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Betrieb & Gewerkschaft

Doppelverdiener mit Doppelmoral

Von B.B. | 01.04.2005

Mitglied der Babcockfraktion im Bundestag: Wolfgang Grotthaus. Im Januar ging die was tun (sozialistische Betriebszeitung bei Babcock) Nr. 140 auf die Nebentätigkeit von Bundestagsabgeordneten ein und fragte, ob Babcock den Oberhausener SPD-MdB Wolfgang Grotthaus, der früher bei einer Babcock-Tochter tätig gewesen war, für „Nebentätigkeiten” bezahlt hatte. Damit traf was tun ins Schwarze.

 
Der Insolvenzverwalter von Babcock, Schmitz, wurde aktiv und bat Herrn Grotthaus schriftlich um Auskunft, welche Tätigkeiten Grotthaus in der Zeit vom Januar 1999 bis Juni 2003 für Babcock erbracht habe. Im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus einem Artikel der was tun Nr. 141 vom 5.3.2005:
„…Grotthaus kassierte nicht nur als Bundestagsabgeordneter Diäten von zuletzt monatlich 7009 Euro Grundentschädigung und 3589 Euro steuerfreie Kostenpauschale. Er bekam nebenbei von Babcock noch Monat für Monat 5625 DM bzw. 2916,66 Euro für ‘Nebentätigkeiten‘ (Welt am Sonntag, 27.2.05) bis Mitte 2003 – als Babcock bereits ein Jahr Pleite war (Rheinische Post, 26.2.05). Dabei schied der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Grotthaus zur Zeit der Bundestagswahl 1998 bei der Deutschen Babcock Anlagen GmbH (DBA) aus. Ein halbes Jahr nach Grotthaus Abgang verloren bei der DBA 110 KollegInnen ihren Arbeitsplatz und 130 weitere wurden nach Gummersbach versetzt. Doch der frisch gebackene Bundestagsabgeordnete hatte bereits Anfang Januar 1999 in der Babcock Verwaltungsdienste GmbH einen neuen (Phantom?)Arbeitsplatz bekommen.

Was tat Grotthaus?

In einem „Arbeits”vertrag verpflichtete sich Grotthaus, für monatlich 5625 DM „im Bedarfsfall stundenweise oder tageweise” (Rheinische Post, 26.2.05) für die Babcock Verwaltungsdienste GmbH tätig zu sein. Lt. Grotthaus sei es seine Aufgabe gewesen, Aufträge für das Gebäudemanagement hereinzuholen (NRZ, 25.2.05). Grotthaus zählte auf, er habe „den jugoslawischen Markt mit aufgebaut, Kontakte zu Firmen gemacht und öffentlich-private Unternehmensmodelle entwickelt” (Rheinische Post, 26.2.05). Das ist allein schon deshalb merkwürdig, weil die Babcock Verwaltungsdienste GmbH überhaupt keine eigene Akquisition hatte. Eine genaue Auflistung dieser Tätigkeiten verlangt nun Schmitz von Grotthaus und spricht notfalls von Rückforderungen.

Wo bleibt mein Geld?

Als Babcock 2002 kurz vor der Insolvenz stand, hatte Grotthaus vor allem ein Problem: „(…) er habe, als er plötzlich über mehrere Monate im Jahr 2002 kein Geld mehr von Babcock erhalten hatte, angefragt, was denn los sei” (Rheinische Post, 26.2.05). „Was denn los sei”, hätte Grotthaus aber eigentlich wissen müssen, gibt er doch an, „er (sei) fortlaufend bei der Konzernspitze, auf der Ebene von Abteilungsleitern und Betriebsräten in Oberhausen ein- und ausgegangen” (Welt am Sonntag, 27.2.05). Grotthaus: „Ich war Arbeitnehmer-Vertreter und hatte drei Monate kein Geld erhalten. Das habe ich mit dem Personalvorstand Gerd Woriescheck besprochen” (NRZ, 25.2.05). In Wirklichkeit war Grotthaus zu diesem Zeitpunkt längst kein Arbeitnehmer-Vertreter mehr, weil er zur Zeit seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten im Herbst 1998 als Betriebsrat ausschied und als Betriebsratsvorsitzender ersetzt worden war. Anfang 2002 sei dann, so Grotthaus, „die Kündigung vereinbart worden” – und das bei einem „Mitarbeiter”, der lt. Rheinischer Post vom 26.2.05 „nicht auf der Personalliste (stand)” und „so auch keine Kündigung erhalten konnte” .

Lobby

Das englische Wort Lobby bezeichnet lt. Duden eine Interessengruppe, die versucht, die Entscheidung von Abgeordneten zu beeinflussen. Es handelt sich z.B. um Kapitalgruppen, die Abgeordnete unter ihren Einfluss bringen. Grotthaus gibt selbst an: „Ich wurde auf Wunsch des Vorstandes der Babcock-Borsig AG im Arbeitsverhältnis gehalten”. Unter anderem sei es seine Aufgabe gewesen, „(…) Treffen des Babcock-Betriebsrates in Berlin mit Kanzler Gerhard Schröder und dem damaligen SPD-Fraktionschef Peter Struck vorzubereiten” (NRZ 25.2.05). „Er habe dem Unternehmen vielfach ‘über die politische Schiene‘ hilfreich sein können – beispielsweise mit Kontakten zu Unternehmen im damals kriegerischen Kosovo. Auch Babcock-Drähte zum späteren Kunden Bundeswehr seien auf seine Arbeit zurückzuführen” (Welt am Sonntag, 27.2.05). Wie verkommen muss eine parlamentarische Demokratie sein, in der ein Abgeordneter stolz verkündet, für eine Kapitalgruppe wie Babcock politisch aktiv geworden zu sein?! (…) Es spricht für die bürgerliche Moral dieser Kaste, die Arbeitslose mit Hartz IV (= 345 Euro monatlich + Warmmiete) ins Elend treibt, wenn `Doppelverdiener` Grotthaus erklärt: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen” (WAZ 26.2.05)”.

Altersteilzeit ohne Geld

Soweit was tun. Mittlerweile hat der Grotthaus-Skandal breite Kreise gezogen. Besonders scharf gingen einige Kollegen von Babcock mit dem SPD-MdB ins Gericht, die kürzlich einen Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht verloren, in dem sie für den Erhalt ihrer hart erarbeiteten Altersteilzeitbezüge stritten. Diese teils sechsstelligen, hart erarbeiteten Ansprüche fallen wegen der Insolvenz für die in die Freizeit gewechselten KollegInnen fast völlig weg, da im damaligen Babcock-Konzern verantwortliche SPD-Betriebsräte trotz der bekannten finanziellen Schieflage als Sicherheit für die Alterteilzeitbezüge eine wertlose Konzernbürgschaft statt eine Bankbürgschaft akzeptiert hatten. Aus dem Kreis der Betroffenen kam nun in der bürgerlichen Presse u.a. die Kritik: „Die so genannten `sozialpartnerschaftlichen` Politiker der SPD-Betriebsratsspitzen bei Babcock haben den Insolvenzschutz nicht abgesichert, wohl aber als `Interessenvertreter` in eigener Sache ihre eigenen Nebeneinkünfte”. Die Kritik zog solche Kreise, dass der Unterbezirksvorstand der SPD den eigenen MdB Grotthaus halb fallen ließ und beschloss, noch keine Empfehlung für den künftigen Kandidaten bei der Bundestagswahl 2006 abzugeben.

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