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Frankreich: Eine revolutionäre Präsidentschafts­kandidatur

Von Gérard Torquet und Pierre Vandevoorde (LCR) | 01.05.2007

Der erste Wahlgang fand am 22. April statt. Der 32-jährige Briefträger Olivier Besancenot war zum zweiten Mal Kandidat der LCR (2002 erhielt er 4,52% der Stimmen). „Die Rechte haut drauf, die Linke weicht zurück. Für ein soziales Dringlichkeitsprogramm. Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite!“ Das war die zentrale Achse der Kampagne unserer Schwesterorganisation, der französischen Sektion der IV. Internationale.

Der erste Wahlgang fand am 22. April statt. Der 32-jährige Briefträger Olivier Besancenot war zum zweiten Mal Kandidat der LCR (2002 erhielt er 4,52% der Stimmen). „Die Rechte haut drauf, die Linke weicht zurück. Für ein soziales Dringlichkeitsprogramm. Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite!“ Das war die zentrale Achse der Kampagne unserer Schwesterorganisation, der französischen Sektion der IV. Internationale.

Zwei Wochen vor der ersten Runde wären beinahe die großen Plakatwände nicht beklebt worden, weil die Beschäftigten der Firma, die mit dem Anbringen der offiziellen Wahlplakate beauftragt war, in einen Streik für höhere Löhne getreten sind. In Aulnay bei Paris standen in dem großen Werk von Peugeot-Citroën 500 Arbeiter-
Innen in einem kämpferisch geführten 6-wöchigen Streik für eine Lohnerhöhung um 300 € und einen Mindestlohn von 1500 €.
Die soziale Frage beherrscht den Wahlkampf
2002 war es Chirac noch gelungen, die ihm willfährigen Medien dafür einzuspannen, die „Sicherheitsfrage“ zum Dreh- und Angelpunkt der Kampagne zu machen, aber dieses Mal kommt niemand an den Fragen Beschäftigungssicherung, Kaufkraft, Öffentlicher Dienst, Wohnung, Gesundheit und Renten vorbei. Deshalb verstärkt der wichtigste Kandidat der Wirtschaft und Nachfolger Chiracs im Vorsitz der neokonservativen UMP, Sarkozy, seine Provokationen wie die brutalen Kontrollen und Durchsuchungen bei Flüchtlingen oder seine Erklärungen zur Einrichtung eines Ministeriums der nationalen Identität. Er läuft dem Faschisten Le Pen hinterher… und Royal, die Kandidatin der PS, läuft Sarkozy hinterher.
Eine widersprüchliche Lage
Zwei Jahre nach dem Sieg des NEIN beim Referendum zur Europäischen Verfassung, 18 Monate nach der Revolte in den Vorstädten und ein Jahr nach dem Sieg gegen das CPE werden weiterhin massenhaft Menschen entlassen, werden Öffentliche Dienste abgebaut, wird die Arbeit weiter flexibilisiert und nimmt die Individualisierung der Lohnabhängigen auf Kosten der kollektiven Solidarität zu. Das Kräfteverhältnis verschlechtert sich allmählich, aber der Widerstand ist lebendig. Während Sarkozy die brutale Konfrontation vorbereitet, optiert ein Teil der Bourgeoisie mit Bayrou [von der liberal christdemokratischen UDF] für mehr „konzertierte Aktion“. Seine „umgänglichen“ Vorschläge heben sich deutlich sowohl vom Stil Sarkozys ab wie auch von der Schalheit der Kampagne Ségolène Royals, so dass dieser Vertreter der Rechten von den Stimmen derjenigen profitieren kann, die alles andere wollen, nur nicht Sarkozy.

Die Sozialdemokratie (PS) verliert gerade einen Teil ihrer Wählerbasis, etwa bei den LehrerInnen. Ségolène Royal hat nichts Besseres zu tun, als Sarkozy auf dessen Terrain zu antworten: Sie will eine blau-weiß-rote Fahne in jeder Familie und hat sogar einen „linken“ Unternehmerverband erfunden, der es Klein- und Mittelbetrieben erlauben würde, einen jungen Menschen einzustellen – der Staat würde die Lohnzahlung und die Sozialabgaben übernehmen! –  um ihn nach einem Jahr wieder entlassen zu können…Das Einzige, was Royal zur Zeit hilft, ist das Trauma von 2002 [als im ersten Wahlgang Jospin hinter Le Pen Dritter wurde und deshalb in der zweiten Runde nur die Wahl zwischen Chirac und Le Pen bestand].
Desillusionierung links der PS
Sich auf ein „linkes Nein“ [zur Europäischen Verfassung] zu verständigen reicht nicht, um eine „Linke des Nein“ zu schaffen. Da die LCR an dem Ziel des Aufbaus einer großen antikapitalistischen Partei festhält, hat sie an allen Einheits-Diskussionen teilgenommen und dabei immer wieder betont, dass sie nur eine Bedingung stellt: die klare Zurückweisung jeglicher parlamentarischer Allianz mit einer eventuellen sozial-liberalen Mehrheit. Es kann überhaupt nicht in Frage kommen, dass der soziale und politische Widerstand umgebogen wird, wie dies beispielsweise in Italien der Fall ist. Wir waren bereit, einen gemeinsame/n Kandidaten/in zu unterstützen, der/die nicht aus den Reihen der LCR kommt, aber für die von uns gestellte Bedingung haben wir weder die Unterstützung der KPF noch die des Bauernführers José Bové erhalten.
Die revolutionären KandidatInnen
Wie üblich hat Lutte Ouvrière nicht an den Diskussionen zur Aufstellung eines gemeinsamen Kandidaten teilgenommen und hat zum sechsten Mal Arlette Laguiller aufstellt (2002 erhielt sie 5,7%). Ihre Kampagne hatte mit dem Slogan begonnen: „Wer sonst kann von sich behaupten, ernsthaft auf der Seite der Arbeiter zu stehen?“, aber inzwischen erklärt Arlette, dass mensch die Stimmen für sie und für Olivier addieren müsse. Es gibt nämlich zweifellos den „Besancenot Effekt“: jung, überzeugend in den Redebeiträgen, eng verbunden mit mehreren schwarzen und nordafrikanischen Rap-Musikern, mit denen er die Vereinigung „Erinnerungsaufgabe“ [devoir de mémoire] gegründet hat, und am Tag nach der Wahl wird er wieder die Post austragen.

Unsere Vorschläge finden ein breites Echo: Anhebung aller Löhne und Sozialleistungen um 300 €, Nettomindestlohn von 1500 Euro (und nicht brutto, wie Royal das für in 5 Jahren als Ziel angibt), Besuch der kämpfenden Belegschaften, um die Forderung nach einem Verbot von Entlassungen zu erläutern, Beschlagnahmung von leerem Wohnraum, gesicherten Aufenthaltsstatus und Papiere für alle Flüchtlinge, Schließung aller Atomkraftwerke, Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen … Für dieses Programm „100% links“ gehen junge Menschen, ArbeiterInnen, BewohnerInnen aus den Armenvierteln zu den öffentlichen Versammlungen, die zwei- bis dreimal so gut besucht sind wie vor 5 Jahren (s. Kasten). Die LCR ist in allen Medien präsent, die Zugriffe auf die Homepage explodieren, ähnlich ist es mit den Kontaktwünschen. Auch wenn der Druck der „nützlichen Stimmabgabe“ unser Wahlergebnis beeinträchtigt hat, so stellt uns diese Kampagne doch in die Verantwortung, im Falle eines Wahlsiegs von Sarkozy Initiativen zur Sammlung einer radikalen Opposition gegen die Rechte und das Kapital zu ergreifen, und im Falle eines Sieges von Royal eine linke Opposition zu organisieren, um ihr Zugeständnisse an die Forderungen breiter Schichten der Bevölkerung abzuringen. 

 

Veranstaltungen mit Olivier
TeilnehmerInnen:

1500 Personen in Tours,
1500 i
n Bordeaux,

1800 in Lille,
500 in Valence,
600 in Dijon,
1600 in Nantes,
2200 in Rennes

 

 

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