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Länder

Ein Marine in Mogadishu

Von Harry Tuttle | 01.02.2007

Die äthiopische Armee vertrieb mit Unterstützung der USA islamistische Milizen aus Somalia. Nun wird das Land wieder den Warlords überlassen. PolitikerInnen und DiplomatInnen dürfen nicht nachtragend sein, selbst wenn sie für den mächtigsten Staat der Welt arbeiten. „Einen glorreichen Tag für die Somalis“ nannte Hussein Mohammed Farrah Aideed das Gefecht, bei dem im Oktober 1993 in Mogadishu 18 US-Soldaten getötet wurden, bei seiner Antrittsrede als Milizenführer.

Die äthiopische Armee vertrieb mit Unterstützung der USA islamistische Milizen aus Somalia. Nun wird das Land wieder den Warlords überlassen.

PolitikerInnen und DiplomatInnen dürfen nicht nachtragend sein, selbst wenn sie für den mächtigsten Staat der Welt arbeiten. „Einen glorreichen Tag für die Somalis“ nannte Hussein Mohammed Farrah Aideed das Gefecht, bei dem im Oktober 1993 in Mogadishu 18 US-Soldaten getötet wurden, bei seiner Antrittsrede als Milizenführer. Sein Vater, dessen Kämpfer den US-Elitetruppen so schwer zugesetzt hatten, war kurz zuvor bei einem Scharmützel erschossen worden.
Damals, im Jahr 1996, war man in Washington etwas verärgert über Aideed. Zumal der Mann das Kriegshandwerk in den USA gelernt hatte, Aideed absolvierte in den achtziger Jahren eine Ausbildung beim Marine Corps. Doch nach dem 11. September 2001 wies Aideed immer wieder auf die angebliche Gefahr hin, die von islamistischen Terroristen in Somalia ausgehe, und bot den USA an, in seinem Herrschaftsgebiet Militärbasen zu errichten. Die wollte die Regierung in Washington gar nicht haben, aber die Botschaft nahm man zu Kenntnis.
Warlords werden Minister
Zeitweise hatte das Kriegsglück Aideed verlassen. Noch bevor die islamistischen Milizen der Union der Islamischen Gerichte (UIC) im Sommer 2006 die Hauptstadt Mogadishu eroberten, hatte er unter dem Druck stärkerer Warlords das Feld räumen müssen. Da fügte es sich trefflich, dass mit Hilfe der UNO eine Übergangsregierung (TFG) aufgestellt wurde. Aideed ergatterte den Posten des Innenministers. Er und etwa 100 weitere Minister und Vizeminister, überwiegend ebenfalls abgehalfterte Warlords, erhalten seit 2004 ein Gehalt von der UNO. Da die Warlords von Mogadishu ausgeschlossen blieben, verwehrten sie der TFG den Zutritt zur Hauptstadt. Brenzlig wurde es, als die Islamisten auch auf den Regierungssitz in der Provinzstadt Baidoa zumarschierten. Die TFG, bereits zuvor durch interne Spaltungen dezimiert, stand kurz vor der Auflösung.
Diesmal eilte die äthiopische Armee zur Hilfe. Mit 120 Panzern und dem Einsatz der Luftwaffe gelang es, das von den islamistischen Milizen gehaltene Zentral- und Südsomalia zu erobern. Auch die US-Luftwaffe griff ein, die Soldaten der TFG waren eher Statisten. Die Übergangsregierung kann nun erstmals in der Hauptstadt residieren, allerdings kommt es fast täglich zu Scharmützeln mit Milizionären.

Äthiopien rechtfertigte die Militärintervention mit der Notwendigkeit, den islamistischen Terror bekämpfen zu müssen. Die US-Regierung unterstützte den Einmarsch, und als General John Abizaid, dem die US-Truppen in der Region unterstehen, im November 2006 Addis Abbeba besuchte, dürfte er mit der äthiopischen Regierung Absprachen getroffen haben. Allerdings ist selbst in der US-Regierung umstritten, wie gefährlich die somalischen Islamisten sind. Der Geheimdienstkoordinator John Negroponte bezweifelte öffentlich die Einschätzung des Außenministeriums, der zufolge die UIC von al-Qaida kontrolliert wird.
Es gibt eine Reihe von Parallelen zwischen der UIC und den afghanischen Taliban. Grundlage des Erfolgs beider Bewegungen ist die von einem langjährigen Bürgerkrieg verursachte gesellschaftliche Zerrüttung und der Verfall jeglicher Wirtschaftstätigkeit. In Somalia waren es zunächst Geschäftleute, die in der Gründung von Sharia-Gerichten ein Mittel sahen, der Ausplünderng durch Milizionäre und der Gesetzlosigkeit Einhalt zu gebieten. Ein Gericht muss seine Urteile auch durchsetzen können, so bildeten sich schnell islamistische Milizen. Mit Unterstützung Eritreas und einiger arabischer Staaten wurden die Milizen zu einer schlagkräftigen Kampftruppe.
Eine Mahnung von al-Qaida
Innerhalb der UIC setzten sich bald islamistische Ideologen gegen die „Gemäßigten“ durch, die in der Sharia vor allem ein Mittel sahen, wieder ein geregeltes Geschäftsleben zu ermöglichen. In den eroberten Gebieten wurde ein Regime des Tugendterrors eingeführt, die Islamisten verboten öffentliche Tanzveranstaltungen und den Genuss der traditionellen Droge Khat. Die Somalis, überwiegend konservativ, aber nicht gewillt, sich auch noch die wenigen verbliebenen Vergnügungen nehmen zu lassen, waren über die neuen Herren nicht glücklich. Viele akzeptierte sie jedoch als geringeres Übel im Vergleich zum Terror der Warlords.
Al-Qaida versucht jeden Konflikt, an dem Muslime beteiligt sind, zu nutzen. Allzu groß scheint der Einfluss in Somalia jedoch nicht zu sein. Obwohl das US-Militär sogar Forensiker in die von der Luftwaffe bombardierten Orte schickte, gelang es nicht, auch nur ein gesuchtes al-Qaida-Mitglied zu finden. „Ihr müsst sie in den Hinterhalt locken, Minen legen und Märtyreroperationen durchführen“, mahnte Anfang Januar Ayman al-Zawahiri, der Stratege der al-Qaida, offenbar unzufrieden mit dem mangelnden Kampfgeist der somalische Islamisten, die sich schnell zurückgezogen hatten.

Mit dem Rückzug sank auch das internationale Interesse an Somalia rapide. Meist wird nach einem „regime change“ eine großzügige Finanzhilfe zumindest zugesagt. Nicht so in Somalia. Während Irakis und Afghanen Demokratie und wirtschaftlicher Aufbau wenigstens versprochen wurde, wird Somalia den Warlords überlassen, und die „internationale Gemeinschaft“ scheint nicht einmal bereit zu sein, der TFG nennenswerte Unterstützung zukommen zu lassen. Derweil sorgt eine Land- und Seeblockade dafür, dass Flüchtlinge das Land nicht verlassen können.

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