Im Kölner Neuen ISP-Verlag ist im Herbst 2004 ein bemerkenswertes Buch erschienen. Es erzählt eine besondere Geschichte. Auf über 200 Seiten beschreibt die Autorin Barbara Weinhold den Kampf der Dresdner Gruppe der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) gegen die Nazi-Barbarei.
In Veröffentlichungen über den antifaschistischen Widerstand wird mittlerweile eine zentrale Erkenntnis der wissenschaftlichen Forschung oft wieder ignoriert. Die Hauptlast des Kampfes gegen die Nazis hatten keineswegs die Männer des 20. Juli oder sonstige bürgerliche Kreise getragen, sondern die organisierte ArbeiterInnenbewegung.
Noch mehr übersehen wird, dass vor allem ihr radikaler Flügel und hier wiederum die kleinen linken Organisationen den relativ größten Beitrag geleistet haben. Unter anderem ist das am Beispiel der Linken Opposition der KPD (LO) und späteren IKD bereits Ende der 70er Jahre konkret belegt worden. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Hinweise auf die Aktivitäten der Dresdner linksoppositionellen Gruppe.
Aber erst seit dem Jahr 2000 wurde ihre Geschichte detailliert untersucht. Denn damals begann sich Barbara Weinhold mit dem Inhalt einer Kiste zu beschäftigen, die ihre Tante Käthchen Kozlecki hinterlassen hatte. Im Verlauf einer dreijährigen Arbeit ist es ihr gelungen, eine Forschungslücke zu schließen.
Für ArbeiterInneneinheit
Die Linke Opposition der KPD war praktisch seit ihrer Gründung Ende März 1930 gegen die Nazis aktiv. In Dresden ging die LO aus der kommunistischen Opposition der Vereinigten Kletterabteilung im Touristenverein „Die Naturfreunde“ (NFO/VKA) in den Vororten Loschwitz und Rochwitz hervor. Deren politisch aktiver Kern war um Barbara Weinholds Onkel Gerhard Grabs geschart.
1932 stießen nicht zuletzt auf Initiative des Metallarbeiters Wenzel Kozlecki einige dieser roten BergsteigerInnen zur LO. Das Eintreten der Linken Opposition für eine Einheitsfront der ArbeiterInnenbewegung gegen die drohende faschistische Gefahr hatte sie politisch überzeugt. Sie gründeten eine Ortsgruppe der LO, die auf rund 15 Mitglieder anwuchs. Innerhalb der NFO/VKA warben sie aktiv für ihre Positionen. Für die stalinistischen KPD-Funktionäre war das Grund genug, die „Trotzkisten“ entsprechend der Parteilinie zu „entlarven“ und zu „isolieren“. Diese Denunziation sollte, wie Barbara Weinhold schreibt, noch in der DDR fortwirken.
Die Errichtung der Nazi-Diktatur 1933 bedeutete für die Linke Opposition das Verbot ihrer Organisation und ihrer Publikationen.
Illegalität, Flucht und Unterdrückung
Auch die Dresdner LO und spätere IKD war von nun an zur Untergrundarbeit gezwungen. Aufgrund ihrer guten Kenntnisse der Schleichpfade im deutsch-tschechischen Grenzgebiet konnte sie eine Schlüsselrolle beim Transport revolutionärer Druckschriften in das Nazi-Reich spielen. Zudem war das Schleusen von GenossInnen über die Grenze neben der kontinuierlichen Widerstands- und Schulungstätigkeit vor Ort von Bedeutung.
Käthchen und Wenzel Kozlecki mussten schon im Sommer 1933 ins benachbarte Ausland flüchten und betreuten fast fünf Jahre lang von Reichenberg aus die Widerstandsgruppen im angrenzenden deutschen Inlandsbezirk der IKD.
Ihre festen sozialen und politischen Bindungen ermöglichten es der Dresdner Gruppe trotz der brutalen Repression durch die NS-Diktatur, lange im Widerstand aktiv zu sein. Erst Ende 1937 /Anfang 1938 konnte die Gestapo die örtlichen Strukturen der IKD zerschlagen. Für ihre Mitglieder bedeutete das Gefängnis, Folter, Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen wegen „Vorbereitung des Hochverrats“, Zuchthaus und KZ.
Ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen
Neben der detaillierten Darstellung dieser Ereignisse beschreibt Barbara Weinhold eindringlich die Tragik des Exils von Käthchen und Wenzel Kozlecki sowie die Rolle von ehemaligen IKD-Mitgliedern beim Wiederaufbau Dresdens in der Zeit von 1945 bis 1951. Zahlreiche zeitgenössische Fotos und ein umfangreicher Anhang mit Dokumenten aus den Jahren 1933 bis 1945 runden dieses gelungene Buch ab. Seine Lektüre ist allen dringend zu empfehlen, die ein konkretes Bild vom aufrechten Gang in finsteren Zeiten erhalten möchten.
Zweifelsohne konnte Barbara Weinhold ihren Anspruch einlösen, „den mutigen Männern und Frauen einer Dresdner Widerstandsgruppe der LO/IKD ein würdiges Denkmal [zu] setzen und ihren Kampf dem Vergessen [zu] entreißen“.
Barbara Weinhold, Eine trotzkistische Bergsteigergruppe aus Dresden im Widerstand gegen den Faschismus, Neuer ISP-Verlag, Köln 2004, 236 Seiten, 21 Euro.