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Eine Welle für Bush

Von Harry Tuttle | 01.10.2007

In den USA wächst die Kritik am Irakkrieg, doch Präsident Bush will die Truppenzahl nicht reduzieren. Eine Lizenz zum Töten haben die von privaten Sicherheitsfirmen im Irak beschäftigten Söldner nicht, aber das im Jahr 2004 von der US-Besatzungsbehörde CPA erlassene Dekret Nr. 17 kommt dem recht nahe. Es garantiert den als „contractors“ (Auftragnehmern) bezeichneten Beschäftigten von Söldneragenturen „Immunität vor juristischen Verfahren im Irak“.

In den USA wächst die Kritik am Irakkrieg, doch Präsident Bush will die Truppenzahl nicht reduzieren.

Eine Lizenz zum Töten haben die von privaten Sicherheitsfirmen im Irak beschäftigten Söldner nicht, aber das im Jahr 2004 von der US-Besatzungsbehörde CPA erlassene Dekret Nr. 17 kommt dem recht nahe. Es garantiert den als „contractors“ (Auftragnehmern) bezeichneten Beschäftigten von Söldneragenturen „Immunität vor juristischen Verfahren im Irak“.
Grund zur Zurückhaltung haben die Söldner daher nicht, häufig schießen sie auf Zivilisten. Am 16. September eröffneten Söldner der Firma Blackwater in Bagdad das Feuer auf Passanten, nachdem in der Nähe eines von ihnen begleiteten Konvois eine Granate explodiert war, und töteten elf Menschen.

Die irakische Regierung will nun das CPA-Dekret widerrufen, die Arbeitslizenz für Blackwater aufheben und auch die Genehmigungen für andere Söldnerfirmen überprüfen. Umgehend griff US-Außenministerin Condoleezza Rice zum Telefon, um Premierminister Nuri al-Maliki umzustimmen. Es ist jedoch möglich, dass Maliki – ohnehin verärgert über recht offene Debatten in Washington über seine mögliche Ablösung – angesichts der Empörung im Irak diesmal hart bleibt.
Mehr Söldner als Soldaten
Die US-Regierung hätte dann ein weiteres Problem, denn die Söldner müssten durch Soldaten ersetzt werden. Nach Angaben des Pentagon sind 20 000 „contractors“ aus den USA im Irak tätig. Hinzu kommen etwa 40 000 private Sicherheitskräfte aus anderen Ländern und 120 000 Irakis. Damit übersteigt die Zahl der Söldner die der im Land stationierten US-Truppen (derzeit knapp 160 000).

Kritik an der Privatisierung des Krieges, für die allein Blackwater 800 Millionen Dollar kassiert, kommt sogar aus dem US-Establishment. Henry Waxman, Vorsitzender des Komitees im Repräsentantenhaus,  das die Regierungstätigkeit überwacht, warnte vor „den Gefahren des exzessiven Vertrauens auf private Sicherheitsfirmen“. Doch für die Regierung sind die Söldner unerlässlich, ohne sie würde die Logistik der Armee zusammenbrechen, und wenn sie getötet werden, tauchen sie in keiner Statistik auf.

Mehr als 3 740 US-Soldaten wurden im Irak getötet, eine wachsende Zahl von Veteranen und Familienangehörigen von Soldaten beteiligt sich an den Aktivitäten der Friedensbewegung. Etwa 100 000 Menschen demonstrierten am 15. September in Washington gegen den Irakkrieg, der Umfragen zufolge mittlerweile von mehr als 60 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird. Dennoch zeigt Präsident George W. Bush keine Bereitschaft, die Truppen abzuziehen.

Derzeit muss er vor dem Kongress seine Irakpolitik rechtfertigen. Als erstes ließ er General David H. Petraeus aufmarschieren, den Kommandanten der im Irak stationierten Truppen. Seine Ernennung gehörte zu den geschickteren Schachzügen Bushs. Petraeus war Mitautor des im vergangenen Jahr veröffentlichten Armeehandbuchs zur Aufstandsbekämpfung, das implizit die bislang verfolgte Strategie kritisierte. Einmal eingebunden und mit 30 000 zusätzlichen Soldaten ausgestattet, blieb ihm nun kaum etwas anderes übrig, als Erfolge zu vermelden. Petraeus stellt „Fortschritte auf dem Feld der Sicherheit“ fest und meint, die Ziele der als „surge“ (Welle) bezeichneten Offensive im Zentralirak seien „in großem Maße erreicht“.
Gewalt und Cholera
Viele der von ihm genannten Erfolge beruhen auf statistischen Spielereien, etwa wenn er einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer um 45 Prozent konstatiert, aber dann selbst sagt, dass im Vergleichsmonat Dezember 2006 „der Höhepunkt konfessioneller Gewalt“ zu verzeichnen war. Dass die Gewalt in Bagdad zurückgegangen ist, liegt schlicht daran, dass die „ethnischen Säuberungen“ durch schiitische Milizen weitgehend abgeschlossen sind. Wie schlecht der zivile Wiederaufbau läuft, belegt der Choleraausbruch im Nordirak. Etwa 16 000 Menschen sind dort erkrankt, weil das Trinkwasser verschmutzt ist.
Den einzigen wirklichen Erfolg hat die US-Armee al-Qaida zu verdanken. Die Jihadisten haben jahrelang mehrere Provinzen im Zentralirak terrorisiert und unzählige ZivilistInnen ermordet. Viele sunnitische Stammesmilizen haben sich deshalb gegen al-Qaida gewandt und kämpfen derzeit gemeinsam mit den US-Truppen. Die meisten Milizenführer lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass sie einen sofortigen Rückzug der US-Soldaten erwarten, sobald die Jihadisten vertrieben worden sind. Petraeus will jedoch, ganz im Sinne Bushs, nur die 30 000 zusätzlich entsandten Soldaten bis Juli 2008 zurückziehen, weitere konkrete Aussagen über Truppenreduzierungen hält er für „verfrüht“.

Bush ist offenbar entschlossen, bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 keine Truppenreduzierung zuzulassen. Es ist recht wahrscheinlich, dass Hillary Clinton oder Barack Obama von der Demokratischen Partei die Präsidentschaftswahl gewinnt. Sollten sie sich dann für einen schnellen Truppenabzug entscheiden, könnten die Republikaner ihnen die Schuld an der Niederlage geben.

Doch die tatsächliche Position der Demokraten ist unklar. Sie kritisieren Bush, der durch zahlreiche taktische und strategische Fehler das Desaster verschlimmerte, und fordern schnellere Truppenreduzierungen. Ihre Abgeordneten nutzen jedoch nicht die vorhandenen parlamentarischen Möglichkeiten, um das Kriegsbudget zu beschneiden. Eine realpolitische Alternative, die die US-Interessen im Irak wahren würde, haben sie nicht. Hillary Clinton bereitet die Abkehr von kritischen Positionen bereits vor, wenn sie sagt, der Krieg müsse „sicher und verantwortungsbewusst“ beendet werden.

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