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Innenpolitik

Durch neues Hartz IV-Gesetz entrechtet

Von Karl Lindt | 01.04.2006

Die große neoliberale Koalition aus CDU, SPD, FDP und Grünen im Bundestag verschärft ihre Angriffe auf junge Arbeitslose. Bis zum 25. Lebensjahr werden Jugendliche nun verpflichtet, bei ihren Eltern zu bleiben und erhalten nur noch ein gekürztes Alg II, wenn sie ohne Job sind. Wer im Wettrennen um einen der wenigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze leer ausgeht und dadurch auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, sieht sich nun mit einer verstärkten Repression des Arbeitsamtes konfrontiert.

Die große neoliberale Koalition aus CDU, SPD, FDP und Grünen im Bundestag verschärft ihre Angriffe auf junge Arbeitslose. Bis zum 25. Lebensjahr werden Jugendliche nun verpflichtet, bei ihren Eltern zu bleiben und erhalten nur noch ein gekürztes Alg II, wenn sie ohne Job sind.

Wer im Wettrennen um einen der wenigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze leer ausgeht und dadurch auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, sieht sich nun mit einer verstärkten Repression des Arbeitsamtes konfrontiert. Am 17. Februar hat der Bundestag mehrheitlich in zweiter und dritter Lesung ein neues Hartz IV-Änderungsgesetz beschlossen. Auch der Bundesrat winkte am 10. März das Gesetz durch. Danach erhalten ab Juli bei ihren Eltern wohnende junge Erwachsene wie Minderjährige nur noch maximal 80 Prozent vom Regelsatz des Arbeitslosengeldes II. Dies bedeutet, dass sie nur noch 276€ (West) bzw. 265€ (Ost), anstatt wie bisher den vollen Regelsatz, zur Verfügung haben. Zusätzlich beinhaltet das neue Hartz-Änderungsgesetz, dass junge Alg II-EmpfängerInnen bis zu ihrem 25. Lebensjahr verpflichtet werden, bei ihren Eltern wohnen zu bleiben. Das Wohngeld und der volle Regelsatz Alg II werden unter 25jährigen nur noch in Sonderfällen zugebilligt. Was aber ein „Sonderfall” ist, hängt von der Willkür der Arbeitsämter ab. Hierfür gibt es keine festgelegten Richtlinien.
Gesetzesänderung verhindert freie Entwicklung
In einer kapitalistischen Ordnung stellt die Familie die Basis der Gesellschaft dar. In diese Gussform soll der junge Mensch so eingepasst werden, dass er bzw. sie in der Lage ist, sich der Gesellschaft, so wie sie ist, zu fügen. Durch die moralische und finanzielle Abhängigkeit von der Familie und den darin vorherrschenden Werten des Respekts und des Unterordnens unter die Eltern wird der junge Mensch gemäß dem Leitbild der bürgerlichen Familie schon von klein auf zur Unmündigkeit erzogen. Im bisherigen Normalfall konnte mensch sich aber nach dem Abschluss der Schullaufbahn mehr oder weniger frei entwickeln, indem er/sie sich eine Erwerbsarbeit gesucht hat, die ihm/ihr eine relative finanzielle Unabhängigkeit von den Eltern gab. Auch wenn die Auszubildendenvergütung es oft nicht ermöglichte, sofort eine komplette finanzielle Unabhängigkeit von den Eltern zu schaffen, war dies doch spätestens nach der Ausbildung garantiert. Dann konnte endlich eine selbstbestimmte, von den Eltern losgelöste, Lebensführung beginnen.
Heute in Zeiten von Massenerwerbslosigkeit, Ausbildungsplatzmangel, Studiengebühren, explodierenden Energiepreisen, usw. sieht die Realität für immer mehr junge Menschen ganz anders aus. Eine eigene Wohnung und ein selbstbestimmtes Leben können sich immer weniger junge Menschen leisten. Wer das Wettrennen um eine Arbeits- bzw. Ausbildungsstelle verliert und dadurch auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, wird nun mit dem neuen Gesetz zu einem Erwachsenen zweiter Klasse gemacht. Arbeitslose Jugendliche werden unter einen generellen Missbrauchsverdacht der staatlichen Unterstützungsgelder gestellt. Sie müssen nun dafür herhalten, die Milliardenlücke, die Hartz IV im deutschen Sozialsystem verursacht hat, zu stopfen.
Einzige Perspektive: Gemeinsamer Widerstand
Nicht nur in der Bundesrepublik werden momentan die Rechte der Jugend immer weiter beschnitten. In Frankreich möchte der Ministerpräsident Villepin ein Gesetz zur Vernichtung des Kündigungsschutzes durchsetzten. Um den befürchteten Protest nicht zu groß werden zu lassen, wird erst einmal der Kündigungsschutz für die Jugend gestrichen. Doch die Lohnabhängigen in Frankreich lassen sich nicht von Regierung und Kapital spalten. In den letzten Wochen demonstrierten Millionen Menschen jeglichen Alters gegen die Angriffe auf die Jugend. Denn sie wissen genau: Wenn heute der Kündigungsschutz für die Jugend fallen soll, steht spätestens morgen der gesamte Kündigungsschutz vor der Abschaffung. Genauso wie in Frankreich kann auch in Deutschland der Sozialkahlschlag nur bekämpft werden wenn wir gemeinsam dagegen vorgehen.
Lassen wir uns nicht in Jung und Alt, Frau oder Mann, Deutsche/r oder MigrantIn spalten. Wenn wir eine Jugend wollen, die sich frei entwickeln kann, ohne von den autoritären Verhältnissen der bürgerlichen Familie und des Staates abhängig zu sein, müssen wir gemeinsam darum kämpfen. 

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