unmittelbaren sozialen Interessen zu verteidigen.

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