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Frankreich: SchülerInnen im Kampf gegen Bildungsabbau

Von Adrien Mazières-Vaysse, (LCR) | 01.06.2008

Am 15. Mai sind mehr als 300 000 Menschen auf die Straße gegangen, um ihren Widerstand gegen die Streichung von 22 900 Stellen im Öffentlichen Dienst (davon 11 200 im Erziehungswesen) zu demonstrieren. Für 2009 sind bereits 35 000 weitere Stellenstreichungen angekündigt. An den Demonstrationen beteiligten sich 50 000 BeamtInnen und GymnasiastInnen in Paris, 30 000 in Marseille und Nantes, 15 000 in Grenoble, 15 000 in Toulouse, 10 000 in Bordeaux und Lyon…

Am 15. Mai sind mehr als 300 000 Menschen auf die Straße gegangen, um ihren Widerstand gegen die Streichung von 22 900 Stellen im Öffentlichen Dienst (davon 11 200 im Erziehungswesen) zu demonstrieren. Für 2009 sind bereits 35 000 weitere Stellenstreichungen angekündigt.

An den Demonstrationen beteiligten sich 50 000 BeamtInnen und GymnasiastInnen in Paris, 30 000 in Marseille und Nantes, 15 000 in Grenoble, 15 000 in Toulouse, 10 000 in Bordeaux und Lyon…Dies war also ein Erfolg sowohl für die GymnasiastInnen, die diesen Aktionstag ins Leben gerufen hatten, wie auch für die BeamtInnen, deren Streik gut befolgt wurde: 63% Streikbeteiligung in der Grundstufe, 55% im Sekundar­bereich, das ist mehr als beim letzten Aktionstag am 24. Januar.
Kampfkraft nicht gebrochen
Seit der Wahl Sarkozys hat die Jugend schon mehrere Kämpfe gegen die Angriffe der Regierung geführt. Mit dem LRU-Gesetz wurden die Universitäten in Konkurrenz zu einander gesetzt („Gesetz zu den Freiheiten und Verantwortlichkeiten der Universitäten“). Daraufhin haben im November 2007 die StudentInnen mit Streikposten mehr als die Hälfte der Universitäten blockiert und versucht, die Bewegung auf die Gymnasien auszudehnen, wo das Berufsabitur eingeführt werden soll (Abitur nach drei Jahren statt wie bisher nach 4 Jahren). Aber der Regierung gelang es, den SchülerInnen und StudentInnen eine Niederlage beizufügen.

Im Februar 2008 hat ein Teil der Lehrer den Kampf gegen den massiven Stellenabbau und die damit zu erwartenden weiteren Verschlimmerungen im Erziehungswesen aufgenommen. Am 18. März schließen sich die GymnasiastInnen der Region Paris an, vornehmlich aus den Gymnasien der ärmeren Viertel. Die Bewegung dehnt sich über Paris hinaus aus. In der Region Paris nehmen die Demonstrationen und Schulblockaden zu. Sie richten sich gegen die Reform der beruflichen Laufbahnen und die Stellenstreichungen: in Paris am 1. April 15 000, dann am 8. April 25 000, während sich gleichzeitig die Bewegung auf das ganze Land ausdehnt. Am 10. April demonstrieren landesweit 80 000 SchülerInnen.
Vom Mai 68 zum Mai 2008?
Diese Mobilisierung der SchülerInnen kommt zu einem Zeitpunkt, da Sarkozy angeschlagen ist, und zwar aufgrund der herben Niederlage bei den Kommunalwahlen und drastisch gesunkener Popularitätswerte. Im März kommen dann noch die offensiven Streiks für Lohnerhöhungen hinzu und im April streiken hunderte ArbeiterInnen (Sans-papiers), um einen offiziellen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Angesichts der Lähmung der großen Gewerkschaftsverbände, die keinen ernsthaften Plan haben, um gegen die zahlreichen Angriffe der Regierung vorzugehen (vor allem was die drängende Frage der Rentenreform angeht) könnte die SchülerInnenbewegung sehr wohl der Schlüssel sein, der es ermöglicht, umfassend auf die Angriffe zu antworten und der Regierung eine Niederlage beizufügen. Wie 2006, anlässlich des Kampfes gegen das Ersteinstellungsgesetzt CPE, könnte es ihr gelingen, die übrige Bevölkerung mitzuziehen. Dafür werden in vielen Gymnasien Vollversammlungen durchgeführt. Die SchülerInnen organisieren sich in Komitees und schließen sich in lokalen Koordinationen zusammen, etwa in der Region Paris oder in Toulouse. Eine erste Nationale Koordination wird für die den 19. April organisiert, und zwar auf Initiative der Schulen aus der Region um Paris, vor allem der antikapitalistischen AktivistInnen.

Während der zwei Ferienwochen im Großraum Paris [Ende April-Anfang Mai] übernehmen die SchülerInnen in den anderen Landesteilen die Mobilisierungsarbeit und die erste nationale Demonstration nach Schulbeginn, am 6. Mai, ist außerhalb von Paris ein richtiger Erfolg, in Paris ist sie etwas schwächer. Daraufhin kündigt der Erziehungsminister, Xavier Darcos, kleinere Änderungen an, behält aber die Stellenstreichungspläne aufrecht. Die Schülergewerkschaften rufen daraufhin zur Beendigung des Streiks auf.

Die Mobilisierung war nicht stark genug, um die Schülergewerkschaft zu veranlassen, ihre ganze Kraft in diesen Kampf zu stecken und die Selbstorganisation war noch zu schwach, um die Führungsrolle zu übernehmen.

Weder die linken Parteien (KP und PS), noch die großen Gewerkschaften sind entschlossen, den Kampf gegen Sarkozy und seine Regierung aufzunehmen, und beschränken sich auf symbolische Aktionen. Um an dem Mobilisierungserfolg vom 15. Mai anzuknüpfen, an dem die kleinen von der PS gesteuerten Schüler„gewerkschaften“ keinen großen Anteil hatten, versuchen die kämpferischen SchülerInnen der Bewegung neuen Schwung zu geben und stützen sich dabei auf den Aufruf zu zwei neuen Streiktagen im Erziehungswesen in den kommenden Tagen und auf den gewerkschaftsübergreifenden Streik am 22. Mai gegen die von der Regierung geplante Anhebung der Rentenbeitragsjahre von 40 auf 41 Jahre. Gelänge es der SchülerInnenbewegung Schwung aufzunehmen und die die verschiedenen Kämpfe der Lohnabhängigen zusammenzuführen, dann könnte sie diesem Mai 2008 in gewisser Weise den Flair des Mai 68 verleihen.

Übersetzung: D. B. 

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