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Innenpolitik

(Fast) alle wollen das Gleiche – nur die Verpackung ist unterschiedlich

Von Thadeus Pato | 01.09.2005

Den Beginn des schleichenden Ausstiegs aus der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung mittels Zuzahlungen, Praxisgebühr usw. haben wir Grünen und SPD zu verdanken. Einen Schritt weiter wird die nächste Bundesregierung gehen – ganz gleich, wer sie stellen wird. Dieses Resümee muss man/frau ziehen, wenn mensch sich die Wahlprogramme der Parteien ansieht.

FDP brutal….
Die FDP hat offensichtlich ihren kleinen Absatz zur Gesundheitspolitik im Wahlprogramm der Einfachheit halber gleich bei der Versicherungswirtschaft abgeschrieben. Sie fordert nämlich eine individuelle private Absicherung mit unbegrenztem Wettbewerb der Krankenkassen und verliert über einen Arbeitgeberanteil kein einziges Wort mehr: „Jeder Bürger ist verpflichtet, einen Mindestumfang an Leistungen, die sogenannten Regelleistungen, für den Krankheitsfall abzusichern. Der Verpflichtung sich zu versichern, kann er dabei bei einem Versicherer seiner Wahl nachkommen.“ Ansonsten soll für die Armen der Steuerzahler blechen (s.u.)
…CDU pauschal…
Die CDU/CSU wiederum hat sich auf das Kopfpauschalenmodell festgelegt, was zunächst einmal bedeutet, dass Frau Merkel in Zukunft die gleiche Prämie wie der arbeitslose Herr Schulze zahlen  und damit der Sozialausgleich zwischen Gering- und Besserverdienenden abgeschafft wird. Stattdessen soll aus dem Steuertopf subventioniert werden, was allerdings dann wieder die Lohnempfänger bezahlen dürfen, denn deren Steuern machen bekanntlich den größten Teil des Steueraufkommens aus. Der ‚Arbeitgeber’anteil dagegen soll „eingefroren“ werden. („Dieser Anteil des Arbeitgebers wird festgeschrieben. Er bleibt dauerhaft begrenzt und damit von der Entwicklung der Krankheitskosten abgekoppelt“), was de facto heißt, dass er von Jahr zu Jahr geringer und logischerweise binnen kurzem zu einer Restgröße wird – eine Art FDP-Politik light also.
….SPD und Grüne: Schweigen im Walde….
Der Wahlkampfschlager der beiden bisherigen Regierungspartner soll die so genannte Bürgerversicherung werden. Erst einmal klingt das ganz gut: Alle sollen einzahlen, die Beitragsstaffelung soll beibehalten werden. Aber die SPD hat auch noch ein Zuckerchen für die private Versicherungswirtschaft eingebaut: „Das Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen wird in einen Wettbewerb um die beste Versorgung umgewandelt.“ Auch die Grünen wollen da nicht zurückstehen: „Mehr Wettbewerb zwischen den Kassen in einem einheitlichen Wettbewerbsrahmen und mehr Wettbewerb zwischen Leistungserbringern zugunsten der Patientinnen und Patienten ist dabei sinnvoll.“ Wie so ein Wettbewerb aussieht und wem er nützt, konnte man die letzten Jahre bereits beobachten.
Interessanter wird es, wenn mensch sich ansieht, was nicht im Programm steht. Weder SPD noch Grüne verlieren ein einziges Wort über die paritätische Finanzierung. Sie kommt in beiden Programmen schlicht nicht vor. Die CDU ist wenigstens ehrlich – Schröder und Fischer dagegen behalten sich offensichtlich vor, die paritätische Finanzierung im Zweifelsfall nicht nur einzufrieren, sondern gleich ganz abzuschaffen. Ihr Wahlprogramm jedenfalls wird sie nicht daran hindern und das allgemeine Geschwalle zu Beginn des Programms über die „Senkung der Lohnnebenkosten“ lässt Übles ahnen.

… und die Linkspartei?
Die einzige Partei, die mit Sicherheit nicht in der nächsten Regierung sitzen wird, ist auch die einzige, die eine eindeutige Haltung zur paritätischen Finanzierung einnimmt: „Wir halten am Grundsatz der paritätischen Finanzierung fest.“ Dazu ist sie auch die einzige Partei, die – wenn auch sehr zaghafte – Vorstöße in Richtung auf eine Entprivatisierung des Gesundheitsbereiches macht.
Fazit
Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, bereits seit Jahren ausgehöhlt, wird binnen kurzem endgültig fallen – das kann als sicher gelten. Die entscheidende Frage wird sein, wie die Vertretungen der abhängig Beschäftigten, die Gewerkschaften, darauf reagieren. Der sogenannte Arbeitgeberanteil ist ein Lohnbestandteil. Er muss unter allen Umständen und mit allen Mitteln verteidigt werden. Die „Ausbezahlung“, wie von verschiedenen Seiten vorgeschlagen, darf aus offensichtlichen Gründen nicht akzeptiert werden. Etwas ganz anderes ist nötig, etwas, was auch die Linkspartei nicht im Programm hat, nämlich die 100%ige Übernahme der Versicherungskosten durch die Arbeitgeberseite und vollständige Entprivatisierung des gesamten medizinisch-industriellen Komplexes. Aber das steht in keinem der Wahlprogramme.

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