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Innenpolitik

Erstes Sozialforum in Deutschland: Von der Diskussion zur Aktion

Von Thadeus Pato | 01.07.2005

Vom 21. bis 24. Juli findet in Erfurt das erste Sozialforum in Deutschland statt. Damit hat die seit 2002 arbeitende Initiative für ein Sozialforum, in der sich auch die zahlreichen lokalen und regionalen Sozialforen vernetzten, ihr Ziel erreicht. Was können wir von diesem Sozialforum erwarten?

Das Sozialforum in Deutschland ??arbeitet wie die europäischen ??sowie die anderen regionalen und nationalen Foren auf der Basis der Charta von Porto Alegre, wo 2001 das erste Weltsozialforum stattfand. Die Veranstaltungen sind in vier Felder gegliedert: "Arbeitswelt und Menschenwürde", "Globalisierung und die Rolle Deutschlands in der Welt", "Menschenrechte und politische Teilhabe", sowie "Eine lebenswerte Welt – anders leben". Über einhundert politische Organisationen, vom Arbeitslosenverband Deutschland über das Netzwerk attac, christliche Verbände wie die KAB und Brot für die Welt bis hin zum entwicklungspolitischen Dachverband weed, tragen das Forum. Auch das DGB-Bildungswerk und die Gewerkschaften GEW, IG BAU, IG Metall und ver.di gehören zu den Veranstaltern.
An Breite mangelt es also nicht und entsprechend ist das Themenspektrum fast unübersehbar. Aber das birgt auch die Gefahr, dass das Forum zu einem beliebigen Jahrmarkt der Möglichkeiten wird. Um das zu vermeiden, richtet sich das Forum nach der "neuen Methodologie", die in Porto Alegre für das WSF entwickelt wurde. Diese soll dazu dienen, dass z.B. über abendliche Vernetzungstreffen der verschiedenen Arbeitsgruppen ein Ideen- und Gedankenaustausch entwickelt wird, der zur Überwindung der Zersplitterung und zur Stärkung von Handlungsfähigkeit führt. Zu den vier Themenbereichen werden Arbeitsgruppen, Seminare und auch Großveranstaltungen angeboten. Getreu internationalem Vorbild werden Arbeitsgruppen dabei als kleinere Veranstaltungen definiert (um die 25 Personen), die (auch) von einzelnen Gruppen angeboten werden; Seminare als etwas größere Veranstaltungen (zwischen 80 und 200 Personen), die auf jeden Fall von mehreren Gruppen gemeinsam angeboten werden sollen.
In eigener Regie wird der Vorbereitungskreis des SF keine Großveranstaltung durchführen. Er hat allerdings die Initiative ergriffen, dass es zu jedem Themenschwerpunkt auf jeden Fall eine Großveranstaltung geben soll. Dazu haben sich Arbeitsgruppen gebildet.Sozialforen fassen keine Beschlüsse. Aber es bestehen der Wille und die Notwendigkeit, über den Gedanken-, Ideen- und Erfahrungsaustausch hinaus auch zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. Dem trägt das Programm in zweierlei Hinsicht Rechnung: Zum einen wird am letzten Tag, dem Sonntag, eine Versammlung der sozialen Bewegungen stattfinden. Dort soll über die weitere Strategie zum Beispiel im Kampf gegen den Sozialabbau beraten, Vorschläge für gemeinsame Aktionen und Kampagnen, wie einen gemeinsamen zentralen Aktionstag, diskutiert und, wenn möglich, eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden. Zum anderen wird sich eine Demonstration am Sonntagnachmittag bilden und die Themen des Forums nach außen tragen.
Nach der Niederlage des letzten Jahres im Kampf gegen Hartz IV braucht die Bewegung gegen den neoliberalen Umbau der Gesellschaft dringend neue Impulse. Das Sozialforum als größtes Treffen aller Gruppen und Organisationen, die sich gegen diese menschenfeindliche Zurichtung der Welt ausschließlich nach dem Profitprinzip richten, könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, die verschiedenen, teilweise isolierten "Widerstandsnester" zusammenzuführen und für eine gemeinsame Stoßrichtung zu sorgen. Das ist auch nötig: Denn nach der Bundestagswahl wird wohl eine erneute Verschärfung des Sozialabbaus auf allen Ebenen zu erwarten sein. Und dem kann nur begegnet werden, wenn es gelingt, den außerparlamentarischen Widerstand zu stärken, zu vereinheitlichen und ihm eine gemeinsame Stimme zu geben. Dazu braucht es insbesondere den Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Wenn das auch nur im Ansatz gelingt, dann hätte das erste deutsche Sozialforum nicht nur eine wichtige Funktion erfüllt, sondern auch eine zukunftsweisende Perspektive. Und damit das gelingt, ist es notwendig, dass alle die, die wissen, dass der Kampf um eine gerechte Welt nicht in Seminaren und Workshops, sondern auf der Straße und in den Betrieben entschieden wird, nicht nur teilnehmen, sondern sich auch unter der Zielrichtung "von der gemeinsamen Diskussion zur gemeinsamen Aktion" engagieren.

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