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Innenpolitik

Die Linke der Linkspartei formiert sich

Von B.B. | 29.04.2006

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Vom Linkssozialismus zum „wahren“ Reformismus: Unter den Thesen „Für eine antikapitalistische Linke” sammelt sich die Linke der Linkspartei… auf reformistischer Grundlage. Am 6. April stellten führende Politiker von Linkspartei.PDS und WASG eine politische Plattform für einen gemeinsamen Wahlkampf in Berlin vor…

Vom Linkssozialismus zum „wahren“ Reformismus: Unter den Thesen „Für eine antikapitalistische Linke” sammelt sich die Linke der Linkspartei… auf reformistischer Grundlage.

Am 6. April stellten führende Politiker von Linkspartei.PDS und WASG eine politische Plattform für einen gemeinsamen Wahlkampf in Berlin vor. Mit Forderungen wie Ankoppelung des Berliner Anwendungs-Tarifvertrages an die bundesweiten Flächentarifverträge des Öffentlichen Dienstes, Mindestlohn und Verteidigung des Öffentlichen Dienstes gehen sie scheinbar auf Distanz zur Politik des SPD-PDS-Senats und tun so, als kämen sie der Kritik des Berliner Landesverbandes der WASG an Regierungsbeteiligungen entgegen.
Linke Vernetzung gegen ganz links
Fast parallel stellte die Linke in WASG und Linkspartei.PDS ihre Thesen “Für eine antikapitalistische Linke” vor. Zu den UnterstützerInnen gehören u. a. GenossInnen von KPF, DIDF, isl und DKP. Diese SozialistInnen bzw. KommunistInnen werden ihre Thesen als ersten Schritt auf dem Weg zur Umwandlung der Linkspartei hin zu einer “neuen Linken” feiern. Doch die gemeinsame Grundlage der Linken der Linkspartei wird weder dem eigenen politischen Anspruch gerecht noch der eingeforderten Entwicklung der Gesamtpartei hin zu einer antikapitalistischen Kraft.

Die Vorstellung der Thesen erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern vor dem Hintergrund des Konfliktes der Spitzen von Linkspartei.PDS/WASG mit der Berliner WASG/SAV. Mit allen Mitteln wollen Gysi, Lafontaine und Ernst verhindern, dass sich eine trotzkistische Strömung um die WASG-Berlin bildet. Das bisherige Meinungsmonopol der SAV auf Kritik an neoliberalen Regierungsbeteiligungen der Linkspartei.PDS soll gebrochen werden, um die Kritik in gemäßigte, integrierbare Bahnen zu lenken. Dazu kommen die Thesen “Für eine antikapitalistische Linke” gerade recht.
Reformismus im Gewand des „Anti-Kapitalismus”
Nur an ein paar Stellen gehen die Thesen über die altbekannte Programmatik der PDS-Linken hinaus. So treten die UnterzeichnerInnen für ein „Verbot von Massenentlassungen” ein und fordern eine „systematische Kontrolle der Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung in den Betrieben durch gewerkschaftliche und betriebliche Strukturen”. Auch sonst will die Linke der Linkspartei Forderungen aufstellen, „die im Heute verankert sind und zugleich die Debatte über das Morgen ermöglichen”. Aber zu einem konkreten Programm von systemsprengenden Übergangsforderungen reicht es nicht.

Das erste Kernstück der Thesen „Für eine antikapitalistische Linke” bestehen aus 8 Forderungsbündeln für eine antikapitalistische Debatte (s. Kasten). Die KritikerInnen des Neoliberalismus wollen “die Frage von Eigentum und Macht stellen”. Doch leider blenden sie diesen hehren Anspruch bei den acht Forderungskomplexen aus. Die Enteignung der Konzerne wird nicht gefordert. Zwar wollen die Thesen eine “antikapitalistische Perspektive” bieten. Aber ein Anti-Kapitalismus, der die Klassenfrage nicht stellt, ist bestenfalls Reformismus.
Der „wahre“ Reformismus
Zweites Kernelement der Thesen sind die 5 „absoluten Minimalbedingungen einer Regierungsbeteiligung auf Landesebene” (s. Kasten). Sie sind so formuliert, dass sie grundsätzlich eine Beteiligung an kapitalistischen Landesregierungen bejahen. Der „wahre“ Reformismus möchte am liebsten einen Reformismus ohne bürgerliche Regierungsbeteiligungen. Weil der aber, wie die Geschichte lehrt, nicht so leicht zu haben ist, halten die UnterstützerInnen der „Thesen” den Beteiligungen der Linkspartei.PDS an den neoliberalen Regierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern eine andere, bessere oder „wahre“ Beteiligung an einer kapitalistischen Regierung entgegen. Vielleicht geht diese bald unter dem Schlagwort „anti-neoliberale” Regierungsbeteiligung in die Parteiengeschichte ein.

Ansonsten enthalten die Thesen Lippenbekenntnisse zu „aktiver Gegenwehr”, „außerparlamentarischem Druck”, „außerparlamentarischer Opposition”, „Protestbewegungen”, „sozialen Bewegungen” und zur „Mobilisierungsfähigkeit”, die selbstverständlich „neben der parlamentarischen Repräsentanz nicht vernachlässigt werden dürfen”. Dieser Anspruch wird nicht eingelöst. Weder „die” Linkspartei.PDS, noch „die” WASG – mit der rühmlichen Ausnahme einiger Lokalorganisationen –, noch „die” DKP, die MLPD, die SAV, der Linksruck oder die isl bereiten die bundesweite Demonstration am 3. Juni in Berlin aktiv vor und mobilisieren dafür! Für die Organisationen, die in der Wahlalternative „Entrismus” betreiben, ist die bloße Unterzeichnung des Aufrufs zum 3.6.2006 nur das Feigenblatt, um ihre Schwerpunktsetzung auf die Arbeit in den WASG-Gremien zu übertünchen.
Perspektiven

Je weniger die Thesen „Für eine antikapitalistische Linke” überzeugen können, desto mehr ist die Linke der Linkspartei von sich selbst überzeugt. Wenn sie behauptet, es gebe keinen gesellschaftlichen Bedarf nach einer sozialliberalen oder rechtsreformistischen Linkspartei, dann spricht sie der „neuen Kraft” überheblich alle Erfolgschancen ab. Doch wie die Wahlergebnisse unterstreichen, hat die vereinigte Linkspartei durchaus Perspektiven… wenn auch rein parlamentarische. Die Leugnung der vorherrschenden Entwicklungsrichtung einer Partei war schon immer ein Motor für linke Anpassungsprozesse.
Doch zumindest, wenn die Linke der Linkspartei den Konflikt mit der WASG Berlin für überwindbar hält, liegt sie nicht falsch. Dafür muss der Linkssozialismus nur zum Reformismus übergehen.

 

Die 5 Mindestbedingungen für Landesregierungen
Keine weiteren Privatisierungen,  kein weiterer Abbau öffentlicher Beschäftigung, keine Gebühren bei der Bildung, Lernmittelfreiheit, keine Kürzungen bei den Schwächsten, Entmilitarisierungs- und Konversionsprogramme auf Landesebene.

 

Die 8 Forderungsbündel
Besteuerung der Millionäre und großer Erbschaften; Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich; höhere Sozialabgaben fürs Kapital bei Entlassungen und Betriebsschließung; gesetzliche Limitierung der Arzneimittelpreise auf Kosten der Pharmaprofite; Rahmenvorgaben für Finanzhaie bei Kredit- u
nd Guthabenzinsen und für Banken bei Kleinkrediten an mittelständische Unternehmen; Stärkung des Sparkassensektors; Beendigung der Militarisierung der Außenpolitik; Auflösung der NATO; Gewaltverzicht in internationalen Beziehungen; keine Auslandseinsätze der Bundeswehr; gleiche Rechte für alle; Wiederherstellung des Asylrechts; Abschaffung der Geheimdienste; mehr direkte Demokratie durch Volksbegehren, Volksentscheide und Volksinitiativen.

 

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