TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

„Erneuerung durch Streik“

Von Kurt Renner | 28.05.2013

Erneuerung durch Streik war mit der wichtigen Ergänzung: „Erfahrungen mit einer aktivierenden und demokratischen Streikkultur“ das Thema einer vom ver.di-Bezirk Stuttgart und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Anfang März 2013 durchgeführten Tagung im Gewerkschaftshaus in Stuttgart.

Erneuerung durch Streik war mit der wichtigen Ergänzung: „Erfahrungen mit einer aktivierenden und demokratischen Streikkultur“ das Thema einer vom ver.di-Bezirk Stuttgart und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Anfang März 2013 durchgeführten Tagung im Gewerkschaftshaus in Stuttgart.

Die Zahl von 500 TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Gewerkschaften (Ehrenamtliche wie Hauptamtliche), Organisationen und der Wissenschaft bestätigte erneut den Bedarf und die Resonanz für eine solidarische Diskussion, die auf Veränderung der überwiegend korporatistischen und standortegoistischen Gewerkschaftspolitik gerichtet ist. Genau dies war schon bei dem im September 2012 von der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken wesentlich mitgetragenen erfolgreichen „Gewerkschaftspolitischen Ratschlag“ festzustellen. Ebenso erfreulich war bei beiden Tagungen die Teilnahme von zahlreichen jungen KollegInnen.

Im Vorfeld der Stuttgarter Tagung war eine aktuelle Studie von Catharina Schmalstieg erschienen, die sich mit neuen Streikformen beschäftigt, wie sie vor allem von ver.di in den Kämpfen in Stuttgart eingesetzt wurden und werden.1 Sie bestätigt, dass eine aktivierende Streikführung über tägliche Streikversammlungen und ständiges Einbeziehen von Streikenden in die Entscheidungen über die Kampfführung und die Ziele  zu einer größeren Mobilisierungsfähigkeit und letztlich zur Stärkung der Gewerkschaft auch in bislang schwach organisierten Bereichen führt. Der Sekretär der  UNIA (Schweizer Gewerkschaft für den Dienstleistungsbereich) Adrian Durtschi brachte das in einem Arbeitsgruppenbericht über seine Erfahrungen mit bislang streikunerfahrenen KollegInnen im Sozialbereich treffend so auf den Punkt: „Es gibt nichts Geileres, als erfolgreich zu streiken.“

Auch der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Stuttgart, Uwe Meinhardt, bestätigte die alte Erkenntnis der ArbeiterInnenbewegung, dass gemeinsamer Kampf und Bewusstseinsentwicklung in engem, dialektischem Verhältnis stehen. Er zog aus seiner Erfahrung in Nürnberg im bayerischen Metallstreik von 1995 nämlich den Schluss: „Das Erleben eines Arbeitskampfs ist eine unmittelbar prägende Erfahrung von Organisationsmacht.“ Nur schade, dass auch er in den letzten Jahren zu denjenigen in der IG Metall gehört hat, die die KollegInnen diese Erfahrung nicht mehr machen lassen.

Der langjährige, ehemalige Geschäftsführer von ver.di Stuttgart, Bernd Riexinger, verarbeitete in seinem Referat „Demokratisierung von Streiks – Revitalisierung der Gewerkschaftsarbeit“ die vielfältigen Erfahrungen im Stuttgarter ver.di-Bezirk und Beobachtungen aus anderen Bezirken und Branchen. Hierbei räumte er mit der irrigen Vorstellung auf, dass Kämpfe nur dann begonnen und erfolgreich geführt werden können, wenn bereits vor Beginn der Auseinandersetzung ein hoher Organisationsgrad bei den Belegschaften existiert. Ansonsten wären die Streiks im Handel, in Teilen des öffentlichen Dienstes, bei Banken und Versicherungen oder im Gebäudereinigungsgewerbe nicht möglich gewesen. Erforderlich waren hier betriebliche AnsprechpartnerInnen und vor allem ein mobilisierungsfähiger- und williger gewerkschaftlicher Apparat. Bernd Riexinger betonte auch die Notwendigkeit, für die Streikziele und die Gewinnung von Unterstützung Öffentlichkeit herzustellen und öffentliche Räume selbstbewusst zu besetzen. Die innere Struktur der Streikbewegung müsse demokratisch, durchschaubar und von den Streikenden beeinflussbar sein. Die Ziele und die einzelnen Kampfschritte müssten gemeinsam festgelegt und offen diskutiert werden. Am Ende müsse das Ergebnis den Streikenden schmecken, nicht der Verhandlungsführung.

Am Rande der Tagung trafen sich interessierte KollegInnen zum einen noch zu regionalen Treffen und zum anderen zu Branchentreffen, die erfreulich gut besucht waren. Allgemein wurde das Bedürfnis artikuliert, verstärkt gemeinsam an einer Veränderung der derzeitigen Mainstreampolitik der Gewerkschaften  zu arbeiten. Das wäre eine sinnvolle Fortsetzung des „gewerkschaftspolitischen Ratschlags“ und der Stuttgarter Konferenz. Dazu reichen allerdings keine Verbalbekundungen, hierzu muss praktisch vor Ort und in allen Gewerkschaftsstrukturen koordiniert zusammengearbeitet werden.

Erste Gelegenheit hierfür ist in der Frage der ersatzlosen Kündigung der DGB-Leiharbeitstarifverträge gegeben.

1 Catharina Schmalstieg, Partizipative Arbeitskämpfe, neue Streikformen, höhere Streikfähigkeit?, Publikation der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Februar 2013.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite