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Länder

Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Von D. Berger | 01.06.2007

Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich ist auch international von nicht geringer Bedeutung: zum einen wegen der Auswirkungen auf die Politik der EU (im Besonderen auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik und der Angriffe auf die demokratischen Freiheiten), zum anderen wegen der Lehren, die sich daraus für die Kandidaturen antikapitalistischer Kräfte ergeben.

Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich ist auch international von nicht geringer Bedeutung: zum einen wegen der Auswirkungen auf die Politik der EU (im Besonderen auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik und der Angriffe auf die demokratischen Freiheiten), zum anderen wegen der Lehren, die sich daraus für die Kandidaturen antikapitalistischer Kräfte ergeben.

Sarkozys Wahl zum Präsidenten ist ein klarer Etappensieg der Rechten. Er hat mit dem Versprechen des Bruchs mit der Ära Chirac zwar keine Verschiebung der allgemeinen politischen Kräfteverhältnisse erreicht, aber immerhin viele politisch Desorientierte auf seine Seite gezogen. Dies war vor allem deshalb möglich, weil auch die französische Sozialdemokratie inzwischen immer mehr nach rechts rückt.

Sarkozy gelang der Wahlsieg dank einer populistischen, fremdenfeindlichen und nationalistischen Kampagne für mehr Sicherheit, für die „französische Identität“,  gegen den EU-Beitritt der Türkei usw. Er hat also in nicht unerheblichem Maß Le-Pen-WählerInnen zu sich rübergezogen. Die extreme Rechte verliert im Vergleich zu 2002 (Le Pen und Mégret) trotz gestiegener Wahlbeteiligung 1,5 Millionen Stimmen. Sarkozy will nun endgültig die „Ära 68“ abschließen, in der nach seinen Worten die Linke in vielen Bereichen „den Ton angab“. Sein Programm zielt auf durchgreifende Änderungen des Arbeitsrechts (verschärfte Prekarisierung und Einschränkungen des Streikrechts), auf den Abbau demokratischer Rechte und eine verschärfte Abschiebepolitik von Flüchtlingen bzw. Menschen ohne gültige Papiere. Dabei will er die Rechte „von ihren Komplexen befreien.“ Im System der französischen V. Republik hat der Präsident eine außerordentliche Machtfülle. Und kein Präsident der V. Republik stand so weit rechts wie Sarkozy. Diese Wahlen haben erneut die Kluft deutlich gemacht, die zwischen dem politischen Verhalten bei bestimmten Auseinandersetzungen und Kämpfen auf der einen Seite und dem Verhalten bei Wahlen zu bürgerlichen Institutionen auf der anderen Seite existiert.
„Nützliche Stimmabgabe“
Aus einem Grund war diese Wahl schwer mit allen voran gegangenen zu vergleichen. Der Schock der Wahl 2002, als der Faschist Le Pen in die Stichwahl kam, saß noch so tief, dass vor allem bei der Linken die Stimmung des „nützlich Wählens“ vorherrschte. Ein zweites Mal sollte so etwas nicht passieren.
Deshalb haben dieses Mal auch viele derjenigen, die sonst für die radikale oder die revolutionäre Linke gestimmt hätten, der „Sozialistin“ Royal die Stimme gegeben. Trotz gestiegener Wahlbeteiligung hat also die anti-liberale Linke (also die Kräfte links der PS) insgesamt 4,65 % verloren. Aber dieser Verlust verteilt sich sehr ungleich, was seinerseits klar nachvollziehbare Gründe hat:
Die KP
Dieses Mal erreichte die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) gerade mal 1,93 % (2002 waren es noch 3,37 %)  Der Absturz ist mehr als nur eine Auswirkung des „nützlich Wählens“. Es ist vor allem ein Beleg dafür, dass die KP mit ihrer Anbiederungspolitik als das fünfte Rad am Wagen der PS begriffen wird. Gleichzeitig gibt es heute verschiedene Kräfte links der KP, die einen gewissen politischen Einfluss in den Bewegungen haben und auch wahlpolitisch eine nicht zu übersehende Glaubwürdigkeit besitzen. Diese gewonnene Glaubwürdigkeit traf ab 1995 auf LO zu, heute aber vor allem auf die LCR, die französische Sektion der IV. Internationale (die LCR stellte 1995 keinen eigenen Kandidaten auf, erst wieder seit 2002).
José Bové
Bové repräsentiert eine alternativ-ökologische Strömung im Land, sollte aber der Kandidat der „anti-neoliberalen Linken“ der Einheitskomitees sein, die aus der erfolgreichen Kampagne gegen die EU-Verfassung hervorgegangen waren. Wie wenig sich Bové allerdings von der PS distanziert, zeigt sein skandalöses Verhalten zwischen den beiden Wahlgängen: Er nahm das Angebot der PS an, Verantwortlicher ihrer Forschungskommission zu werden, die sich um den Hunger in der Welt und die Probleme der Kleinbauern kümmert. Und das, ohne auch nur ein Wort darüber in den Komitees zu verlieren, die ihn zur Kandidatur aufgefordert und gestützt haben! 1,32 % der Stimmen sind dafür, dass er als überparteilich präsentiert wurde, kein überwältigendes Ergebnis.
LO
Lutte Ouvrière mit ihrer Kandidatin Arlette Laguiller hat dieses Mal einen wirklichen Einbruch erlebt (488 119 Stimmen = 1,33 %, d.h. ca. 1 Mio. Stimmen verloren). Mensch sollte nicht übersehen, dass Arlette mit ihren insgesamt sechs Kampagnen seit 1974 keine geringen Verdienste bei der Vorstellung eines antikapitalistischen Programms auf Wahlebene hat. Die Frage stellt sich aber inzwischen, ob die in der  Allgemeinheit präsentierten bisweilen nur plakativen Aussagen gegen den Kapitalismus der heutigen Situation noch gerecht werden.
LCR
Mit Abstand am besten hat die LCR dem Druck der „nützlichen Stimmabgabe“ widerstanden. Ihr Kandidat Olivier Besancenot erhielt zwar prozentual weniger Stimmen als 2002 (-0,12 %), aber in absoluten Zahlen waren es 290 000 mehr, nämlich 1 498 835 (= 4,08 %). Hätte es nicht diesen Druck der „nützlichen Stimmabgabe“ gegeben, hätte es auch hier anders ausgesehen, denn je nach Umfrage zwischen 8 und 12 % der Befragten hatten ihre größte Sympathie für den Kandidaten Olivier Besancenot zum Ausdruck gebracht.

Das Gesamtbild der Kampagne, der große Besuch auf den Veranstaltungen, die Zugriffe auf die Homepage und vor allem die Analyse der Befragungen nach der Wahl belegen, weshalb der Kandidat der LCR am besten dem Druck der nützlichen Stimmabgabe widerstanden hat: Olivier hat ganz offensichtlich ein schlüssiges und argumentativ gut begründetes Programm vertreten und sich klar von der PS abgegrenzt. Das wog allemal mehr als die Traditionen von KP oder LO, aber auch mehr als die vorgebliche „Einheitskandidatur“ von José Bové.

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