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Innenpolitik

Elterngeld als Bevölkerungspolitik

Von Maria Hanel | 01.06.2006

Die Geburtenrate in Deutschland liegt mit 1,3 Kindern pro Frau unter dem EU-Durchschnitt. Diese niedrige Zahl ist mit Sicherheit nicht zuletzt auf die katastrophale Familienpolitik zurück zu führen. Abhilfe soll ab 2007 die Ersetzung des Erziehungsgeldes durch das Elterngeld schaffen.

Die Geburtenrate in Deutschland liegt mit 1,3 Kindern pro Frau unter dem EU-Durchschnitt. Diese niedrige Zahl ist mit Sicherheit nicht zuletzt auf die katastrophale Familienpolitik zurück zu führen. Abhilfe soll ab 2007 die Ersetzung des Erziehungsgeldes durch das Elterngeld schaffen.

Der Kern des Elterngeldes ist die Auszahlung von 67% des wegfallenden Erwerbseinkommens (Netto), höchstens werden 1800€ pro Monat gezahlt. Der Bezugszeitraum soll auf 12 Monate beschränkt werden, wobei zwei so genannte „Vätermonate“ hinzukommen können. Das bedeutet, dass Familien, in denen sich beide Elternteile zeitweise „hauptberuflich“ um die Erziehung ihres Kindes kümmern, 14 Monate Anspruch auf Elterngeld haben. Für GeringverdienerInnen, oder Menschen, die gar kein Erwerbseinkommen beziehen, soll ein so genannter „Sockelbetrag“ von 300€ bezahlt werden. Dieser entspricht in der Höhe dem des bisher vorhandenen Erziehungsgeldes.

Eine erhebliche Verschlechterung liegt jedoch in der Tatsache, dass der Anspruch nur noch 14 Monate, nicht wie bisher 24 Monate gilt. Es trifft also wieder einmal die, die ohnehin bereits am wenigsten haben! Dies ist nicht etwa ein ungeplanter Schönheitsfehler des Gesetzentwurfes, sondern eine politisch gewollte Maßnahme. Erstens bedeutet die kürzere Auszahlungszeit eine erhebliche Kosteneinsparung für den Staat, zweitens sollen sich die viel zitierten Akademikerinnen bereit erklären endlich Mütter zu werden und letztlich steht der Entwurf zum Elterngeld voll im Trend des Rückzugs des Staates aus den Sozialsystemen.
Selbstverantwortliche Familien
„Familien (sind) für ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst verantwortlich“, so ist einer Presseerklärung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu entnehmen. Diese Aussage bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass es eben normal ist, dass Kinder aus armen Familien arm bleiben, und dass dies nicht ein Problem des Staates ist. Doch die Erziehung von Kindern ist kein Privatvergnügen, sondern gesellschaftliche Verantwortung, und darf nicht von wirtschaftlichen Überlegungen abhängig sein.
Kinder sind nicht mehr oder minder erfreulich, je nachdem ob sie  in deutsche oder nicht-deutsche, arme oder reiche Familien hinein geboren werden. Sie alle haben das Recht auf großzügige materielle sowie immaterielle Zuwendung.
Schnell wieder arbeiten
Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, beide Elternteile möglichst schnell zurück in die Berufswelt zu bringen. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass das Mutter-Werden für Frauen in der BRD weiterhin oft den Rückzug „hinter den Herd“ bedeutet, ist dieses Ziel natürlich unterstützenswert. Unklar bleibt jedoch, wie die Einführung von Elterngeld diesem Missstand Abhilfe schaffen soll. Das Versorgungsnetz von Krippen- und Kindergartenplätzen ist miserabel. Wenn die Betreuung des/der Kinder nicht gewährleistet ist, wird wohl das Elternteil des Kindes zu Hause bleiben, dessen Einkommen ohnehin das geringere ist, und das ist im Regelfall weiterhin das der Frau. Die Regierung wittert bereits positive Auswirkungen auf die Wirtschaft, wenn sie hofft, dass Kinder in individuell geregelte Betreuung gegeben werden. Doch wer kann sich denn bitte ein „Kindermädchen“ leisten? Auch hier wird der Maßstab bei den Bestverdienenden angelegt. Anstatt gebührenfreie Betreuungsplätze einzurichten, wo Kinder auch mit Gleichaltrigen in Berührung kommen, wird wieder der „Rückzug ins Private“ gefördert. Spätestens seit „Pisa“ ist gemeinhin bekannt, dass die Chancen in Deutschland außergewöhnlich stark von der (sozialen) Herkunft der Eltern abhängig sind. Nimmt der Staat nicht endlich seine Verantwortung für die Kinderbetreuung war, wird diese Tendenz sich noch verschärfen.

In Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit kann die Lösung, Frauen in die Arbeitswelt zu vermitteln, außerdem nicht darin bestehen, ihnen die Gelder zu kürzen. Hier wird das Bild vermittelt, dass wer Arbeit sucht, auch eine findet. Das ist eine Verhöhnung all derjenigen, die von Hartz IV abhängig sind. Arbeitsplätze entstehen nicht durch Kürzung bzw. Streichung von Sozialleistungen, sondern durch Verkürzung von Arbeitszeiten solange, bis Alle Arbeit haben. Und mehr Kinder werden hier nur geboren, wenn die Menschen eine gesicherte Existenz und eine Zukunftsperspektive haben, geboren.

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