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isl

Einleitung: Wer wird sind

01.08.2003

Anfang 2001 hat sich aus Mitgliedern und dem Umfeld der ehemaligen Vereinigung für Sozialistische Politik (VSP) die internationale sozialistische linke (isl) gegründet. Die gesellschaftliche und politische Entwicklung in Deutschland und weltweit – Wirtschaftskrise, Krieg, der Aufschwung einer neuen weltweiten Bewegung gegen neoliberale Politik – hat uns veranlaßt, wieder eine politische Organisation zu schaffen, die koordiniertes Handeln, einen aktionsorientierten Diskussionszusammenhang und strategische Debatten ermöglicht.

Unsere Voraussetzungen

Die isl kommt nicht aus dem Nichts. Sie knüpft an das Programm der VSP von 1986 und ihre damalige Zielsetzung an, die Kräfte der radikalen sozialistischen Linken zusammenzubringen.

Wir lehnen die kapitalistische Gesellschaftsordnung ab – sie bedeutet die Kommerzialisierung aller gesellschaftlichen Beziehungen, die Unterordnung sozialer Bedürfnisse unter das Diktat des ”Shareholder value” und des Profits privater Konzerne, die Konzentration von immer größerem Reichtum in den Händen eines immer geringeren Teils der Weltbevölkerung, die Zerstörung von gesellschaftlichen Beziehungen und natürlichen Ressourcen, und schließlich einen ”lang andauernden” Krieg der reichen Welt gegen die arme Welt, der Gefahr läuft, die Menschheit mit militärischen und terroristischen Mitteln in die Barbarei zurückzuversetzen.

Wir wollen eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die auf dem Grundsatz der Solidarität und der freien Entfaltung aller Frauen und Männer, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit und Nationalität fußt; die sich an der Befriedigung der elementaren materiellen und kulturellen Bedürfnisse und nicht an der privaten Bereicherung und auch nicht am Gebot der wirtschaftlichen Standortkonkurrenz orientiert; die gleiche soziale Rechte für alle kennt und auf internationaler Ebene gleichberechtigte Kooperation anstelle von Vormachtstreben und Ausplünderung pflegt, in der die private Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft und die natürlichen Ressourcen aufgehoben ist.

Wir stehen für sozialistische Demokratie und lehnen jede Ordnung ab, in denen Menschen sich durch Kapital oder durch Verfügung über bürokratische Apparate Privilegien verschaffen. Wir treten für die uneingeschränkte Freiheit aller Menschen ein, sich politisch und gewerkschaftlich zu organisieren, und für ihr Recht, gleichermaßen an den gesellschaftlichen Entscheidungen über die Verteilung der Ressourcen und des von ihnen erwirtschafteten Reichtums teilzunehmen. Wir wollen eine Beteiligungsdemokratie anstelle einer repräsentativen Demokratie, die die wesentlichen Entscheidungen auf einen immer kleineren Kreis von Menschen reduziert und einen immer größeren Teil von der Teilhabe am Wohlstand, an kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten und an demokratischer Mitentscheidung ausschließt.

Unsere Tradition

Wir stehen in der Tradition der Linken, die sich im vergangenen Jahrhundert sowohl gegen die Sozialdemokratie wie auch gegen den Stalinismus gewandt haben. Die Sozialdemokratie ist seit dem Ersten Weltkrieg synonym mit der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Interessen des deutschen Kapitals und der Expansionspolitik des deutschen Staats. Der Stalinismus war ein Regime, in dem den ProduzentInnen eine Selbstorganisation verwehrt und der Zugang zu staatlichen Entscheidungen versperrt war, wenn sie andere Auffassungen vertraten als die Parteiführung. Der Stalinismus hat abgewirtschaftet, wie alle Formen bürokratischer Diktatur in nichtkapitalistischen Gesellschaften. Die Sozialdemokratie agiert nur noch als eine Partei, die um subtilere Formen der Ausbeutung und eine effizientere Durchsetzung der Herrschaftsinteressen des Kapitals bemüht ist; sie sieht ihre wichtigste Rolle heute darin, die sozialen Verwerfungen auf der Jagd nach Profit möglichst billig abzufedern. Sie ist nicht mehr fähig, unabhängig von Kapitalinteressen die sozialen und politischen Belange derer zum Ausdruck zu bringen, die gezwungen sind, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben.

Wir sind Teil der Arbeiterbewegung. Darunter verstehen wir nicht nur die Gewerkschaften und Interessenvertretungen von besser gestellten Schichten von Erwerbstätigen. Im Gegenteil: Wir kämpfen für einen grundlegenden Wandel im Selbstverständnis der Gewerkschaften, damit sie sich nicht nur für diejenigen zuständig fühlen, die Arbeit und Einkommen haben, sondern gerade für diejenigen, die innerhalb der Arbeiterklasse von staatsbürgerschaftlichen Rechten, sozialer Sicherheit, tariflich abgesicherten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen, gleichem Lohn für gleiche Arbeit oder überhaupt von der Aussicht auf einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz ausgeschlossen sind: MigrantInnen, Erwerbslose, Frauen, Leiharbeitende, prekär Beschäftigte jeglicher Art. Wir kämpfen für Gewerkschaften, die sich den Herausforderungen der neoliberalen Globalisierung stellen und sie mit dem Aufbau international streikfähiger Verbände beantworten; für Gewerkschaften, die solidarisch sind mit anderen sozialen Bewegungen, in denen sich Betroffene organisieren.

In diesem Sinne sehen wir die Notwendigkeit einer grundlegenden gewerkschaftlichen und politischen Neuformierung der Arbeiterklasse, die ihrem Strukturwandel und den neoliberalen Herausforderungen gerecht wird. Wir brauchen kämpferische Gewerkschaften und eine sozialistische Partei neuen Typs.

Unsere Arbeit

Wir sehen in der neuen weltweiten Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung und die Konzernherrschaft eine Hoffnung und einen sehr wichtigen Ansatz. Sie wird genährt von verschiedenen sozialen Bewegungen, politischen Strömungen und Nichtregierungsorganisationen, die das Bestreben eint, eine solidarische Alternative zur bestehenden Weltwirtschaftsordnung aufzubauen. Wir treten dafür ein, daß Studierende, Erwerbslose, LandwirtInnen, GewerkschafterInnen, Frauen und MigrantInnen ihre Belange in diese Bewegung einbringen und national wie international den Schulterschluß mit allen suchen, die gemeinsam gegen die Konzernherrschaft kämpfen. Hier ist der Ort, wo eine neue Internationale der sozialen Bewegungen aufgebaut werden kann – und das ist die Voraussetzung dafür, daß wir einen solidarischen Ausweg aus der drohenden Barbarei finden.

Sie wird auch eine Grundlage für eine politische Neuformierung der sozialistischen Linken sein. Nach dem Fall der Mauer, mit der weitgehenden Aufhebung der nationalen Kontrollen über die Finanzmärkte und der damit einher gehe
nden Verschärfung der Konkurrenz zwischen Arbeitnehmern verschiedener Wirtschaftsregionen, mit der verstärkten EU-Integration auf neoliberaler Basis und schließlich dem anhaltenden Krieg um die Vorherrschaft auf der Welt ist es nicht mehr möglich, Alternativen zum Bestehenden im nationalstaatlichen Rahmen zu formulieren. Wer nur das deutsche Kapital und die deutsche Geschichte oder nur die Interessen der deutschen Lohnabhängigen zum Maßstab nimmt, scheitert daran, daß er entweder dem US-Imperialismus oder dem deutschen Nationalismus oder einem EU-Nationalismus das Wort redet. Auch politisch muß eine Neuformierung der sozialistischen Linken deshalb am Aufbau einer neuen Internationale ansetzen. Aus diesem Grund sind wir Mitglied in der IV. Internationale; aus diesem Grund unterstützen wir zugleich die jüngsten Bemühungen, einen breiteren Zusammenhang der radikalen sozialistischen Parteien und Bündnisstrukturen in Europa zu schaffen.

Unser Verhältnis zu anderen Organisationen

Kräfte, die ähnliche programmatische Inhalte formulieren wie wir, gibt es heute in vielen Organisationen der Linken und der radikalen Linken in Deutschland. Keine dieser Organisationen kann beanspruchen, die Kraft zu sein, die die notwendige Neuformierung bereits verkörpert. Das gilt nicht für die zahlreichen politischen Gruppen, die aus der Zeit vor 1989 ”übriggeblieben” sind, das gilt auch nicht für die PDS, die ihre Rolle als antikapitalistische Oppositionspartei weitgehend aufgegeben hat. Auf sich gestellt repräsentiert auch die isl nicht diese Kraft. Indem wir jedoch die strategische Orientierung auf eine solche Neuformierung formulieren, unterscheiden wir uns von anderen politischen Gruppen, die entweder für sich einen Parteianspruch behaupten oder die Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen und politischen Neuformierung ignorieren oder keinen internationalen Ansatzpunkt haben. Deshalb konstituieren wir uns als isl. Wir tun dies mit dem langfristigen Ziel, aus den sozialen Bewegungen heraus und mit vielen anderen zusammen in Deutschland wieder eine breite Partei der sozialistischen Opposition zu schaffen, die Teil dieser internationalen Neuformierung sein will.

Eine solche Partei kann nur aus Massenkämpfen entstehen; sie muss zugleich die besten Traditionen der Arbeiterbewegung kritisch aneignen und vermitteln und die Lehren aus den gescheiterten Erfahrungen der Arbeiterbewegung ziehen; sie muss pluralistisch und demokratisch strukturiert sein; sie muss sich als gleichberechtigter Partner sozialer Bewegungen begreifen, mit denen sie politische Willensbildung und Vertretung teilt. Sie muss eine Organisation von Aktiven sein, wo die Basis materiell und politisch in der Lage ist, die Führung zu kontrollieren. Wir sehen eine vorrangige Aufgabe einer solchen Partei darin, Organe der gesellschaftlichen Gegenmacht zu schaffen bzw. zu befördern. Hier, nicht in den Parlamenten, entscheidet sich das gesellschaftliche Kräfteverhältnis. Das strategische Ziel einer solchen Partei muss sein, die politische Macht der Konzerne zu brechen und an ihre Stelle eine breite Beteiligungsdemokratie treten zu lassen.

Wir streben eine Einheit der sozialistischen Linken auf dieser Grundlage an. Wir lehnen dabei jeden Hegemonieanspruch für eine bestimmte Strömung oder Organisation ab, einschließlich unserer eigenen.

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