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Europäische Linke formiert sich: Auf dem Weg ins EU-Parlament?

22.11.2003

junge welt vom 22.11.2003
 
jW sprach mit Wilfried Dubois, Teilnehmer eines Treffens der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) in Paris
* Wilfried Dubois hat vergangene Woche in Paris an einem Treffen der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) teilgenommen, einem lockeren Zusammenschluß von linken Parteien, die sich sowohl von der neoliberal gewendeten Sozialdemokratie als auch den mit diesen zusammenarbeitenden traditionellen kommunistischen Parteien abgrenzen

F: Unmittelbar vor dem Europäischen Sozialforum hat die siebte Konferenz der EAL stattgefunden. Wer war gekommen?

So viele wie noch nie, allerdings war auch diesmal leider niemand aus Osteuropa dabei. Vertreter hatten zum Beispiel die italienische Rifondazione Comunista und der portugiesische Linksblock geschickt, der vor einigen Jahren die Initiative zur Gründung der EAL ergriffen hatte. Aus England waren verschiedene sozialistische Parteien gekommen, aus Schottland die Scottish Socialist Party, die bei den letzten Regionalwahlen sehr erfolgreich abgeschnitten hat. Aus Dänemark war die Rot-Grüne Einheitsliste vertreten. Zum ersten Mal dabei war die KP Österreichs. Weiter waren Organisationen aus Griechenland, der Türkei, Irland, der Schweiz, Luxemburg und Spanien vertreten. Gastgeberin war die französische Revolutionär-Kommunistische Liga LCR.

F: Worüber wurde diskutiert?

Zum Einstieg gab es eine Diskussion über die geplante EU-Verfassung. Es hat sich gezeigt, daß alle Gruppierungen der EAL diese Verfassung ablehnen. Aus verschiedenen Gründen: mangelnde Demokratie, Militarisierung der Außenpolitik, Festschreiben des neoliberalen Marktradikalismus und vieles mehr. Außerdem wurde über eine Beteiligung an der Wahl zum Europaparlament im nächsten Jahr diskutiert. Eine Rolle spielte in diesen Diskussionen ein Projekt, an dem sich neben den Initiatoren von Rifondazione unter anderem die PDS und die französische KP (PCF) beteiligen. Mehrere Mitgliedsorganisationen der EAL haben vor, für das EU-Parlament zu kandidieren und einen antikapitalistischen Block zu bilden, der sich ganz klar links von PDS und PCF verortet. Sie sind gegen eine Zusammenarbeit in Regierungen, die von der sozialliberalen »Linken« geführt werden. In einigen Ländern sieht es jedoch so aus, als wären Bündnisse mit den kommunistischen Parteien möglich. Allerdings ist nur ein Teil der EAL an einer Kandidatur interessiert, weshalb die diesbezügliche Zusammenarbeit getrennt von den Konferenzen der EAL stattfinden wird.

Am Ende wurde nach einer Diskussion, in der bei allen viel Sorgfalt und Einigungsbereitschaft zu spüren war, eine politische Erklärung angenommen, deren zentrale Idee in der Überschrift zum Ausdruck kommt: »Ein anderes Europa ist möglich! Eine andere europäische Linke ist notwendig!«

F: In Deutschland scheint eine Kandidatur der EAL-Freunde nicht zustande zu kommen, wenngleich einige die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben. Wie sehen die Chancen andernorts aus?

Eindeutig für eine gemeinsame Kandidatur der radikalen Linken und die Bildung einer europäischen Allianz der antikapitalistischen Kräfte hat sich die LCR ausgesprochen. In Frankreich gibt es im März Regionalwahlen, zu denen die LCR im Bündnis mit Lutte Ouvrière (LO, Arbeiterkampf) antreten wird. Bei den Präsidentschaftswahlen hatten die Kandidatinnen und Kandidaten dieser beiden trotzkistischen Organisationen etwas über zehn Prozent bekommen, und Meinungsumfragen deuten darauf hin, daß dieses Ergebnis sogar noch übertroffen werden könnte.

Zum anderen wird wohl Ende Januar in England der Gründungskongreß einer neuen sozialistischen Sammlungsbewegung stattfinden, an dem sich die Kräfte der »Socialist Alliance« beteiligen wollen. Den Anstoß hat der Ausschluß des Unterhausabgeordneten George Galloway, einer der bekanntesten Kritiker des Irak-Kriegs, aus der Labour Party gegeben. Er wirbt für das neue Projekt, an dem sich auch viele progressive Vertreter der Muslim Community und einige führende Gewerkschafter beteiligen wollen. Und dieses neue Bündnis, haben britische Vertreter auf der Konferenz berichtet, wird auch bei den EU-Wahlen antreten.

Interview: Wolfgang Pomrehn

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